Auswertung der These des Monats: Kommunen müssen Elektromobilität in der Debatte um Fahrverbote adressieren

Trotz der steigenden Belastung durch Stickoxide und Feinstaub galten Fahrverbote für Verbrenner bislang als Tabu. Ausgelöst durch Dieselgate ist dieses nun gefallen. Doch über Elektromobilität als Alternative spricht kaum jemand in den Kommunen – dabei wäre es das Gebot der Stunde, wie die Auswertung unserer letzten These des Monats zeigt.

Befeuert durch den Untersuchungsbericht des Kraftfahrt-Bundesamtes, wonach fast alle Dieselfahrzeuge die von der EU festgelegten Grenzwerte um ein Vielfaches überschreiten, ist in bestimmten Ballungszentren schon bald mit temporären Fahrverboten zu rechnen.

So sollen zum Beispiel nach dem Willen der baden-württembergischen Landesregierung in Stuttgart von 2018 an bei Feinstaubalarm besonders belastete Straßen für Dieselfahrzeuge, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, gesperrt werden. In Bayern hat der Verwaltungsgerichtshof den Freistaat verpflichtet, bis spätestens Ende 2017 ein vollzugsfähiges Konzept für Diesel-Fahrverbote in München vorzubereiten. Andere deutsche Städte wie Köln, Hamburg und Berlin erwägen ähnliche Maßnahmen. Die Hansestadt etwa strebt mit dem neuen Luftreinhalteplan die Sperrung von zwei Straßen in der Innenstadt an.

Insgesamt könnten in Deutschland 13 Millionen Diesel-Pkw von solchen Fahrverboten betroffen sein. Dementsprechend ist eine breit und heftig geführte Debatte über die Berechtigung solcher Fahrverbote entbrannt. Die betroffenen Fahrzeugbesitzer sind ratlos bis empört, wie ein Fernsehbericht am 7. März 2017 thematisierte. Was er tun würde, wenn Fahrverbote wirklich kämen, wurde darin ein Dieselfahrer gefragt. Dann bliebe ihm wohl nichts übrig, als einen Benziner zu kaufen, antwortete er. Hat der Mann noch nie etwas von Elektrofahrzeugen gehört?, fragte sich die Redaktion von electrive.netdabei. Wären die emissionsgeplagten Kommunen nicht gerade jetzt gut beraten, ihre Bürgerinnen und Bürgern besser über die Möglichkeiten der Elektromobilität zu informieren? Ausgehend von dieser Frage formulierten wir die letzte These des Monats April:

„In der Debatte um Fahrverbote in Städten kommt die Elektromobilität zu kurz. Sie muss jetzt von den Kommunen als Alternative an die Bürger kommuniziert werden.“

Die These wurde von 120 Beteiligten diskutiert. Die überwiegende Mehrheit befürwortete eine bessere Kommunikation der Elektromobilität durch die Kommunen: 100 Beteiligte äußerten sich ganz (88) oder teilweise (12) zustimmend, 18 stimmten der These nicht (11) oder eher nicht (7) zu, daneben gab es zwei neutrale Bewertungen.

Zeichnet man die Positionen von Gegnern und Befürwortern der These in Argumenten nach, so ergibt sich folgendes Meinungsbild. Es spiegelt ausdrücklich die Auffassung der Diskussionsbeteiligten und nicht die Meinung der Redaktion wider.

Ähnliche Argumente trotz anderer Bewertungen

Bemerkenswert an dieser Diskussion ist, dass unterschiedliche Bewertungen der These nicht unbedingt völlig verschiedene Kommentare nach sich ziehen. Manche Argumente ähneln sich, selbst wenn sie aus entgegengesetzten Bewertungen abgeleitet sind. So bestreitet kein Diskussionsbeteiligter grundsätzlich, dass eine bessere Kommunikation über Elektromobilität sinnvoll ist. Allerdings meinen manche Contra-Kommentatoren, dass dies primär die Aufgabe der Hersteller und Autohändler und nicht der Kommunen sei, wie überhaupt die öffentliche Hand davon absehen solle, in Marktprozesse einzugreifen. „Es soll sich das Bessere durchsetzen, wir brauchen keine staatliche Regulierung“ oder „Die Kunden kaufen die Fahrzeuge, wenn sie zu den Bedürfnissen passen, nicht wenn die Politik das will…“, sind typische Aussagen, die das unterstreichen.

Umgekehrt zieht sich der Zweifel, dass Elektromobilität schon heute eine praktikable Alternative oder eine insgesamt ausreichende Lösung für urbane Verkehrsprobleme sei, quer durch alle Bewertungen. Auch betonen viele Befürworter der These, dass Kommunikation allein wenig nutze. Sie laufe Gefahr, nur „Sprechblasen zu produzieren“. Handeln sei wichtiger als Reden. „Es wird keinen Erfolg haben, E-Mobilität als Alternative zu Fahrverboten zu kommunizieren, wenn man nicht zuvor die infrastrukturellen Voraussetzungen dafür schafft, dass sie funktionieren kann“, schreibt ein Diskussionsteilnehmer und folgert: „Tue zuerst Gutes, und rede dann darüber!“

Analysiert man also die Kommentare der Diskussion, ohne sie nach Bewertungen zu kategorisieren, so zeigen sich folgende wesentlichen Argumentationsstränge:

Kommunale Kommunikation als Chance und Lückenfüller

Mehr Kommunikation über Elektromobilität ist wichtig, weil sie in vielen Städten tatsächlich im Argen liegt. Als Negativbeispiele werden etwa München, Potsdam und Würzburg genannt. Die Zurückhaltung mancher Kommunen auf diesem Gebiet sei umso bedauerlicher, als Menschen, „die ihr Auto aus Umweltgründen nun austauschen müssen, aufgrund der Aktualität des Themas derzeit viel empfänglicher dafür sind als je zuvor“. Diese Chance dürfe man angesichts des Potentials der Elektromobilität nicht vergeben. „Erschreckend viele Leute (und Kommunalpolitiker)“, heißt es an anderer Stelle, „kennen den Elektroantrieb bei Autos noch nicht. Sie wurden von der Autolobby so verbildet, dass sie die Elektromobilität als etwas Neues (und Kompliziertes) ansehen und nicht als die Vereinfachung der Technik, die es eigentlich ist.“

Mehr Kommunikation seitens der Kommunen ist also auch notwendig, weil Hersteller und Händler sie nicht ausreichend leisten. „Ich habe lange Zeit vergeblich versucht, Informationen über E-Autos in VW-Autohäusern zu bekommen”, meint ein Diskussionsbeteiligter. Hier müssten die Kommunen einspringen. Ein anderer verweist darauf, dass dies nicht nur aus Umweltschutz-, sondern auch aus Imagegründen im Interesse der Kommunen liege. Weckten doch Fahrverbote immer heftige Gegenreaktionen, wobei der Groll immer auf die Kommune ziele. „Daher sollten die Hersteller stärker als Schuldige betont und E-Mobilität als Alternative unterstrichen werden.“

Die Kommunen sollten die Perspektiven der Elektromobilität im Rahmen ihrer Klimaschutzpolitik kommunizieren und dabei verdeutlichen, welchen Beitrag Elektroautos zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen leisten können. Sie sollten aber auch darstellen, dass Elektrofahrzeuge wirtschaftlich betrieben werden können und dabei Lieferverkehre einbeziehen. Zudem empfiehlt ein Kommentator, Elektromobilität als „Schutz-Investition in Richtung Energie-und Ressourcenkriege“ zu kommunizieren. „Kurzum: Keiner in Deutschland hat eine Ölquelle im Keller, aber sehr viele die Sonne überm Dach.“

Handeln ist besser als reden

Kommunale Kommunikation ist notwendig, aber nicht ausreichend, was ein Kommentator folgendermaßen auf den Punkt bringt: „In meiner Kommune, der Freien und Hansestadt Hamburg, wird E-Mobilität bereits sehr gut kommuniziert. Das ändert aber an der mangelhaften Reichweite und den zu hohen Preisen nichts.“ Die Preise zu ändern, liegt nicht in der Macht der Kommunen, sollte aber den Herstellern leichtfallen, „wenn sie ernsthaft wollten und endlich in Massenfertigung gingen“, heißt es anderswo. Der Reichweitenbegrenzung könnten Kommunen aber sehr wohl aktiv begegnen, wenn sie mit dem Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur Ernst machten, wie von vielen Diskussionsbeteiligten gefordert, etwa in der Aussage: „Die Kommunen müssen das Thema nicht den Bürgern nahebringen, sondern sie müssen etwas für die Ladeinfrastruktur tun.“

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Erfolgsmodell Hamburg: Die Hansestadt stellt Ladestationen in Hülle und Fülle auf.

Handlungsspielräume mit Hebelwirkung haben die Kommunen auch bei der Elektrifizierung ihrer eigenen Fuhrparks. Dadurch könnten sie „Zeichen kommunizieren, die zum Umstieg ermutigen“. Auch die Elektrifizierung der Busse des ÖPNV wird als vordringliche kommunale Aufgabe angemahnt. Kostenloses Parken für rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge zu erlauben, ist eine weitere Handlungsempfehlung an die Kommunen, deren tatsächliches Handeln teilweise hart angegangen wird: „Ich finde es fast schon lächerlich, wenn in Stuttgart mit Hilfe von Moos-bepflanzten Wänden versucht wird, die Luft zu reinigen anstatt mit Hilfe von Elektroautos dafür zu sorgen, dass sie gar nicht erst so dreckig wird.“

Elektromobilität allein ist keine Alternative

Elektromobilität allein ist insbesondere in urbanen Ballungsräumen jedoch keine nachhaltige Alternative für die Verkehrsprobleme der Kommunen. Einerseits sind auch Elektrofahrzeuge mitverantwortlich für Staus, andererseits verursachen sie, auch wenn von ihnen keine Stickoxidemissionen zu befürchten sind, durchaus auch Feinstaub „durch Reifen- und Bremsabrieb und Aufwirbelung“, wie ein Diskussionsbeteiligter vermerkt. Elektromobilität müsse daher, so klingt es mehrfach an, in ganzheitliche Verkehrskonzepte eingebunden werden. Erst „die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für Fuß- und Zweiradverkehr, Sharingkonzepte mit Pedelecs und Elektrofahrzeugen sowie E-ÖPNV ist auf kommunaler Ebene“ sei zielführend.

Über solche Verkehrskonzepte hinaus sollten die Kommunen Elektromobilität in ihre Wohnungsbaupolitik integrieren: „Dazu muss es für Neubauten und Sanierungen attraktiver werden, Heizung/Warmwasser rein elektrisch über PV zu erzeugen und temporäre Überproduktion in einem Mix aus Warmwasser- und Batteriespeicher zu speichern.“ Idealerweise sollte das im Verbund mit anderen Häusern und Ladesäulen auf Parkflächen der Umgebung geschehen. Allerdings hängt die erfolgreiche Verbreitung der Elektromobilität in den Ballungszentren auch davon ab, dass die Netzbetreiber und Energieunternehmen die dafür notwendige Stromversorgung stabil gewährleisten könnten und dass eine effektive Entsorgung bzw. Wiederverwertung gebrauchter Traktionsbatterien sichergestellt sei.

Fazit

Dass Elektromobilität ein „Schlüssel für weniger Lärm und bessere Luft in unseren Städten“ ist, wie ein Diskussionsteilnehmer meint, und dass sie von den Kommunen stärker kommuniziert werden müsse, „weil es schon längst zeitgemäß ist“, wie ein anderer schreibt, diese Ansicht wird im Grunde genommen von fast allen Mitdiskutanten geteilt. Dass sie nicht der einzige Schlüssel ist und dass Kommunikation allein nicht ausreicht, freilich auch. Was hilft es den möglicherweise von Fahrverboten betroffenen Dieselfahrern, über Elektroautos informiert zu werden, wenn sie sich diese nicht leisten können? Dass auch mehr Kommunikation über Elektromobilität die Wogen der derzeitigen Debatte über Fahrverbote nicht so bald glätten wird, zeigt ein Kommentar dieser Diskussion, der zwar an der darin angesprochenen These ein wenig vorbeigeht, aber exemplarisch die Heftigkeit der Diesel-Diskussion widerspiegelt: „Unsere Autoindustrie arbeitet mit Hochdruck an Elektroplattformen, die ab 2019 marktfähig sind“, heißt es darin. „Daher gleicht der Vorstoß gegen den Diesel zum jetzigen Zeitpunkt einem Dolchstoß „um fünf vor zwölf“. Allein bei Bosch hängen 50.000 Arbeitsplätze vom Diesel ab. Davon abgesehen kommt es verfassungswidriger Enteignung gleich, Diesel-Pkw „schlechter als Euro 6“ aus Großstädten zu verbannen.“

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