Stromaufwärts: Absatzprognose für E-Autos in Deutschland

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Wie entwickelt sich der Absatz von elektrischen Fahrzeugen in Deutschland? Dynamisch! Die berühmte Million ist gar nicht so weit weg, zeigen interne Prognosen von VDA und NPE. Die CO2-Vorgaben zwingen die Hersteller zu Strom-Verkäufen und die steigende Nachfrage tut ihr Übriges, hat Christoph M. Schwarzer recherchiert. Es geht nur in eine Richtung: stromaufwärts.

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Der Vorwurf: Planwirtschaft. Die Kritik an der Bundesregierung, die das Ziel von einer Million Elektroautos im Jahr 2020 verkündet hat, war und ist hart. Inzwischen zeigt sich aber, dass selbst konservative Schätzungen nur von einer leichten Verzögerung bis zum Erreichen ausgehen.

Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) prognostiziert die Siebenstelligkeit für 2022, der Verband der Automobilindustrie (VDA) für 2023. So steht es in internen Quellen, die electrive.net vorliegen.

Und es gibt zwei Faktoren, die eine noch steilere Hochlaufkurve erwarten lassen: Die Nachfrage ist so groß, dass die Kunden lange Lieferzeiten hinnehmen müssen. Hierauf werden die Hersteller reagieren, so schnell sie das in Abstimmung mit den Zulieferern können. Außerdem erzwingen die üblen Ergebnisse bei den CO2-Flottenemissionen einen deutlich wachsenden Anteil von Batterie-elektrischen Autos (BEV) und Plug-In-Hybriden (PHEV). Ohne E läuft es nicht.

Diese nahe automobile Zukunft wird keine Selbstgeißelung. Das Gegenteil ist der Fall. Auf dem Genfer Autosalon, der gerade zu Ende gegangen ist, gab es geile Stromer wie den Jaguar I-Pace, günstige wie den Hyundai Kona Elektro, und die Marke Volkswagen verspricht bis 2025 nicht weniger als 20 Autos ohne Verbrennungsmotor. Pro Jahr also mindestens zwei reine E-Neuheiten.

2017 über eine Million EV-Verkäufe weltweit

Während Deutschland in Selbstmitleid über das Ende des Dieselmotors im Pkw zerfließt, hat sich die Welt längst entschieden: 2017 wurden 1,2 Millionen BEVs und PHEVs verkauft. Ein Blick auf die Top Ten: Platz 1 geht an die EC-Serie des chinesischen Herstellers BAIC, es folgt das Tesla Model S und erstaunlicherweise fast gleichauf der Toyota Prius Plug-In. Der japanische Riese ist erwacht. Erst auf Rang 4 ist der Nissan Leaf zu finden, der offenbar zum Modellwechsel etwas Luft holt. Einziges deutsches Produkt: Der BMW i3 auf Platz 8.

Zurück zu uns, in den Heimatmarkt und die EU. Die internen Prognosen von VDA und NPE sehen einen deutlichen Schub bei den Neuzulassungen ab 2020 voraus. Wenn Volkswagen I.D. und I.D. Crozz, Porsche Mission E, BMW iX3 und Audi e-tron zum Verkauf stehen, ist das eine wenig risikoreiche Einschätzung. Es gibt viele Neugierige, die endlich ein BEV haben wollen.

CO2-Flottengrenzwerte als Treiber der Evolution

Ein Boom ist auch bei den PHEVs zu erwarten. Eine Ursache dafür ist der CO2-Flottengrenzwert für das Jahr 2021 von durchschnittlich 95 Gramm pro Kilometer. Bis 2015 sah es so aus, also könnte der Soll-Korridor bei der Absenkung erreicht werden. Seitdem aber stehen dem Erfolg mit der Beliebtheit der SUVs und der Abkehr vom Dieselmotor zwei Megatrends entgegen. In Zahlen: Laut Center Automotive Management (CAM) betrug der CO2-Ausstoß 2017 knapp 128 g/km, was erstmals ein Plus gegenüber dem Vorjahr (+0,4 Prozent) bedeutet.

Angesichts der EU-Strafandrohung von 95 Euro pro Fahrzeug und Gramm Überschreitung ist der Handlungsdruck immens.

PHEVs sind für die Hersteller ein großer Vorteil: Sie reduzieren die CO2-Emissionen auf dem Papier viel stärker als Dieselantriebe. Der Selbstzünder rechnet sich nicht mehr, weil er nur in der EU verkauft wird, darum auf zu geringe Stückzahlen kommt und weil die Abgasreinigung viel zu teuer ist – die Platinmenge darin liegt auf dem Niveau eines Brennstoffzellenautos. PHEVs dagegen ermöglichen den Weiterbetrieb des geliebten Verbrennungsmotors für eine Übergangszeit; sie sind leistungsstark, und dass hier mit wenigen Ausnahmen keine umweltschonenden Gleiter, sondern schwere Kraftprotze herauskommen, ist aus der Perspektive der CO2-Strafzahlungen nicht relevant.

Stückweise stromaufwärts

In der Einleitung zum eingangs genannten VDA-Papier steht es auf den Punkt gebracht: „Der Fahrzeughochlauf wird entsprechend der EU-CO2-Regulierung extrapoliert“.

Aus welchen Motiven heraus die BEVs, PHEVs und FCEVs auf die Straße kommen, kann dem Käufer egal sein. Hauptsache, er hat eine breite Auswahl unterschiedlichster Fahrzeuge für den individuellen Einsatzzweck. Das gilt auch für Flottenkunden.

Dass die Schwelle von einer Million Autos mit Ladestecker 2020 noch nicht überschritten wird, ist dabei gleichgültig. Die Zahl war ein ideeller Wert, eine Vision, von der die Wirklichkeit nicht allzu weit entfernt sein wird. Während einige Menschen noch Trauerarbeit um den Dieselmotor leisten, hat sich die Welt von China bis Kalifornien längst entschieden: Es geht stückweise und radikal stromaufwärts.

1 Kommentar

zu „Stromaufwärts: Absatzprognose für E-Autos in Deutschland“
Max
20.03.2018 um 11:21
Schade, dass dieser Artikel nur so wenige Informationen aus den NPE- und VDA-Papieren präsentiert und stattdessen stark zu einem Glaubensbekenntnis geworden ist. Eine Berichterstattung ohne Vermischung von Information und Kommentar wäre mir lieber, dann können sich die Leserinnen und Leser eigenständig ein Bild machen.

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