Jesteburg: Ambulantes Pflegepersonal fährt im Tesla vor

Der AHD-Pflegedienst Ole Bernatzki hat vor wenigen Wochen sieben Tesla Model 3 und zwei Volkswagen ID.3 eingeflottet. Die neuen Stromer gesellen sich zum 120 Fahrzeuge umfassenden Fuhrpark des norddeutschen Pflegediensts, in den die Firma bereits vor sieben Jahren erste E-Autos integriert hat.

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Ole Bernatzki ist Chef der Ambulanten Hauspflege Dienst GmbH in Jesteburg im nördlichen Niedersachsen – und Autoenthusiast. Er selbst fährt seit diesem Jahr ein Tesla Model S als Dienstwagen. Ein erstes Tesla Model 3 schaffte das Unternehmen ebenfalls schon vor mehreren Monaten an, dazu haben sich jetzt sieben weitere Exemplare gesellt. Außerdem sind zwei Tesla Model Y bestellt. „Die werden nächstes Jahr ausgeliefert“, erzählt der Unternehmensleiter. Er macht keinen Hehl daraus, dass er viel von dem kalifornischen Elektroautobauer hält.

Pflegepersonal in der Elektro-Limousine? Für Ole Bernatzki ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: Ihm liegt daran, das Berufsbild von ambulanten Pflegekräften auf diese Weise aufzuwerten. Außerdem sei das Tesla Model 3 nicht viel teurer als beispielsweise der VW ID.3, von dem der AHD ebenfalls zwei beschafft hat. „Und Elektro-Kleinwagen gibt es ja kaum“, merkt Bernatzki an und verweist auf den VW e-Up. Zehn Exemplare hat sein Unternehmen ebenfalls bestellt. Die Auslieferung verzögert sich zusehends, „ob sie überhaupt noch kommen?“, fragt er sich. Die Lieferschwierigkeiten beim e-Up sind weithin bekannt.

Angefangen hat in Jesteburg alles vor sieben Jahren mit zwei e-Golf. Mit dem Duo haben Bernatzki und ein Kollege erst einmal Erfahrung gesammelt. Beide Pionier-Stromer sind inzwischen zu Poolfahrzeugen geworden. So verfährt der AHD stets: Neuwagen werden als Dienstfahrzeug beschafft und Mitarbeitern fest zugeordnet. Mit einem Tachostand von über 100.000 Kilometer wandern diese Fahrzeuge dann in der Regel nach drei bis fünf Jahren in den Pool für die täglichen Pflegerouten. Eine Ausnahme sollten die zehn VW e-Up sein. Die sollten eigentlich direkt zu Poolfahrzeugen werden.

Lieber kaufen als leasen

Zusammengefasst kommt der AHD aktuell auf vier VW e-Golf, neun Tesla-Fahrzeuge und zwei VW ID.3, dazu kommen einige Hybride, die Bernatzki aber nicht der Rede Wert sind. Er will künftig nur noch rein elektrische Nutzfahrzeuge anschaffen. „Und zwar kaufen, nicht leasen“, betont er. Denn bei den viel genutzten Autos falle immer irgendetwas an. Da sei kaufen besser.

Bei 200 Mitarbeitern kommt sein Pflegedienst auf insgesamt 120 Poolfahrzeuge und Dienstwagen aller Klassen, darunter auch etliche Wagen, die mit Erdgas fahren. Um die Instandhaltung kümmert sich eine eigene kleine Werkstatt mit einem Kfz-Meister und zwei Hilfskräften. Sehr ungewöhnlich für einen Pflegedienst. „Das ging vor einigen Jahren mit Vor-Ort-Aktionen zum Reifenwechsel los, dann gab es irgendwann eine Hebebühne auf Ebay…“, erzählt Bernatzki. Heute verfügt die Werkstatt über zwei Hebebühnen und der Kfz-Meister erhält demnächst Schulungen für die Arbeit mit Elektroautos.

Auch die Ladeinfrastruktur wird natürlich zunehmend zum Thema. Am Standort des Pflegediensts gibt es mehrere CEE-Steckdosen (Industrie-Steckdosen) in roter Ausführung mit 32 Ampere, was 22 kW Ladeleistung ergibt. Außerdem hat der AHD mehrere mobile Ladegeräte des Typs Juice Booster 2 vom Schweizer Hersteller Juice angeschafft. All das sei aber provisorisch, so Bernatzki. Er würde lieber heute als morgen den Netzanschluss vergrößern, eine Photovoltaikanlage installieren und so lokalen Strom für neue Ladegeräte erzeugen. Aber die Genehmigung dafür sei ein langwieriger Prozess. Für das Laden bei den Mitarbeitern zu Hause schwebt dem AHD künftig bei Heim-Ladegeräten die Nutzung von Zählern vor, sodass sich die Ladevorgänge sauber abrechnen lassen.

Tagespensum ist mehr als machbar

Bei seiner Belegschaft musste Bernatzki mit Blick auf die (bisher wenigen) Elektroautos im Fahrzeugpool anfangs viel Überzeugungsarbeit leisten – vor allem was die Reichweite angeht. Dabei sind die Tagestouren im Schnitt 100 Kilometer lang, was also für die Stromer kein Problem darstellt. Anders ist das beim Nachtdienst. Die AHD-Pflegekräfte arbeiten im Drei-Schichtsystem und neben der Grund- und Behandlungspflege ist die Palliativ-Versorgung ein Schwerpunkt. „Da kann es vorkommen, dass wir nachts schnell mal 50 Kilometer in eine ungeplante Richtung müssen“, schildert Bernatzki. Um keinen Ladestopp zu riskieren, bleiben zumindest die alten e-Golf deshalb nachts außen vor.

Neben der ambulanten Pflege betreibt das Unternehmen auch zwei Tagespflege-Einrichtungen. Dafür werden Senioren mit Kleinbussen abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Auch dafür hätte Bernatzki künftig gerne auf E-Fahrzeuge gesetzt, fühlt sich aber ausgebremst: „Wir hätten gerne Fahrzeuge im Stil wie Moia, aber es gibt sie schlichtweg nicht zu kaufen.“ Wohl oder übel müsse man an dieser Stelle daher erst einmal mit Verbrennern weiterarbeiten.

Die neuen Model 3 bereiten dem Pflegedienst-Chef dagegen große Freude. Für das Septett hat der AHD ebenso wie für die VW ID.3 vom erhöhten Umweltbonus profitiert. Bernatzki schwärmt von der Software und mit Blick auf private (Fern-)Fahrten von der Verlässlichkeit des Supercharger-Netzwerks. Für die Übergabe der sieben Tesla hat der Jesteburger Pflegedienst kurzerhand selbst einen Lkw organisiert, da „eine Abholung mit sieben Mitarbeitern unwirtschaftlich gewesen wäre“. Die weißen E-Limousinen sind seitdem mit dem Logo des Pflegedienstes in und um Jesteburg unterwegs. Zweigstellen hat der ambulante Dienst unter anderem in Seevetal, Tostedt, Rönneburg und Buchholz.

Eine Bemerkung ist Bernatzki zum Schluss noch wichtig. Die herausfordernde Arbeit von Pflegekräften ist im Zuge der Corona-Krise bekanntlich sichtbarer geworden als sonst. „Wir freuen uns, wenn man weiter für die Pflege klatscht, aber eine Bestellung über unseren Referral Code kommt direkt bei einer Pflegekraft in Form von Freikilometern an.“ Immerhin drei Leute hätten schon bei ihrer Tesla-Bestellung den entsprechenden Empfehlungslink genutzt und so für Freikilometer gesorgt, gibt er zufrieden bekannt. Aber der Aufruf gelte natürlich weiter.

5 Kommentare

zu „Jesteburg: Ambulantes Pflegepersonal fährt im Tesla vor“
wowo
15.10.2020 um 15:59
Tolle Geschichte, danke dafür.Ich sollte als ausgebildeter Fahrlehrer und EX BP Beamter auf Pfleger umsatteln ? ZwinkerOder, wie wärs mit mehreren TESLA/ZOE PFLEGE Zweigstellen in der Corona Republik, was uns sicher noch sehr lange (wie der Akku hält) beeinträchtigen wird !Schöne Grüße von der Lahn Limburg a.d.ElbeBotschafter
Radebust
15.10.2020 um 18:05
Toll! Während die anderen nur Fachkräftemangel rufen, tut Herr Bernatzki etwas für Mitarbeiter und Umwelt.
Andreas-Michael Reinhardt
16.10.2020 um 19:32
Hut ab! Was für eine Klasse Story: "AHD-Pflegedienst Ole #Bernatzki sieben Model 3 als Dienstwagen beschafft. Warum? Der Unternehmenschef fragt eher: „Warum nicht?" - es gilt die alte Erkenntnis: Es kommt immer auch auf Chefin oder Chef an Deren unternehmerische Motivation.
Michael Hoppe
19.10.2020 um 17:43
In meinem Pflegedienst KommMit in Bensheim, teile ich die guten Erfahrungen meines Kollegen. Allerdings habe ich kleiner angefangen, Ein Twizy, 2 Smart ED, mein Lieblingsfahrzeug ein Twike3, Ende des Jahres 2020 folgt ein eMii und im Februar 2021 kommt ein Ionic dazu.Alle Fahrzeuge sehen die Werkstatt nur zum Wechsel von Sommer auf Winter und zur notwendigen Inspektion, die immer sehr günstig ausfällt.Die Fahrzeuge werden den Verbrennern vorgezogen, da sie sich so simpel fahren und manövrieren lassen.im Umkreis von sicher 50km, bin ich der einzige Pflegedienst der emobil unterwegs ist.
Franz-J. Rüther
06.01.2022 um 09:39
Guten Morgen, können Sie bitte ein Update bereit stellen, damit nach jetzt 15 Monaten über Kosten geredet werden kann. Ich denke, die Kosten für Verbrenner in diesem Fuhrpark werden von den E-Autos locker unterboten. Aber mich interessieren Kosten pro Jahr bzw. pro 100 km. Wie hat sich die Beliebtheit der BEV im Fuhrpark entwickelt?

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