DeepWay Xingtu: Chinas Online-Riese Baidu stößt in Ferntransport-Markt vor

Der chinesische Internet-Gigant Baidu nimmt über seine Tochter DeepWay den Markt für Schwertransporter ins Visier. Für 2023 stellt das Unternehmen einen elektrischen „Roboter-Lkw“ in Aussicht, zu dem schon jetzt einige Eckdaten bekannt sind – etwa ein Akkuwechsel-System, das in sechs Minuten für frische Batterien sorgen soll.

Doch der Reihe nach: Baidu arbeitet nach eigenen Angaben bereits seit 2013 an einer Selbstfahrtechnologie namens Apollo, die Fahrzeuge quasi als Rechner auf vier (oder mehr) Rädern versteht. Im Pkw-, Robotaxi- und Kleinbussegment ist Baidu schon länger aktiv. In aller Munde ist etwa ein im März dieses Jahres gegründetes Elektroauto-Joint-Venture mit Geely, an dem Baidu die Mehrheit hält und das bereits im kommenden Frühjahr sein erstes Modell hervorbringen will. Nun sollen die KI-und Konnektivitäts-Stärken des Großkonzerns erstmals auf den Markt für schwere Lkw ausgedehnt werden.

Dazu hat Baidu zusammen mit Lionbridge, ein in China aktiver Fahrzeug- und Logistikfinanzierer, im vergangenen Jahr das Joint Venture DeepWay gegründet. Kerngeschäft des neuen Gemeinschaftsunternehmens ist einer Mitteilung von Baidu zufolge die Entwicklung und Herstellung von intelligenten E-Schwer-Lkw, aber auch die Schaffung von smarten Fahrlösungen für den Lkw-Frachtmarkt. Zum CEO des Gemeinschaftsunternehmens wurde Wan Jun berufen, der Chairman und CEO von Joint-Venture-Partner Lionbridge.

Als erstes Ergebnis der Zusammenarbeit haben die Partner jetzt den Xingtu enthüllt, einen mit Computertechnik vollgepackten Schwer-Lkw mit aerodynamischem Design, der 2023 auf den Markt kommen soll. Zunächst sei die Ausstattung des Fahrzeugs mit Selbstfahrtechnologie des Levels 3 geplant, heißt es. Damit soll der Xingtu auf bestimmten „Hochgeschwindigkeits-Frachtstrecken“ eingesetzt werden. Zwischen 2024 und 2026 will DeepWay die autonomen Fahrfähigkeiten des „Roboter-Lkw“ dann auf Level 4 ausweiten, die Fahrzeuge aber weiterhin auf besagten Hochgeschwindigkeits-Strecken in den Dienst schicken.

Hintergrund ist, dass Lionbridge auf Basis von Baidus Softwareplattform Apollo bereits seit 2018 an Technologien für die Autobahnlogistik und das Transportwesen arbeitet. Schon seinerzeit vereinbarten beide Seiten, in den Bereichen Daten, Technologieverbesserung und gemeinsame Entwicklung von autonomen Lastwagen zu kooperieren. „Ohne Kreuzungen und Fußgänger und mit klarer Beschilderung ist die Autobahn eines der besten Szenarien für die Anwendung des autonomen Fahrens“, äußerte bereits 2018 der General Manager von Baidus Smart Driving Group, Shang Guobin. „Die Lionbridge Group verfügt über viele Daten und Betriebserfahrungen mit Nutzfahrzeugen auf Autobahnen, was für die Kommerzialisierung von autonom fahrenden Lkw unerlässlich ist. Sie ist ein idealer Partner für Baidu.“

Zum technischen Datenblatt des Xingtu macht DeepWay unterdessen noch keine ganz ausführlichen Angaben. Das Joint Venture liefert aber durchaus erste aussagekräftige Eckdaten: So soll der Xingtu ein „eigens entwickeltes 450-kWh-Batteriepaket“ an Bord haben und bei voller Beladung mit einem Gesamtgewicht von 49 Tonnen mit bis zu 300 Kilometer Reichweite aufwarten. Den Windwiderstandskoeffizienten geben die Entwickler mit 0,35 an. Zufall oder nicht: Damit soll der chinesische E-Lkw einen Hauch windschnittiger ausfallen als der Tesla Semi mit seinem Windwiderstandskoeffizienten von 0,36.

Geladen werden soll der Xingtu per Schnellladung „in nur einer Stunde“, teilt DeepWay mit. Alternativ sollen dem Schwergewicht in nur sechs Minuten die Akkus getauscht werden können. Ein Ansatz, der durchaus auch in Deutschland Befürworter hat.

Punkten soll der Schwerlaster aber vor allem mit seinen intelligenten Fähigkeiten. Dazu wird er nach Unternehmensangaben mit einem von DeepWay entwickelten Highway Intelligence System (HIS) und einer Rechenleistung von mehr als 500 TOPS („Tera Operations Per Second“) ausgestattet. Das System soll permanent die Informationen von zehn Onboard-Kameras, fünf Radargeräten und drei Infrarot-Detektoren auswerten. Mithilfe fortschrittlicher Algorithmen könne Xingtu so „innerhalb von 100 Millisekunden ein durchgängig autonomes Fahren – von der Wahrnehmung bis zur Planung – und eine Ultra-Langstreckenerkennung von mehr als einem Kilometer erreichen“, frohlockt DeepWay.

In der Fahrerkabine halten unterdessen Komfort und ebenfalls intelligente Instrumente Einzug. DeepWay nennt als Beispiele unter anderem einen intelligenten Sprachassistenten, ein Touchscreen-Infotainmentsystem sowie bequeme Sitze und Betten. Grundsätzlich verfolge das Ausstattungskonzept eine Trennung von Fahr-, Arbeits- und Wohnbereich, heißt es.

„Diese neue Fahrzeuggeneration ist keineswegs nur ein modifizierter Lkw – es ist ein Roboter-Lkw“, äußert Yunpeng Wang, Vice President und General Manager für autonome Fahrtechnologie bei Baidu. Um kommerziell erfolgreich zu sein, müssten fortschrittliche fahrerlose Technologien neue Produkte schaffen, die ein „ultimative Erlebnis“ bieten.

Baidu wurde im Jahr 2000 gegründet und ist quasi das chinesische Pendant zu Google. Als Internet-Suchmaschine gestartet, stößt Baidu schon seit Jahren in Bereiche wie künstliche Intelligenz und die Chip-Herstellung vor. Auch der Automobilmarkt reizt den Online-Riesen enorm. Unter der Marke Apollo Go hat Baidu beispielsweise erste Taxi-Probebetriebe mit autonomen E-Fahrzeugen in China aufs Gleis gesetzt. Der Großkonzern ist in den USA und Hongkong an der Börse gelistet.
prnewswire.com, pandaily.com

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