has·to·be-CEO Klässner kündigt neues Preismodell an

Der Ladeinfrastruktur-Experte has·to·be stellt sein Preismodell um. Statt einer pauschalen Monatsflatrate sollen die Leistungen rund um den Betrieb von Ladestationen nun spezifischer abgerechnet werden. Auf der E-world erklärte CEO Martin Klässner gegenüber electrive.net die neue Preisstruktur und die Hintergründe der Entscheidung.

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Herr Klässner, Sie sind vor einigen Jahren mit einer Backend-Lösung gestartet, die Sie zu relativ niedrigen monatlichen Flatrates vertrieben haben. Warum wollen Sie daran nun etwas ändern?

Das stimmt, das Flatrate-Modell hat sehr gut funktioniert. Wir konnten Kunden gewinnen und uns gut im Markt positionieren. Im Laufe der vergangenen Jahre haben wir zunehmend Aufträge für Großprojekte erhalten – darauf haben wir auch unsere Struktur und unser Unternehmen ausgerichtet.

Das heißt?

Wir merken, dass wir uns mit Kleinkunden zunehmend schwer tun. Dort herrscht aktuell ein extremer Preiskampf und Konkurrenzdruck. Andere Anbieter können kleine Unternehmen und Stadtwerke mit einigen Ladepunkten viel effizienter bedienen als wir. Deshalb wollen wir uns sukzessive aus diesem Markt zurückziehen.

Welche Großkunden peilen Sie stattdessen an?

Wir orientieren uns auf Projekte mit internationalem Fokus, denn hier können wir unsere Stärken ausspielen. Hier differenzieren wir uns vom Wettbewerb.

Inwiefern?

Ein Feedback unserer Kunden ist, dass wir quasi der einzige Anbieter sind, der die Umsatzsteuer europaweit nahtlos abbilden kann. Wir sind heute imstande, für ein Projekt wie Ionity mit Sitz in Deutschland einen Ladevorgang in der Schweiz mit einem norwegischen Mobility Service Provider abzurechnen. Wir haben hierfür eine Instanz aufgesetzt, dass die ganzen Umsatzsteuerprozesse korrekt abwickeln und automatisiert verarbeiten kann. Das ist eines der Themen, bei dem wir eine Vorreiterrolle haben.

Und diesen Vorteil wollen sie jetzt zu Geld machen…

Wir positionieren uns als Plattformanbieter und ermöglichen es auf diese Weise großen Unternehmen, für ihre Projekte sinnvolle Use Cases abzubilden. Vor diesem Hintergrund haben wir nach sieben Jahren am Markt unser Preismodell umgestellt.

Wie sieht das Modell künftig aus?

Wir fahren zweigleisig: Für kleinere Umfänge gibt es ein Pay-as-you-go-Modell. Hiermit wollen wir nach wie vor kleinere Unternehmen ansprechen und ihnen den Einstieg mit einer soliden Plattfrom ermöglichen, auf deren Basis sie wachsen können. Mit einem Preis von 15 Euro pro Ladepunkt im Monat sind wir bei Weitem nicht der billigste Anbieter. Wir wollen hier kein Preisführer sein, sondern die Technologieführerschaft. Deshalb haben wir uns bewusst dafür entschieden, in der Pay-as-you-go-Variante nicht in einen Preiskampf einzusteigen. Wir liegen jetzt sicher am oberen Segment des Marktumfelds, bieten den Kunden dafür aber auch eine Plattform, die nach oben hin frei skaliert.

Und die zweite Schiene?

Davor kommt noch ein Zwischenschritt: Mit „be.ENERGISED Essentials“ bieten wir eine Marktplattform, mit der ein Kunde einen Use Case vollumfänglich bedienen kann. Eigene Rechnungslegung, eigenes Tarifmanagement, eigene Kundenbasis. Damit sprechen wir mittelgroße Stadtwerke an, die eine eigene Kundenbasis und eine gewisse Anzahl an Ladepunkten haben, aber noch nicht im „Large Corporate“-Umfeld sind. Das kostet künftig 2.500 Euro pro Monat plus fünf Euro je Ladepunkt.

Dann jetzt: Die zweite Schiene?

Dieses Modell erweitern wir um zwei Business-Lösungen: „be.ENERGISED Business“ und „be.ENERGISED Business Premium“. Hier rufen wir ein Pricing von 19.500 Euro bzw. 45.000 Euro für das Premium-Angebot auf. Das sind Fixpreise ohne skalierbare Komponenten, was den Unternehmen auf Jahre Planungssicherheit gibt – ein sehr wichtiger Faktor für unsere Kunden.

Wie unterscheiden sich die beiden Business-Pakete?

„be.ENERGISED Business“ eignet sich für die Wachstumsphase. Im Premium-Angebot ist unser umfangreiches Dienstleistungs-Portfolio enthalten, zum Beispiel die 24/7-Betriebsführung vor Ort. Das kann man in den kleinen Paketen dazu buchen, in der großen Lösung ist es pauschal enthalten. Dieses Paket zielt speziell auf die großen Betreiber wie etwa Ionity, aber auch Mineralölkonzerne, die zunehmend in Schnellladepunkte an ihren Tankstellen investieren.

45.000 Euro pro Monat sind viel Geld für ein Zuschussgeschäft wie Ladeinfrastruktur.

Der Preis für das Flat-Angebot ist ganz bewusst hoch angesetzt, weil wir damit unseren Kunden nicht nur eine hohe Betriebszuverlässigkeit, sondern auch zu 100 Prozent Budgetsicherheit garantieren. So geben wir ihnen auf den Cent genau den Betrag, den sie in den kommenden Jahren zahlen müssen. Es gibt dann keine versteckten Kosten mehr! Abrechnung, zahlreiche Dienstleistungen, alle Komponenten sind enthalten. Wir werden die Kosten für alle Tarife bald auch transparent auf unserer Website kommunizieren.

Gelten die neuen Tarife nur für Neu- oder auch für Bestandskunden?

Sie gelten für alle. Wir haben bereits angefangen, die ersten Bestandskunden umzustellen. Da haben einige natürlich tief Luft geholt. Wir müssen für eine Vielzahl an Ladepunkten eine Betriebssicherheit gewährleisten – und das können wir auf Dauer nur, wenn wir auch Geld verdienen.

Soll heißen: Bisher haben sie kein Geld verdient?

Wir haben den Vorteil, dass wir schon immer große Kunden hatten. Mit diesen Aufträgen konnten wir ein wirtschaftliches Tätigkeitsfeld erreichen. Es sind aber inzwischen so viele Anbieter im Markt, die pro Ladepunkt weniger als fünf Euro verlangen. Da kann ich niemals einen Business Case erreichen, selbst bei einem optimistisch kalkulierten Markt komme ich da nicht auf eine Kostendeckung. Deshalb wollen wir uns aus diesem Preiskampf heraushalten. Wir wollen wirtschaftlich arbeiten, müssen dafür aber auch mehr Leistung erbringen.

Haben die Kunden bei der Umstellung auf das neue Preismodell nur tief Luft geholt oder auch Konsequenzen angekündigt?

Viele unserer Kunden haben gesagt, dass sie ohnehin auf diesen Schritt bei uns gewartet haben. Einige haben aber angekündigt, dass sie es prüfen wollen und müssen. Natürlich kann es sein, dass es sich für einige Kunden nicht mehr rechnet und ein anderer Anbieter ihre Anforderungen deutlich günstiger bedienen kann. Bei kleineren Kunden kann das neue Modell aber auch dazu führen, dass bei ihm die Umsätze steigen.

Wie meinen Sie das?

Wir waren mehr als einmal in einer Zwickmühle: Aus einer Region, in der wir einen Vertriebspartner, etwa ein Stadtwerk haben, fragt ein Mittelständler bei uns an, ob wir fünf Ladepunkte auf seinem Betriebsgelände übernehmen können. Das ist so klein, den will ich als has·to·be gar nicht bedienen – da stimmen Aufwand und Kosten nicht. Wenn ich ihn aber an meinen lokalen Partner vermittle, hätte dieser die Ladepunkte aufgenommen und sie in unser Netz eingebunden. Da der Partner aber die Flatrate gezahlt hat, habe ich keinen Euro mehr bekommen, dennoch landete der Aufwand am Ende bei uns. Natürlich ergibt es Sinn, dass unser Partner den Mittelständler beliefert. Über die Pay-as-you-go-Abrechnung profitieren wir aber beide davon, nicht nur der Partner. Das haben wir auch im Marketing aufgesetzt: Wir haben ein System aufgebaut, über das wir Anfragen solcher Kunden, die wir selbst nicht bedienen können, gezielt weiterleiten. So steigen auch bei unseren Partnern die Umsätze.

Haben das alle Kunden verstanden?

Sagen wir zu 99 Prozent.

Da Sie bereits jetzt viele große Kunden haben: Erwarten Sie von dem neuen Preismodell eine Signalwirkung auf den Markt?

Wir hoffen – ganz ehrlich gemeint –, dass wir mit dem neuen Pricing und der offenen Kommunikation dazu beitragen können, dass der Preiskampf nicht den Markt kaputt macht. Jeder Anbieter hat den anderen unterboten. Ich möchte, dass unsere Wettbewerber überleben, denn nur Wettbewerb hält den Markt am Laufen und schafft auch bei uns Innovationen. Das geht nur über Preise, die ein tragfähiges Geschäftsmodell ermöglichen.

Trotz Ihrer Bedeutung für den Markt ist has·to·be immernoch ein relativ kleines Unternehmen. Mit nunmehr 100 Mitarbeitern ist ein so radikaler Wandel des Geschäftsmodells ein gewagter Schritt.

Das sehe ich auch so. Wir haben uns das mehr als ein halbes Jahr lang überlegt und immer wieder daran gearbeitet. Für uns ist es im Wachstumsprozess aber sehr wichtig, dass wir diesen Schritt gemacht haben. Und wenn ich auf die Entwicklung des eMobility-Markts an sich schaue, denke ich, dass wir den richtigen Zeitpunkt erwischt haben. Wir können jetzt in den kommenden Jahren mit der gefragten Professionalität die großen Projekte angehen. Da sind wir auch in Vorleistung gegangen und haben viel investiert.

Können Sie Beispiele nennen?

Wir haben im vergangenen Jahr sehr stark in unsere Plattform investiert und machen das auch weiter. Also etwa Themen wie „Single Sign On“, damit sich Kunden mit ihrem Salesforce- oder Office365-Account direkt in unserem be.ENERGISED-Backend anmelden können. Zudem haben wir wie erwähnt viel in das Thema Umsatzsteuer und Tax investiert und die Zahl der Mitarbeiter ausgebaut – in dieser Woche ist der 100. Mitarbeiter in unsere Firma gekommen. Ende des Jahres wollen wir bei 150 sein. Im Vertrieb sind wir gut aufgestellt, wir wollen vor allem den 24/7-Betrieb und die Software-Entwicklung stärken. Wir wollen unsere Erstreaktionszeit auf eine Störung weiter bei fünf Minuten halten, auch bei steigender Anzahl an Ladepunkten. Deshalb müssen wir jetzt investieren.

Herr Klässner, vielen Dank für das Gespräch!

4 Kommentare

zu „has·to·be-CEO Klässner kündigt neues Preismodell an“
Dieter Traenkner
16.02.2020 um 08:33
Nichts gegen die Ausführungen zum Thema an sich. Aber wäre es nicht möglich, diese in deutscher Sprache zu verfassen ? Außerdem: Elektromobilität wird für die breite Masse erst dann Normalität, wenn es europaweit möglich ist überall und an jeder Ladesäule die bezogene Energiemenge mit einer normalen Kreditkarte zu bezahlen,
Thomas Müller
16.02.2020 um 14:10
Ist mit Auswirkungen auf Endkunden zu rechnen, wenn die örtlichen Stadtwerke ihre Ladesäulen über Has to be betreiben? Sprich: Müssen wir signifikante Preiserhöhungen fürchten?
Otto Schweitzer
17.02.2020 um 11:55
Erinnert etwas an die Geschichte der Service Provider fuer die D-Mobilfunknetze 1991-1993.
Georg Brandstetter
30.08.2020 um 22:15
Geht's noch?! So kann man die Elektromobolität auch abwürgen! Mit komplizierten Abrechnungsverfahren und unverschämten Preisforderungen. Tesla hat ein erstklassiges Netz von Ladenstationen in ganz Europa. Under Preis von 0,28 EUR/kWh ist fair. Wenn die deutschen Autobauer (und die Politiker) wirklich wollen, dass es in Deutschland vorgeht mit der Elektromobilität sollten sie sich ein Beispiel an Tesla nehmen!

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