Fraunhofer IVI feilt an Unterboden-Ladesystem für Lkw

Das Fraunhofer IVI ist bei der Entwicklung eines Unterflur-Ladesystems für Lkw vorne dran. Das Patent ist erteilt, die internationale Standarisierung befindet sich in der Endphase. Bald ist die DC-Ladelösung, die aus einer Boden-Komponente und einem fahrzeugseitigen Empfänger-Element besteht, also reif für den Markt.

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Bild: Fraunhofer IVI

Am Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) wird schon mehrere Jahren an einem Unterboden-Ladesystem geforscht – und zwar in Form einer Lösung, bei der der gesamte Ladeprozess ohne Kabel-Hantiererei und mit nur einem Knopfdruck gestartet und beendet werden kann. Kern des Ansatzes ist ein automatisiertes Kontaktsystem, das die Unterseite des Lkw mit einem ausfahrbarem Bodenelement verbindet. Wichtig: Es kommt zwischen Boden-Sender und fahrzeugseitigem Empfänger zu einer physischen Verbindung, es handelt sich also um keine induktive Ladetechnologie.

Weite Teile der Entwicklung fanden im Rahmen des vom Bund von 2020 bis 2024 geförderten und inzwischen abgeschlossenen Forschungsprojekts MEGA-LADEN statt. Zu diesem Projekt gehörte auch die Installation einer solchen Ladelösung im Berliner Westhafen. Dort wurden Ladeleistungen von bis zu 300 kW erreicht. Inzwischen gibt es auch in Dresden einen zweiten Standort. Dazu gleich mehr.

Zunächst zur Motivation und Technik: Das Forscher-Team gibt an, dass das Unterboden-Ladesystem allen voran platzsparend sei, da keine separate Ladesäule neben dem Parkplatz nötig ist. Zudem entfällt das Hantieren mit dem Kabel (also kein Kontakt mehr zu elektrischen Bauteilen) und das straßenseitige Ladeelement ist (wetter-)robust und überfahrbar. „Es gibt damit auch keine Angriffspunkte für Kabeldiebstahl und Vandalismus“, betonen die Verantwortlichen.

Dabei ist das Ladesystem unterschiedlich stark im Boden verankerbar – als fahrbahnintegrierte Lösung („eingegrabenes System“) oder als flexible Ladelösung („auf die Fahrbahn aufgesetztes System“) – und natürlich skalierbar. Es unterstützt im Nutzfahrzeug-Bereich Ladespannungen von bis zu 1.250 Volt und Ladeleistungen von bis zu 4,5 Megawatt. Ladeleistungen in diesen Höhen sind auch der Grund, warum die Dresdener Forscher auf ein konduktives statt ein induktives System setzen: „Sollen hohe Leistungen übertragen werden, kommen prinzipbedingt nur konduktive, d. h. kontaktbehaftete Systeme in Frage.“ Für die hohen Bereiche bis 4,5 MW habe man eigens ein vollautomatisches Nachladesystem entwickelt, das die Leistungsbegrenzung herkömmlicher Stecker-Kabel-Einheiten überwindet.

Wichtig noch: Die 4,5 MW (bzw. maximal 1,2 MW bei Pkw) gelingen nur mit dem „eingegrabenen System“. Diese großen Leistungen wurden im Projekt MEGA-LADEN auf dem Prüfstand nachgewiesen. Das „aufgesetzte System“ leistet dagegen bis 300 kW und ist vor allem zum Laden von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen gedacht. Los geht die Skala der Ladeleistungen dabei stets bei 50 kW – und egal ob diese Leistung oder Megawatt-Übertragungen: Das System verfügt über immer dieselbe Schnittstelle (im Gegensatz zu CCS- und MCS-Stecker bei kabelgebundenen Systemen).

Fahrzeuge müssen zur Kompatibilität natürlich einen Stromempfänger verbaut bekommen. Dieser misst laut Fraunhofer IVI 63,5 x 28,5 x 6 Zentimeter und wiegt 4,6 Kilogramm. Als Grundgeometrie der Kontaktfläche kann man sich den Empfänger als „umgekehrten Pyramidenstumpf“ vorstellen – also das Gegenstück zum Pyramidenstumpf der ausfahrbaren Bodeneinheit. Wird nicht geladen, ist dieser Empfänger am Fahrzeug durch eine Klappe geschützt. Kommt nun ein Fahrzeug zum Laden müssen Strom-Sender und Empfänger natürlich zueinander finden. Dabei hilft eine kamerabasierte Positionierungshilfe. Allerdings muss hier keine Millimeter-Arbeit geleistet werden. Die Forscher sprechen von einer „Parktoleranz“, die das Bodensystem gewährleistet, indem es beim Hochfahren leicht schwenkbar ist. Ein Elektromagnet sorgt dann für eine zuverlässige Kontaktierung. Der Ladeprozess selbst erfolgt mittels einer automatischen drahtlosen Kommunikation zwischen Ladegerät und Fahrzeug
(„OppCharge“).

In Dresden können solche Ladevorgänge bereits seit einigen Monaten bei der dortigen Stadtreinigung beobachtet werden. Die Dresdener sind Praxispartner und nutzen zur Erprobung der Lösung ein installiertes Bodenelement und einen 15-Tonnen-Lkw, der mit dem Empfänger-Gegenstück nachgerüstet wurde.

Als ein visionäres Merkmal der neuen Ladetechnologie bezeichnen die Initiatoren übrigens die Ausrichtung auf autonomes Fahren: „In einer Zukunft, in der Fahrzeuge autonom operieren, wird es entscheidend sein, dass der Ladevorgang ohne menschliches Eingreifen erfolgt. Das entwickelte System könnte es Fahrzeugen ermöglichen, selbstständig den Ladevorgang zu initiieren und durchzuführen. Dieses Konzept ist auch für automatisierte Betriebshöfe denkbar, in denen Fahrzeuge eigenständig an Ladestationen andocken und den Ladevorgang übernehmen.“

Die während des Tests in Dresden gesammelten Daten sollen nun nicht nur zur Optimierung des Ladesystems beitragen, sondern auch wertvolle Einblicke in die Benutzerfreundlichkeit und Verfügbarkeit der Technologie liefern. Und: Ein Wunsch der beiden Partner wäre es, gemeinsam mit einem Fahrzeughersteller eine Kleinserie von Fahrzeugen aufzubauen, um den Fuhrpark nachhaltig zu elektrifizieren und die Vorteile der Elektromobilität in Dresden weiter auszubauen. „Der Praxisbetrieb läuft noch bis Ende diesen Jahres. Möglicherweise auch darüber hinaus“, teilt uns das Fraunhofer IVI auf Anfrage mit. „Die Fahrer sind sehr zufrieden. Es wird täglich einmal geladen, an fünf Tagen der Woche.“ Und: „Die Stadtreinigung ist von der Ladelösung so überzeugt, dass sie im nächsten Jahr den Aufbau eines weiteren Unterbodenladesystems auf ihrem Gelände plant.“

Neben Betriebshöfen sehen die Fraunhofer-Forscher auch Use Cases für das neue Ladesystem in Landwirtschaft, Industrie und Bau sowie auf Parkplätzen und an Tankstellen/Ladeparks. Vor der Kommerzialisierung steht nun noch die Normierung des Systems. Anfang des Jahres wurde die erste Version der Systemnorm IEC 61851-26 („EV-Versorgungsausrüstung mit automatischer Andockung einer Fahrzeugkupplung am Unterboden eines Elektrofahrzeugs“) für Ladegeräte als Entwurf einer technischen Spezifikation fertiggestellt. Darüber hinaus hat das Fraunhofer IVI sich an der Entwicklung eines Normungsmandats für die ACD-U-Schnittstelle beteiligt, um einen internationalen Standard für das Unterbodenladen zu etablieren.

Grundsätzlich wird die Kommerzialisierung übrigens nicht durch das Fraunhofer-Institut selbst vollzogen, sondern potenziell via interessierte Zulieferfirmen bzw. Hersteller von Ladesystemen. Dass die Marktreife nicht mehr weit ist, zeigt aber jetzt schon ein Blick auf die sogenannte Technology-Readiness-Skala. Hier steht die Unterboden-Ladelösung auf Level 7 von 9.

ivi.fraunhofer.de, mega-laden.de

6 Kommentare

zu „Fraunhofer IVI feilt an Unterboden-Ladesystem für Lkw“
Matthias
30.10.2025 um 17:09
Danke an electrive.net für den richtig gelungenen Beitrag zu unserem Unterboden-Ladesystem! Wir freuen uns riesig über das Interesse und die tolle Vorstellung der Technik. Wer als Anwender, OEM o. ä. das System mal live sehen will: Kommt gern bei uns am Fraunhofer IVI vorbei oder besucht uns in den nächsten Tagen auf der NextTruck 2025. Da zeigen wir am Stand 25 das System in Aktion und wir können gern über Technik, Ideen und unsere Zukunftspläne plaudern!
Nostra
31.10.2025 um 08:52
So geht Zukunft !!
EWI
31.10.2025 um 15:12
Ja, so geht Zukunft !! Hallo Frau Werwitzke, ich hätte ja erwartet, dass Jounarlist*innen, wenn sie über ein System schreiben, erwähnen , dass es das fast gleiche nochmal gibt. Das System heißt Easylink und kommt 'leider' aus Östreich. Wenn ich das richtig verstanden habe, bringt das Fauenhofer Institut die ganze Ladetechnik aus dem Boden an eine 'Emplangsplatte' unter dem Fahrzeug. Bei Easylink ist es genau umgekehrt. Auf dem Boden ist eine Platte, die nicht teuer gegen Wasser abgedichtet werden muss, und unter dem Fahrzeug fährt ein Stempel auf die Bodenplatte. Da ich davon ausgehe, dass es in Zukunft ein paar Autos mehr als Ladesysteme im Boden geben wir, ist es sogar das billigere System. Und, wie zu erwarten, welche Sprache, außer Englisch, kann man auf der Easylink-Seite aufrufen - Chinesich !! Sie werden uns auch dabei überholen.
Matthias
01.11.2025 um 16:38
Hallo EWI, das hier vorgestellte Ladesystem adressiert zum einen den vollen MCS-Standard, d.h. es können die geforderten 3000 A bei 1250 V abgebildet werden. Zum anderen fällt die Masse der fahrzeugseitige Schnittstelle aufgrund der nicht vorhandenen Aktuatorik sehr niedrig aus. Ebenso ist es dadurch sehr preiswert und klein. Gerade das ist, vor dem Hintergrund, dass es in jedes Fahrzeug eingebaut werden muss, der Vorteil. In meinen Augen macht es gerade den Sinn, dass man den technisch aufwändigen Teil nicht an jedem Fahrzeug mitführen muss, sondern dies der Infrastrukturseite überlässt. Eine Vision wäre, dass zukünftig an Tankstellen genauso schnell nachgeladen werden kann, wie jetzt getankt wird. Die Batterietechnik hat hier in den letzten Jahren eine derart krasse Entwicklung hingelegt, dass es nur eine Frage der Zeit wird, wann wir diese Ladeleistungen haben. BYD hat uns ja bereits gezeigt, dass Megawattladen keine Utopie mehr ist... Im übrigen funktioniert der Schacht, wie die allerorten bekannten Abwasserschächte. Das Wasser kommt und geht über die angeschlossene Drainage. Es besteht keinerlei Bedarf an Wasserdichtigkeit - die Komponenten sind alle dafür ausgelegt. Viele Grüße Matthias
ioniqKnechter
01.11.2025 um 15:30
Moin EWI....Die Frage ist, welches System letztlich günstiger ist. Die Empfangsplatte am Fahrzeug muss zuverlässig, aber zugleich kostengünstig sein. Den im Boden eingebauten Sender beziehungsweise Stempel vor Wasser zu schützen, dürfte das geringste Problem darstellen. Schwieriger wird es hingegen, einen solchen Stempel im Fahrzeug unterzubringen – insbesondere mit der dazugehörigen Mechanik, die zusätzlich gegen Umwelteinflüsse wie Staub, Salz und Feuchtigkeit geschützt werden muss. - Es gilt daher, das System so einfach wie möglich zu gestalten. Dieses Konzept, in welcher Ausführung auch immer, bietet im Vergleich zu Systemen mit Induktionsspulen in der Fahrbahn oder stationär im Depot den entscheidenden Vorteil, dass keine Ladeverluste entstehen. Ein weiterer Vorteil ist die einfachere und effektivere Kühlung des Übertragungswegs, da keine schweren, flüssigkeitsgekühlten Kabel gehandhabt werden müssen. Ob das österreichische System das bessere ist, würde ich bis jetzt bezweifeln.
Sven
01.11.2025 um 19:56
Das Fraunhofer-System kann mit dem Matrix Charging der Firma Easelink nicht seriös verglichen werden. Bei letzterem handelt es sich um eine reine AC-Lösung für Leistungen bis 22 kW.

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