Wilko A. Stark: „Bis 2022 werden wir das gesamte Mercedes-Portfolio elektrifizieren.“

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Wilko Andreas Stark hat bei Mercedes-Benz als Strategie-Chef und CASE-Leiter alle Hände voll zu tun, den Wandel der Autobranche für Daimler zu orchestrieren. Wir haben mit ihm über die Veränderungen durch die Elektrifizierung und den Start der Elektro-Marke EQ gesprochen.

Digitalisierung, Elektrifizierung, Automatisierung: Der Wandel der Mobilität ist in vollem Gang. Kommen Sie bei Mercedes-Benz noch bei allen Themen mit oder müssen Sie bereits Prioritäten setzen?

Wir erleben im Moment einen rasanten Wandel der Mobilitätsbranche. Als Daimler formieren wir uns hierfür sowohl strukturell, kulturell und auch technologisch. Die CASE-Felder „Connectivity“, „Autonomous Driving“, Shared and Services“ und „Electric Driving“ gestalten wir dafür in gleich hohem Tempo aus. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Kunde, dem wir auch zukünftig maßgeschneiderte Mobilitätslösungen anbieten möchten. Wir setzen dabei auch auf neue, intelligente Produkte und Dienstleistungen, die erst durch die Verzahnung der CASE-Themen entstehen. Klar ist inzwischen, dass an der Elektromobilität kein Weg mehr vorbei führt. Auch bei Mercedes werden die Grundsteine gelegt.

Welche Bedeutung hat dieser Wandel für Daimler?

Wir sind davon überzeugt, dass die Zukunft elektrisch sein wird. Aus diesem Grund gehen wir jetzt bei der Elektrifizierung unserer Pkw, aber auch Vans, Trucks und Bussen, in die Offensive. Unser Ziel ist klar: Wir wollen bis 2025 das Premiumsegment im Markt für Elektroautos anführen, inklusive möglicher neuer Wettbewerber. Nur so können wir den angestrebten Wandel von der Nummer eins der Automobilhersteller hin zur Nummer eins einer neuen Mobilitätsära vollziehen. Mit dem Akronym CASE geben wir diesem Wandel nicht nur ein Gesicht, sondern haben uns einen konkreten Umsetzungsplan für neue Produkte und Dienstleistungen für Mercedes-Benz für die kommenden Jahre auferlegt. Die Elektromobilität („E“) ist dabei eines der Kernfelder.

Und was sind auf technischer Ebene die größten Herausforderungen dabei? Muss sich die Autoindustrie im Zuge der Elektrifizierung auch ein Stück weit neu erfinden?

In Zeiten des Wandels ist höchste Flexibilität gefragt. Bis 2022 werden wir das gesamte Mercedes-Portfolio elektrifizieren. Das bedeutet, dass wir unseren Kunden in jedem Segment verschiedene elektrifizierte Alternativen anbieten werden – vom Kompaktwagen bis zum großen SUV. Wir planen hier mit deutlich mehr als 130 elektrifizierten Fahrzeugvarianten im Markt. Davon werden alleine mehr als zehn Modelle reine Elektro-Pkw der Produkt- und Technologiemarke EQ sein. Um diese Vielfalt wirtschaftlich attraktiv gestalten zu können, müssen Produktion und Entwicklung Hand in Hand arbeiten. Unsere Elektrofahrzeuge werden wir daher in der gleichen Linie wie bisherige konventionelle und elektrifizierte Verbrenner fertigen. Somit haben wir maximale Flexibilität, um auf die unterschiedliche Kundenanfrage zu reagieren.

Daimler unterstützt das diesjährige E-MOTIVE-Expertenforum für elektrische Fahrzeugantriebe, das auch electrive.net seit Jahren begleitet. Wie verändert sich denn im Zuge der Elektrifizierung die Arbeit bei der Antriebsentwicklung konkret?

Elektrische Antriebe sind keine Nische. Sie werden bei Daimler in der zentralen Entwicklungsabteilung konzipiert und entwickelt. Wir verfolgen hier im Sinne maximaler Flexibilität und Effizienz eine Modulstrategie, die alle Antriebsformen einschließt. Natürlich verändert der Wandel zur Elektromobilität auch die Aufgaben und Beschäftigungsprofile in der Entwicklung. Interdisziplinäres Denken ist zum Beispiel heute mehr denn je eine unverzichtbare Fähigkeit.

Die E-Maschine ist kein Hexenwerk, technisch weit weniger komplex als ein Verbrennungsmotor. Gibt es dennoch Themen, welche Mercedes-Benz beim elektrischen Antrieb umtreiben?

Wir haben in den letzten Jahren mit den unterschiedlichsten Elektrofahrzeugkonzepten – vom Smart electric drive seit der ersten Generation, über die elektrische B-Klasse oder den elektrischen Supersportler SLS AMG Coupé Electric Drive und sogar Nutzfahrzeugen – enorm viel Erfahrung gesammelt – nicht zuletzt in Bezug auf deren Alltagstauglichkeit. Insbesondere auch bei der Fertigung des Antriebs, der Batterien und natürlich auch des Gesamtfahrzeugs haben wir unser Know-how stetig verbessert. Ich kann also sagen: Wir wissen was wir tun! Aber das heißt natürlich nicht, dass wir das nicht noch perfektionieren können. Themen wie das Geräuschniveau, die maximale Energieeffizienz und natürlich auch der Komfort stehen bei der Entwicklung unserer EQ-Modelle ganz oben.

Was muss im Hinblick auf die Elektromobilität im Rahmen der in Deutschland einzigartigen vorwettbewerblichen Gemeinschaftsforschung, die in der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) betrieben wird, geleistet werden?

Neue Technologien bieten immer neue Chancen – auf neue Jobs, in zusätzlichen Geschäftsfeldern oder mit innovativen Geschäftsmodellen. Innovationen sind heute mehr denn je der Schlüssel zum Erfolg. Wir investieren damit in unsere Zukunft. Unser Ziel ist es, dass das Auto der Zukunft zum intelligenten Begleiter wird, der die Wünsche und Vorlieben seiner Insassen erkennt und entsprechende Vorschläge unterbreitet. Die immer intelligentere Vernetzung des Fahrzeugs revolutioniert unser heutiges Verständnis von Komfort, Sicherheit und Infotainment. Dass Autos mehr und mehr Aufgaben eigenständig übernehmen können und somit Schritt für Schritt zum fahrenden Roboter werden, ist mittlerweile unumstritten. Dadurch wird sich aber nicht nur das Autofahren selbst verändern, sondern das gesamte Verkehrsgeschehen. Diesen Wandel schaffen wir nicht alleine, sondern nur in einem starken, branchenübergreifenden Team.

Welcher Werkzeuge bedienen Sie sich noch, um sich auf das Elektro-Zeitalter vorzubereiten?

Connectivity und Digitalisierung spielen eine wichtige Rolle. Elektromobilität soll einfach werden. Laden, Bezahlen, Routenplanung und Bedienung soll unseren EQ-Kunden im Alltag intuitiv zur Verfügung stehen. Daher werden für EQ-Produkte weitere EV-spezifische Services über Mercedes me entwickelt. Deren intelligente Integration ins Fahrzeug unser Anspruch ist.

Heute definieren Performance und Komfort die Werbung für Automobile. Es scheint jedoch, dass die klassischen Auto-Parameter wie etwa die Leistung im Elektro-Zeitalter unwichtiger werden. Worin werden sich Elektroautos verschiedener Marken dann im Wettbewerb unterscheiden?

Das Automobil ist ein hoch emotionales Produkt. Attraktive Services rund um die Elektromobilität und ein einzigartiger Fahrkomfort werden die Kunden begeistern. Mercedes-Benz wird mit EQ gerade die intelligente Verringerung der zunehmenden Komplexität, das Vertrauen in die Technologie und Sicherheit sowie den elektrotypischen Fahrspaß bestätigen. Zudem werden gerade Elektrofahrzeuge durch progressives Design kommuniziert werden.

Der Mercedes-Benz EQC durchläuft gerade die Sommer-Erprobung. Zuletzt gab es Berichte, wonach die Elektro-Submarke EQ mit Verspätung startet. Sind Sie im Zeitplan oder nicht?

Wir liegen mit dem EQC voll im Plan. Nach der Sommererprobung, die neben Spanien auch in den USA und anderen Teilen der Welt stattfindet, starten wir schon unseren Produktionsanlauf. In 2019 werden sich schon die ersten Kunden über ihren neuen EQC freuen können.

Einige Städte und Länder in Europa streben die Komplett-Elektrifizierung des Pkw-Verkehrs an. Würde Ihnen bei der strategischen Planung ein klares Ausstiegsszenario für den Verbrennungsmotor helfen?

Elektromobilität wird nicht in allen Städten und Märkten zeitgleich zum Durchbruch gelangen. Daher werden wir noch über mindestens eine Dekade hinaus auch Bedarf an hocheffizienten Verbrennern haben. Wir werden unseren Kunden daher eine noch attraktivere Auswahl der unterschiedlichen Antriebsvarianten bieten. Wir gehen heute für 2025 von einem Anteil an rein elektrischen Fahrzeugen am Gesamtabsatz von Mercedes-Benz zwischen 15 und 25 Prozent aus. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass zu diesem Zeitpunkt noch mindestens 75 Prozent aller Neuwagen zumindest als eine Antriebssäule neben einem elektrifizierten Element einen Otto- oder Dieselmotor an Bord haben werden.

Manche Hersteller nennen ein Datum, ab dem sie keine reinen Verbrenner mehr verkaufen, sondern immer eine E-Maschine mit an Bord haben werden, mindestens als Hybrid-Konfiguration. Gibt es für Mercedes-Benz auch so ein Datum?

Bei uns wird es wie schon gesagt in 2022 soweit sein: Bis dahin wollen wir unser gesamtes Mercedes-Portfolio elektrifizieren. Wir planen hier mit deutlich mehr als 130 elektrifizierte Fahrzeugvarianten im Markt. Angefangen mit Fahrzeugen mit 48-Volt-Technologie, Plug-in Hybriden bis hin zu reinen Elektrofahrzeugen mit Batterie oder Brennstoffzelle.

Herr Stark, ich bedanke mich für das Gespräch!

Das Interview fand im Vorfeld des E-MOTIVE-Expertenforums für elektrische Fahrzeugantriebe (vom 12. – 13. September 2018 in Stuttgart) statt, welches Daimler als Sponsor und der Branchendienst electrive.net als Medienpartner begleitet.

2 Kommentare

zu „Wilko A. Stark: „Bis 2022 werden wir das gesamte Mercedes-Portfolio elektrifizieren.““
ezo
16.08.2018 um 09:40
Wer's glaubt, wird seelig!Wollte einen e-smart (159,-€ Lock-Angebot) leasen (1 Jahr Lieferzeit) mit 22kw-Lader (Aufpreis 840€),22-kw-Lader nur mit DAB-Radio Extrakosten 180€, Ladekabel für Schuko 360€ , jedoch nicht lieferbar, keine Zertifizierung, Grundausstattung keine Höhenverstellung der Sitze. Schaut doch bitte bei den Asiaten, wie's geht.Wir können alles, außer E-Auto. Schade, das Auto wäre gut!
Uwe
17.08.2018 um 08:43
Die E-Modelle sollen nur ins Angebot - nicht gekauft werden!Das sind zu 80 % umgemodelte Hybrid, die nur die Aufgabe haben den Flottenausstoß an CO2 den Klimazielen anzupassen.Aber damit ist auch bald Schluss:Das soll nämlich von der EU auch auf tatsächlichen Flottenausstoß umgestellt werden - also verkaufte Fahrzeuge. (ab 2025)Hahaha, dann gehts erst los mit Investitionen in E-Antriebe und Basis-Fahrzeuge dafür.

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