Heavy Duty Charging – Wolfgang Ademmer, Alpitronic
In der 50. Ausgabe von electrive LIVE, bei der u.a. auch Achim Kampker (RWTH Aachen) und Lars Jacobs (EnBW) sprachen, feierte Wolfgang Ademmer vom Ladestationshersteller Alpitronic aus Südtirol nicht nur das Jubiläum des Formats. Sondern er erinnerte auch daran, wie grundlegend sich die Debatte zur Elektromobilität seit 2018 verändert hat, also dem Jahr, in dem Alpitronic seine ersten Hypercharger installierte. Während damals noch „E-Mobilität als Lösung aller Probleme“ galt, ist sie heute von Zweifel und Kostenfragen geprägt.
Doch für Ademmer steht fest: Der „Shift of Power“ weg von fossilen Kraftstoffen hin zu Batterie-elektrischen Systemen sei technologisch längst möglich – jetzt gehe es um Umsetzung, Geschwindigkeit und politische Verlässlichkeit. Er verweist darauf, dass 18 Prozent der globalen CO₂-Emissionen aus dem Straßenverkehr stammen und elektrische Antriebe nur „etwa ein Drittel des Energieverbrauchs“ eines Diesel-Lkw benötigen. Der Wandel habe somit zwingende Logik – und brauche leistungsfähige Ökosysteme, Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle.
Status quo und Hochlauf der E-Lkw
Ademmer legt erstmals konkrete Marktdaten offen: Im Bereich Lkw-Laden ist die Situation in Europa aktuell etwas unscharf, weil es keine offiziellen Daten zu dedizierten Lkw-Ladepunkten gibt. „Wir haben hier eine Analyse gemacht und ausgewertet, welche Ladepunkte mehr als 70 Prozent ihrer Ladesessions mit Lkw haben.“ Das habe dazu geführt, dass Alpitronic in Europa etwa 1.150 Ladepunkte identifizieren konnte, die größtenteils von E-Lkw genutzt werden. Die durchschnittliche Ladeleistung liegt dort mit 167 kW in etwa doppelt so hoch wie bei elektrischen Pkw. Und im Durchschnitt werden pro Stunde 156 kWh an E-Lkw verladen. Mit 69 GWh bewegter Energie zeige sich, dass „schon jetzt gewaltige Energiemengen fließen“. Ladezeiten von E-Lkw würden sich dabei im Wesentlichen in zwei Gruppen bündeln – 30 Minuten für typische Schnellstopps, 45 Minuten für Lenkzeitpausen.
Bis 2030 fordert Ademmer eine enorme Skalierung: Bis dahin würden jährlich rund 60.000 neue Lkw-Ladepunkte in Europa benötigt, um auf dann 374.000 Lkw-Ladepunkte zu kommen. Dabei müsse auch der neue Megawatt-Ladestandard MCS implentiert werden, den Alpitronic bereits in der neuen Ladestation HYC1000 integriert hat, die u.a. bereits an der Brennerautobahn im Einsatz ist. Besonders klar sei, dass der Großteil der Ladevorgänge künftig im Depot stattfindet. Dort werde es komplex: Energieversorgung, Netzanschlüsse, Speicher, unterschiedlichste Site Layouts und ein Zusammenspiel aus Fleet-, Energie- und Ladepunktmanagement seien nötig. Depotladen werde daher „ein richtiges Puzzle“ und erfordere neue Partnerschaften sowie Lösungen bis ins Detail. Spannend sei auch ein Infrastruktur-Sharing, das ein neues Geschäftsmodell für Logistiker ermögliche.
TCO, Regulierung und politischer Druck
Entscheidend für einen erfolgreichen Markthochlauf sieht Ademmer die Total Cost of Ownership (TCO). Zwar seien elektrische Lkw in der Anschaffung „zwei bis zweieinhalb Mal so teuer“ wie Diesel-Lkw, doch Mautbefreiung und niedrigere Energiekosten führten bereits heute zu einem positiven Business Case. Allerdings sei die Mautbefreiung bislang „nur in Deutschland“ beschlossen – europaweit bleibe sie ein politisches Ringen.
Besonders kritisch bewertet Ademmer die Verschiebung des Starts des EU-Emissionshandels für Gebäude und Verkehr (ETS 2) von 2027 auf das Jahr 2028 : Die Verteuerung fossiler Kraftstoffe sei „essentiell für die Transformation“. Die Verzögerung sendet aus seiner Sicht ein falsches Signal: „Ich bin kein Freund von Zielen, die gesetzt und dann wieder aufgeweicht werden.“ Das gefährde Wettbewerbsanreize für First Mover und untergrabe Vertrauen.
In seinem abschließenden Ausblick ruft Ademmer dazu auf, Planbarkeit zu schaffen, Netzanschlüsse zu beschleunigen und sinnvolle Anreizsysteme zu etablieren. Europäische Resilienz in der Wertschöpfung – insbesondere bei Batterien – sei zwingend. Der Wandel sei mehr als ein Antriebswechsel: „Es ist der Start eines intelligenten Zusammenspiels von Energie, Infrastruktur und neuen Geschäftsmodellen.“ Sein Appell: „Festhalten an Entschiedenem“ von Seiten der Politik, Kooperation statt Silos und Mut zum Upscaling – denn nun „geht es richtig los“.
Sie möchten sich den kompletten Vortrag anschauen? Dann nutzen Sie bitte den Videoplayer oberhalb des Beitrags oder wechseln direkt zu YouTube.





0 Kommentare