Wasserstoff-ÖPNV als Puzzleteil des Lausitzer Strukturwandels

Die Lausitz wird häufig in Verbindung mit dem viel zitierten Strukturwandel gebracht. In Cottbus vollzieht sich ein konkretes Projekt dieses Wandlungsprozesses: die teilweise Umstellung des ÖPNV-Ökosystems auf Wasserstoff. Das Vorhaben soll „deutschlandweit Modellcharakter“ haben.

++ Dieser Beitrag wurde aktualisiert. Sie finden die neuen Infos ganz unten. ++

Haupttreiber des Projekts sind der regionale Energiekonzern Leag und der ÖPNV-Anbieter Cottbusverkehr. Beide Akteure sind zudem Teil eines Netzwerks von Institutionen und Unternehmen, die zusammen daran arbeiten, Wasserstoff als nachhaltigen Energieträger in der Region zu verankern. Unter dem Projektnamen „Nachhaltige Nutzung von Wasserstoff im ÖPNV“ soll Wasserstoff als Energieträger nun allen voran im Stadtbusverkehr sichtbar werden. Laut dem Land Brandenburg handelt es sich um das erste Projekt dieser Art, bei dem ein kommunaler mit einem privatwirtschaftlichen Partner kooperiert.

Ein Teil der Fahrzeugflotte von Cottbusverkehr mit aktuell insgesamt 55 Bussen soll künftig mit „grünem Wasserstoff“ fahren. Noch braucht die Realisierung allerdings Zeit, zunächst muss die Finanzierung stehen. Dazu trägt unter anderem eine Förderung in Höhe von 5,62 Millionen Euro bei. Die entsprechenden Zuwendungsbescheide übergab Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach im Dezember persönlich am Betriebshof von Cottbusverkehr.

Ein Sprecher des ÖPNV-Unternehmens äußert auf Anfrage von electrive.net, dass die genaue Anzahl von Wasserstoffbussen, die angeschafft werden sollen, noch nicht feststehe. Auch Themen wie der Zeitpunkt der Ausschreibung sollen erst später offiziell gemacht werden. Spruchreif ist dagegen, dass Cottbusverkehr mit einem Teil der Fördersumme seine Bus-Werkstatt auf die Wartung und Reparatur von H2-Bussen vorbereiten will. Außerdem hat das Verkehrsunternehmen vor, eine öffentliche Wasserstofftankstelle in der Nähe des Betriebshofes in Cottbus aufzubauen. Von ihr erhoffen sich die Projektpartner eine Impulswirkung für nachhaltige, klimaneutrale Mobilität in der Lausitz und einen Anreiz für weitere lokale Akteure, die eigenen Fuhrparks auf Brennstoffzellenbetrieb umzustellen.

Der benötigte Wasserstoff soll in einer eigens dafür vorgesehenen Elektrolyse-Anlage erzeugt werden, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden soll. „Die mit diesem Projekt verbundene Wertschöpfung soll möglichst in der Region bleiben“, sagte Thomas Hörtinger, Asset Manager für den Bereich Kraftwerke bei der Leag, bereits bei der Bekanntgabe des Projekts im Sommer 2020. „Die lokale Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff und seine Abnahme und Nutzung als Treibstoff hier vor Ort ist kostengünstig und betriebswirtschaftlich sinnvoll, weil keine langen Transportwege nötig sind.“

Für Ralf Thalmann, Geschäftsführer der Cottbusverkehr GmbH, ist es selbstverständlich, dass Verkehrsunternehmen bei der Senkung der Emissionen im Verkehrssektor vorangehen müssen. „Schnell war für uns klar, dass Wasserstoff für unsere betrieblichen Bedürfnisse die sinnvollste zukünftige Antriebsform ist, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Parallel dazu haben wir die Chance gesehen, mit dieser Umstellung unserer Busflotte einen Beitrag zur Strukturentwicklung in der Lausitz zu leisten.“

In der Erarbeitung des Projekts haben nach Angaben von Thalmann alle an einem Strang gezogen: Cottbusverkehr, Leag, die Stadt Cottbus, die Wirtschaftsregion Lausitz sowie das regionale Wasserstoffnetzwerk „durcH2atmen“. Als besonders relevante Projektpartner für die ÖPNV-Umstellung nennt der Geschäftsführer die Leag-Tochter Transport- und Speditionsgesellschaft Schwarze Pumpe (TSS) GmbH und das im sächsischen Schleife ansässige Transport und Logistik-Unternehmen Reinert Logistics.

Die Leag stößt mit der Erzeugung von „grünem Wasserstoff“ eigenen Angaben zufolge in ein neues Geschäftsfeld vor. Man sei stolz darauf, mit der praktischen Umsetzung der Produktion von Wasserstoffkraftstoff an diesem regionalen Projekt beteiligt zu sein, heißt es aus der Cottbuser Unternehmenszentrale. Und: „Wir sind sicher, dass die Initialzündung in Cottbus eine positive Ausstrahlung auf andere Landkreise in der Lausitz haben wird. Unser Ziel muss es sein, ein wirtschaftlich und flexibel funktionierender Verbund von Wasserstoffproduzenten und -nutzern zu werden, der deutschlandweit Modellcharakter hat.“

Unterstützt wird das ÖPNV-Projekt auch vom brandenburgisch-sächsischen Wasserstoffnetzwerk „durcH2atmen“ – einem 2019 gegründeten Bündnis mit inzwischen knapp 100 Partnern und rund 60 Projekt- und Produktideen. Die künftige H2-Busflotte liefere zum einen die ständig benötigte Grundlast für den Aufbau einer Wasserstofferzeugungs- und betankungsinfrastruktur, zum anderen biete sie einen emissionsfreien Nahverkehr für die Bevölkerung an. Jens Krause, Generalmanager Mobilität und Infrastruktur bei der Industrie- und Handelskammer Cottbus und Sprecher des Wasserstoffnetzwerks, bezeichnet das ÖPNV-Projekt grundsätzlich als „einen großen Erfolg für unser gesamtes Netzwerk“.

Die Lausitz im Süden Brandenburgs und Osten Sachsens steht in den kommenden Jahren vor einem umfassenden Strukturwandel. Die Umstellung des Energiesystems und die Etablierung eines emissionsfreien Nahverkehrs sind laut Krause Ziele der Netzwerkakteure. Viele von ihnen beschäftigten sich in der Forschung, Entwicklung, Anwendung oder Erzeugung bereits mit dem Thema Wasserstoff.

Update 31.08.2022: Cottbusverkehr erhält vom Bund eine Fahrzeugförderung, um das Wasserstoffprojekt in der Lausitz umsetzen zu können. Das Projekt „Klimaneutraler ÖPNV“ wird im Rahmen der Förderrichtlinie Bus/Schiene des BMDV mit insgesamt rund 3,1 Millionen Euro gefördert. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt.

In der kommenden Woche wird Cottbusverkehr einen Wasserstoffbus im Linienbetrieb testen. Das Fahrzeug wird vom Hersteller Solaris zur Verfügung gestellt und an einem Tag vorrangig auf der Linie 19 zwischen Schlichow und Neu Schmellwitz im Einsatz sein.

Cottbusverkehr plant, bis 2025 zunächst elf Wasserstoffbusse zu beschaffen.
mwae.brandenburg.de, cottbusverkehr.de, cottbusverkehr.de (Update)

4 Kommentare

zu „Wasserstoff-ÖPNV als Puzzleteil des Lausitzer Strukturwandels“
gerd
18.01.2022 um 14:28
welche Strecken werden denn da gefahren?
Christian Marquordt
18.01.2022 um 18:33
Wuppertals WSW erzeugen den Wasserstoff für ihre Busse gleich auf dem unmittelbaren Nachbargrundstück des Busbetriebshofs Nächstebreck in der zum Konzern gehörenden Müllverbrennungsanlage. Wie sagte der WSW-Chef zu mir: "Einen günstigeren Kraftstoff für unsere Busse könnte es nicht geben."
Nico
19.01.2022 um 09:08
Außer die Busse direkt mit dem Strom aus der Müllverbrennungsanlage zu laden. Dann wäre es nochmal 3 mal günstiger, da der Strom deutlich effizienter zum Antrieb verwendet werden würde, statt den Großteil davon in der Wasserstoffkette wegzuwerfen.
Norbert
06.09.2022 um 14:32
Immer das gleiche Gesülze. Wuppertal liegt in einem Talkessel und da ist die Batteriereichweite viel zu kurz. Im Winter hatten die WSW auch keine Probleme bei den Wasserstoffbussen im Gegensatz zun den Batterieteilen.

Schreiben Sie einen Kommentar zu gerd Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Lesen Sie auch