EV100-Mitglieder verdoppeln E-Anteil in ihren Flotten

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Binnen eines Jahres ist die Zahl der Elektrofahrzeuge, die von den großen multinationalen Unternehmen in der EV100-Initiative der Climate Group betrieben werden, auf 169.000 gestiegen. Das sind mehr als doppelt so viele wie 2019. Bis 2030 wollen die EV100-Konzerne mehr als 4,8 Millionen Elektrofahrzeuge einsetzen.

Die in der Initiative engagierten Unternehmen elektrifizieren nicht nur ihre Flotten, sondern bauen auch Ladeinfrastruktur auf. 6.500 Standorte sind inzwischen für die Installation von Ladestationen vorgesehen, eine Steigerung um 103 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die sich vor allem durch den Zuwachs an Mitgliedern erklärt. Die Zahl der bereits installierten Lade-Standorte ist 2020 um 84 Prozent auf fast 2.100 gestiegen. In Ladepunkten ausgedrückt sind dies knapp 16.900 Exemplare, ein Plus von 79 Prozent. Teils sind diese Ladegeräte für die Mitarbeiter reserviert, teils Besuchern vorbehalten und teils existieren Mischformen.

Dies sind die Kernzahlen aus dem jüngsten „EV100 Progress and Insights Report“, den die EV100-Initiative der Climate Group jährlich veröffentlicht. Wir erinnern uns: Die EV100-Initiative wurde 2017 von der Non-Profit-Organisation Climate Group und zehn Gründungsmitgliedern aus der Taufe gehoben, darunter die Deutsche Post DHL, Vattenfall, Baidu, Ikea und Leaseplan. Diese Mitgliedsunternehmen wollten seinerzeit ein starkes Signal an den Markt senden, indem sie sich dazu verpflichteten, ihre Flotten bis 2030 zu dekarbonisieren.

Inzwischen ist die Initiative stark gewachsen. Der aktuelle Report enthält Daten von 101 global agierenden Konzernen, darunter beispielsweise Siemens und Sky oder AstraZeneca und Flipkart. Dass neben der Flotten-Umstellung auch die Ladeinfrastruktur und das Lade-Thema überhaupt an Wichtigkeit gewinnen, spiegelt sich unter anderem in dem 2020 erfolgten Beitritt des spanischen Energiekonzerns Iberdrola zu der EV100-Initiative wider.

In Deutschland sind nach Angaben von EV100 unter anderem die Unternehmen E.ON, Metro Group und DB Schenker engagiert, außerdem Konzerne mit Niederlassungen in Deutschland wie die Ingka Group, Vattenfall und Schneider Electric. „Deutschland ist bei uns das Land mit dem höchsten Anteil an E-Fahrzeugflotten in Unternehmen. Insgesamt haben bei uns engagierte Unternehmen in Deutschland über 30.000 E-Fahrzeuge im Einsatz, wobei die Deutsche Post DHL den höchsten Wert weltweit aufweist“, führt die Initiative in einer begleitenden Pressemitteilung auf. Darin heißt es aber auch weiter: „40 Prozent der deutschen Unternehmen gaben an, dass die betrieblichen Auswirkungen der Nutzung von E-Fahrzeugen, wie z. B. die Ladezeiten, ein wesentliches Hindernis für den Umstieg auf Elektrofahrzeuge darstellen.“

Dennoch konstatieren die Verantwortlichen der Initiative, dass die Elektroauto-Revolution im Gange ist: „Die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in Unternehmen ist auf dem Vormarsch. Trotz der Ungewissheit über das Jahr 2020 haben die Unternehmen bemerkenswerte Fortschritte bei der Umstellung ihrer Flotten gemacht“, wird etwa Sandra Roling, Leiterin des Bereichs Transport bei der Climate Group, in der Mitteilung zitiert. Mit der UN-Klimakonferenz COP26, die Ende des Jahres in Glasgow stattfinden werde, sei 2021 das Jahr der Klimaschutzmaßnahmen.

Inzwischen geben laut EV100 mehr als die Hälfte der Mitglieder an, dass sie entweder ihrer Roadmap bis 2030 bisher treu geblieben sind oder ihre Fortschritte bei der Erfüllung ihrer Selbstverpflichtungen sogar noch beschleunigt haben. Als Motivation geben die Unternehmen überwiegend die Bewältigung der Klimakrise, die Reduzierung der Luftverschmutzung und den Reputationsvorteil an. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass knapp die andere Hälfte der Mitglieder bisher Probleme bei der Realisierung ihrer Dekarbonisierungs-Vorhaben haben. Als größte Hindernisse bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen nennen die Konzerne die herausfordernde Beschaffung von elektrischen Nutz- und Schwerlastfahrzeugen und fehlende regionale und nationale Ladeinfrastruktur-Initiativen.

Aber auch die hohe Anfangsinvestition ist ein Thema. EV100 hat seine Mitglieder hierzu und zu weiteren Aspekten der Flotten-Elektrifizierung befragt und kann so eine interessante Momentaufnahme skizzieren. Insbesondere Unternehmen, die kaum auf öffentlichte Infrastruktur zählen können, rechnen laut der Umfrage mit höheren Investitionskosten. Insgesamt geben 67% der EV100-Mitglieder an, dass die fehlende Ladeinfrastruktur das größte Hindernis für die Elektrifizierung der Flotte darstellt. Sandra Roling bestätigte gegenüber unserem Schwesterportal „electrive.com“, dass das ein größeres Thema sei, bei dem der Bündnisgedanke helfen könne. Oft brauche es „First Mover“, die ihre eigene Infrastruktur aufbauen. Nicht umsonst gehörten zu den Gründungsmitgliedern Unternehmen wie die Deutsche Post DHL oder Ikea mit großen Flotteninfrastrukturen, Budgets und Depotflächen.

Daneben verweist Roling auf neue Mitglieder mit innovativen Strategien wie den Scooter-Sharing-Riesen Bounce aus Indien, der mithilfe von Aggregationsmodellen eine hohe Nutzerdichte für seine Fahrzeuge und beim Thema Laden erreicht. Roling: „Einer der Bereiche, die Bounce im Auge hat, sind Industrieparks, wo man offensichtlich viele Nutzer zusammen hat.“ Bounce sei zudem führend bei der Etablierung von 100 Batterietauschstationen und arbeitet nun mit OEMs zusammen, um ihre Tauschstationen sowohl der Allgemeinheit als auch Liefer- oder Flottenbetreibern zugänglich zu machen.

EV100 bringt in diesem Zusammenhang die Möglichkeit von gemeinsamen Investitionen zur Sprache. Etwa in Lade- und Stromversorgungssysteme in Gewerbegebieten oder bei Nutzfahrzeugen. Apropos: Die geringe Verfügbarkeit von Elektro-Nutzfahrzeugen ist seit längerem ein Hemmschuh. Roling sagt zwar, dass es in diesem Bereich eine rasche Verbesserung gegeben habe, der Mangel an Fahrzeugen und Infrastruktur bleibe aber ein Problem: „Wir brauchen mehr Fahrzeuge mit mehr Optionen – die Nachfrage ist da.“ Der Bericht zeigt, dass die Mehrheit der EV100-Mitglieder die Verfügbarkeit von kommerziellen Transportern (61%) und Schwerlastfahrzeugen (53%) als größte Hürde für die Flotten-Elektrifizierung bezeichnet.

Immerhin: Der Bericht veranschaulicht, dass es im letzten Jahr „signifikante Fortschritte“ bei der Anzahl der elektrischen Nutzfahrzeuge in den Flotten der 101 Konzerne gab. Ihre Anzahl stieg um 23 % im Vergleich zum Vorjahr. Bei den mittelschweren E-Nutzfahrzeugen (3,5 bis 7,5 Tonnen) kletterte die Anzahl sogar um das Dreifache. Gleichzeitig bleiben schwere E-Lkw im Vergleich zu kleineren Nutzfahrzeugsegmenten eine Seltenheit. Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw sind ebenfalls gerade erst im Kommen. Einige Unternehmen ermutigt das zu Eigeninitiative. Die Deutsche Post ist mit ihrem StreetScooter ein Paradebeispiel, aber EV100 verweist auch auf die Strategie von der Ingka Group (Ikea Retail), die bis 2025 weltweit nur noch emissionsfrei ausliefern will. Ikea sei in der Lage gewesen, mit Renault und MAN Kooperationen anzuberaumen und so die passenden Fahrzeuge selbst mitzuentwickeln. Ikea habe nun weitere Kooperationen in der Pipeline, wobei Tests für schwerere E-Lastwagen bereits laufen.

„Die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in Unternehmen nimmt spürbar zu“ sagt Roling. „Mit diesem Anstieg des Interesses liegt der Schlüssel für Unternehmen nun in der Zusammenarbeit, die wiederum eher möglich wird, da nun mehr Akteure an Gesprächen interessiert sind.“ An dieser Front unterstützt EV100 mit gezielter Kommunikation speziell zur Zusammenarbeit im Frachtbereich. Hier hat die Allianz beispielsweise zusammen mit TDA und Calstart die ZEFV ACTion Group (zero-emission freight vehicle action group) initiiert, die „verschiedene Stakeholder zusammenbringen soll“.

Großes Potenzial sieht EV100 unabhängig davon auf dem Leasingmarkt. Leasingunternehmen haben laut Roling viel Einfluss auf die Aufklärung der Kunden und seien in der Lage, Fahrzeuge in großen Mengen zu kaufen. Als Beispiel nennt sie Leaseplan, ein Mitglied der Initiative, das bis 2021 die eigene Mitarbeiterflotte und bis 2030 die gesamte Kundenflotte von 1,8 Millionen Fahrzeugen auf Elektroantrieb umstellen will. Diesem fixierten Ziel vorangegangen sind vielversprechende Tests. Nach dem ersten Erprobungsjahr mit Elektroautos im Angebot stieg die Zahl der Registrierungen für BEVs um 77 %. Rolings betont: „Dies zeigt einen klaren Business Case – Leasingunternehmen wollen jene Autos anbieten, die die Leute fahren wollen, und die Leute wollen E-Fahrzeuge fahren.“ Die Fachfrau räumt aber auch ein, dass es noch große Unterschiede im Angebot von Leasingfirmen gibt.

Der EV100-Bericht verweist schließlich erneut auf die allen voran in Großbritannien erzielten Erfolge, wo „die Regierungspolitik als Reaktion auf konzertierten, gemeinsamen Druck, nicht nur von Bürgergruppen, sondern auch von Unternehmen und der Industrie, geformt wurde“. Sandra Roling resümiert: „Letztlich geht es darum, ein neues Ökosystem aufzubauen. Dabei spielt die gemeinsame Planung und das Nachdenken über Prioritäten eine Rolle, was sich natürlich auch positiv auf die Investitionskosten auswirkt. Man kann sich die Vorteile teilen und man kann auch die Lehren gemeinsam ziehen. Denn in dieser Phase geht es auch noch darum, etwas auszuprobieren und die Erfahrzungen zu teilen.“

Artikel und Interview von Carrie Hampel, Mitarbeit von Nora Manthey und Cora Werwitzke

theclimategroup.org, theclimategroup.org (kompletter Report, PDF)

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