Der kleine E-Autoboom in der Ukraine

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Die Elektromobilität erlebt auch in der Ukraine einen kleinen Boom. Mit einem Zuwachs an Elektroautos von über 37 Prozent innerhalb von sieben Monaten gehörte das östliche Nachbarland der Europäischen Union 2019 sogar zu den fünf wachstumsstärksten Märkten für E-Autos in Europa. Ein Überblick.

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Zunächst zur Ausgangslage: Nach den Angaben der Ukrainian Motor Vehicle Manufacturers Association (UkrAutoprom) wurden in der Ukraine im Jahr 2019 genau 7.542 elektrische Fahrzeuge verkauft. Im Jahr 2018 lag die Zahl noch bei 5.300. Wie hoch dieser Wert im Vergleich zu anderen Ländern der Region ist, zeigt die Gegenüberstellung mit der Anzahl an E-Autos im Nachbarland Polen, wo Ende des Jahres der Gesamtbestand aller Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben nur 8.637 betrug. Im Herbst des vergangenen Jahres waren in der Ukraine dagegen schon 15.500 Elektroautos auf den Straßen, was fast der doppelten Menge der polnischen Stromer entspricht.

Im Gegensatz zu Polen hat die Ukraine seit Jahren eine klare Strategie verfolgt, um die E-Mobilität zu fördern. Der damalige Minister für Infrastruktur Wołodymir Omelian stellte dazu einen konkreten Plan vor, der auf 15 Jahre ausgelegt war. Die zentralen – und zugleich die ersten umgesetzten – Maßnahmen bestanden aus der Aufhebung der Besteuerung auf importierte E-Autos und der Streichung der Umsatzsteuer auf diese Fahrzeuge. Letztere beträgt in der Ukraine immerhin 20 Prozent.

Bereits am 1. Januar 2018 traten die Maßnahmen in Kraft und zeigten binnen kurzer Zeit auch Wirkung. Allein im Januar 2018 hat sich der Import von E-Autos im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres versechsfacht. Weitere Förder-Maßnahmen folgten bald: Wenig später wurden ein um 10 Prozent ermäßigter Versicherungstarif, spezielle Fahrspuren und ausgewiesene Parkplätze für E-Autos beschlossen.

Alles gut also in der Ukraine? Noch ein paar weitere Jahre der Förderpolitik und die Antriebswende ist geschafft?

So einfach wird es laut Igor Kossov nicht. Der Journalist von der Kyiv Post macht auf die Schwachstellen dieser Strategie aufmerksam, die dazu geführt hat, dass die Anzahl der E-Autos rasant wächst, ohne dass die Ladeinfrastruktur Schritt halten kann: „In der Ukraine fehlt es an neuen, leistungsstarken und schnellen Lademöglichkeiten, weshalb die überwiegende Mehrheit der E-Autos günstige, gebrauchte und kleine Fahrzeuge sind“, schreibt Kossov mit Verweis auf ukrainische Experten. Dabei ist nicht unbedingt die gesamte Menge der Ladesäulen das Problem, sondern die arg begrenzte Anzahl von Standorten mit zuverlässigem Zugang zu schnellen Lademöglichkeiten.

Premium-Kunden haben andere Anforderungen

Kommen wir zu den Fahrzeugen an sich: Größter Beliebtheit in der Ukraine erfreut sich der Nissan Leaf. Der Elektro-Pionier macht rund die Hälfte aller in der Ukraine fahrenden Stromer aus. Laut den Angaben von UkrAutoprom wurden 3.217 Nissan Leaf allein im Jahr 2019 gekauft. Dabei sind die Leafs nicht auf direktem Weg oder über Europa in die Ukraine gelangt: Viele der E-Autos werden überwiegend aus den USA importiert und sind häufig älter als vier Jahre.

Elektrische Pkw, die nicht älter als ein Jahr sind, stellen lediglich sechs bis sieben Prozent des Gesamtvolumens dar. Bezogen auf das vergangene Jahr war das Tesla Model S mit 623 Exemplaren das zweitbeliebteste Elektroauto der Ukrainer. Auf dem dritten Platz mit 360 Exemplaren landere der Volkswagen e-Golf – auch in dem Fall vor allem als Gebrauchtwagen. Betrachtet man dagegen ausschließlich Neuwagen-Registrierungen, so lag der Jaguar I-Pace 2019 mit 145 Stück an der Spitze.

Bei den gewerblich genutzten Elektroautos lag 2019 der Renault Kangoo Z.E. mit knapp über 480 verkauften Exemplaren auf dem ersten Platz . Weit abgeschlagen folgte mit lediglich 29 Fahrzeugen der Nissan e-NV200.

„Das Premiumsegment steht erst am Anfang“, schreibt Kossov. Diese Modelle kommen oft auf hohe Ladeleistungen, die der Premium-Kunde auch nutzen will, wenn er längere Strecken zurücklegt. Diese sind in der Ukraine allerdings Mangelware. Sprich: Eine weitere Entwicklung dieses Segments braucht mehr Schnellladestationen. Gleichzeitig ist mit den guten Verkäufen des Jaguar I-Pace im Jahr 2019 ein erstes Zeichen gesetzt worden. Es gibt also durch einen Markt für elektrische Premiumfahrzeuge, die wie im Falle des Jaguars über 80.000 Euro kosten. Im laufenden Jahr soll auch der Porsche Taycan in der Ukraine erhältlich sein.

Gleichzeitig will die Ukraine nicht ausschließlich von Fahrzeugimporten abhängig bleiben und verfolgt eigene Vorhaben. Der Strategieplan Wołodymir Omelians sieht in seinen weiteren Schritten eine aktive Unterstützung für die Entwicklung und Aktivität von Start-ups vor, die im Bereich der E-Mobilität tätig sind. Angestrebt wird auch die eigene Produktion von E-Autos. Kommentatoren gehen davon aus, dass eine derartige Produktion auf der Grundlage des frei zugänglichen Tabby Evo möglich wäre. Stand heute ist das aber noch elektrische Zukunftsmusik.

Über die Autorin

Aleksandra Fedorska ist polnisch-deutsche Politologin und Publizistin. Sie arbeitet als Korrespondentin für polnische und deutsche Medien in den Fachbereichen Energiepolitik und E-Mobilität. Fedorska lebt und arbeitet im schleswig-holsteinischen Jagel und in der polnischen Stadt Poznań. Zuletzt berichtete sie hier auf electrive.net über den Elektrobus-Boom in Polen, über das polnische Förderprogramm für E-Fahrzeuge, Rafako, eigentlich ein Spezialist für Kraftwerksanlagen, der einen Elektrobus entwickelt hat und über ukrainische Hersteller, die ihre Chance auf dem Markt für Elektrobusse suchen.

1 Kommentar

zu „Der kleine E-Autoboom in der Ukraine“
Bartholomäus Steiner
11.03.2020 um 20:46
Interessanter Artikel, danke

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