
Was von der VDV Elektrobuskonferenz zu erwarten ist — Michael Küster und Martin Schmitz im Interview
Der ÖPNV sorgt bereits heute für deutlich geringere Emissionen als der Individualverkehr – vor allem in den Großstädten. Und werden die Busflotten auf elektrische und damit lokal emissionsfreie Antriebe umgestellt, steigt der Umweltvorteil weiter. Mit einer höheren Auslastung – also vor allem Verlagerungseffekte weg vom eigenen Auto hin zu Bus und Bahn – kann die Mobilität noch nachhaltiger werden.
Dennoch ist die Stimmung in der Branche – freundlich ausgedrückt – nicht optimal. Elektrobusse sind zwar nachweislich sauberer, aber auch teurer in der Anschaffung und die Depots müssen umgerüstet werden. Dabei sind die Betreiber auf Fördermittel angewiesen, da die Investitionen kaum aus dem laufenden Betrieb zu stemmen sind. Nach dem plötzlichen Förder-Aus vom Bund stehen viele geplante E-Bus-Bestellungen auf der Kippe.
Im Rahmen der VDV mobility move findet Anfang April die insgesamt 16. Elektrobuskonferenz in Berlin statt. Die Fachmesse von mobility move soll zeigen, wie der bereits effiziente straßengebundene ÖPNV noch effektiver werden kann. Wir haben im Vorfeld der Messe mit Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), und Michael Küster, Vorstandsvorsitzender beim Forum für Verkehr und Logistik, über den Status quo bei Elektrobussen und die Erwartungen an die Fachmesse gesprochen.
Herr Küster, Sie sind seit 2008 Geschäftsführer beim Forum für Verkehr und Logistik. Während es damals quasi nur um den Diesel ging, haben im Bus-Bereich inzwischen auch Elektro-Antriebe eine große Bedeutung. Hätten Sie sich das 2008 so vorgestellt?
Küster: Ehrlich gesagt Nein. Wir sind 2009 mutig mit diesem Thema und der Vorgänger-Veranstaltung der mobility move gestartet. Dabei sind wir seinerzeit in der Branche auch auf Gegenwehr gestoßen. Die erste Konferenz hatte 70 Teilnehmende inklusive den Referierenden. Das Thema bekam aber in den nächsten Jahren deutlich Zulauf. Mittlerweile diskutieren wir nicht mehr darüber, ob elektrische Antriebe im straßengebunden ÖPNV eine Lösung sind, sondern wie die konkrete Umsetzung aussieht. 2015 fand begleitend zur Konferenz die erste Fachmesse statt. Heute sind wir im deutschsprachigen Raum rund um Elektrobusse – egal ob mit Batterie oder Wasserstoff angetrieben – die größte Branchenveranstaltung mit mehr als 1.500 Teilnehmenden und mehr als 90 Ausstellern.
Herr Schmitz, die E-Busse haben sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert – größere Batterien, niedrigere Verbräuche und höhere Reichweiten. Sind die E-Busse technisch inzwischen so weit, dass die den Ansprüchen der ÖPNV-Betreiber genügen?
Schmitz: Vor rund 15 Jahren bestanden noch Zweifel, ob Elektrobusse eine Rundstrecke von neun Kilometern im Fahrgastbetrieb schaffen könnten. Deswegen wurde alle drei Kilometer eine Nachladestation installiert. Heute werden Fahrzeuge mit Fahrleistungen bis 400 Kilometern Reichweite angeboten und alle Fahrzeughersteller bieten auch Busse mit elektrischen Antrieben an. Auf der mobility move werden voraussichtlich 20 in der Fachmesse zu sehen sein. All das zeigt, dass der Wettbewerb und der Markt funktionieren. Über die Jahre hinweg konnten viele Erfahrungen in die Weiterentwicklung der Systeme, der Lade- und Betriebshofsmanagement-Software, der Diagnose-Tools etc. einfließen. Zwar liegt die Verfügbarkeit von Elektrobus-Systemen auf Grund der höheren Komplexität noch unter gut gemanagten Diesel-Bus-Flotten, aber der Einsatz ist in den allermeisten Anwendungsfällen möglich.
Wie steht es um die Zuverlässigkeit? Bei den frühen Exemplaren, wo teils noch mit der Ladetechnik experimentiert wurde, gab es viele Ausfälle, eine schlechte Ersatzteil-Versorgung und entsprechend negative Schlagzeilen. Sind die großen Themen inzwischen aussortiert?
Küster: Im Vergleich zu den Anfängen haben wir in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Im Rahmen der stetig steigenden Stückzahlen haben wir es vom Experimentieren zur Marktreife gebracht. Eine ganze Reihe an Verkehrsunternehmen setzt im Betrieb schon heute auf elektrische Antriebe. Das wäre kaum so, wenn die Fahrzeuge keinen verlässlichen Einsatz ermöglichen. Die größten Herausforderungen rund um Zuverlässigkeit und Reichweite haben wir überwunden. Jetzt geht es um den weiteren Markthochlauf.
VDV-Präsident Ingo Wortmann hatte bei der 15. Elektrobuskonferenz des VDV vor einem Jahr noch „Kinderkrankheiten“ erwähnt – zumindest bei seinen Elektrobussen in München. Wo hakt es heute noch? Ist es die Technik an sich oder eher das Zusammenspiel verschiedener Anbieter, wenn etwa beim Laden die Batterie, der Bus, der Ladepunkt und die Depot-Management-Software miteinander harmonieren müssen?
Schmitz: Die deutlich höhere Komplexität im System – von der Ladeinfrastruktur, den Ladesäulen und -kontaktsystemen, der digitalen Vernetzung zur energetischen und wirtschaftlichen Optimierung, bis hin zur Vernetzung der Fahrzeugkomponenten und -systemen – führt zu höheren Anforderungen im Rahmen der Wartung und einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit. So hat der VDV zwar die Schnittstellen zwischen Elektrobus und Infrastruktur standardisiert, aber herstellerspezifische Auslegungen führen trotzdem zu Anpassungszwängen. Da viel Potenzial für Optimierung in der Software liegt, haben wir Digitalisierung als eigenen Part in der mobility move neu aufgenommen.
Ein Thema, das 2024 geprägt hat und auch die kommenden Jahre mitbestimmen wird, war das Ende der Neu-Förderung auf Bundesebene. Aktuell ist es sehr unübersichtlich: Es kommen 2025 noch viele Busse mit bereits zugesagter Förderung neu in die Flotten, die Neu-Beschaffung wird aber nicht mehr aus Berlin gefördert. Kann der ÖPNV den Umstieg auf elektrische Busse alleine finanzieren?
Schmitz: Die Frage der Finanzierung der Antriebswende wird ein wichtiges Thema in Berlin werden. Aus unserer Sicht ist der Bund für die Finanzierung des Klimaschutzes und daher auch für die Finanzierung der Antriebswende im ÖPNV sowie für die Forderungen aus der CVD (Clean Vehicles Directive, Anm.d.Red.) zuständig. Daher hat der VDV einen Finanzierungsvorschlag zur Ablösung der nicht ausreichenden Förderungen zeitbegrenzt über das GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Anm.d.Red.) eingebracht. Weiterhin ist der Öffentliche Verkehr über die gedeckelten Ticketeinnahmen nicht in der Lage, die Investitionen über die Fahrgäste zu finanzieren.
Große Betreiber wie die BVG in Berlin und Hochbahn und VHH in Hamburg rudern bei ihren Elektro-Zielen schon wieder zurück, auch kleinere Betreiber stellen ihre Beschaffungspläne auf den Prüfstand. Sind so die Umweltziele im Verkehr in Gefahr? Bisher macht es nicht den Eindruck, als könnten Förderprogramme von Ländern und Kommunen das auch nur annähernd ausgleichen.
Schmitz: Die Elektromobilität verstärkt den positiven Klimaeffekt bei einem Umstieg vom Pkw auf den Öffentlichen Verkehr. Da Fahrgäste nachgewiesener Weise nur umsteigen, wenn das Angebot passt, haben Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Leistungsangebote oberste Priorität. Mit der zweiten Phase der CVD ab 2026 wird der Bund auch wieder in eine Finanzierung bzw. Förderung einsteigen müssen und zu einem weiteren Investitionsschub beitragen. Leider müssen wir aber in der Zwischenzeit eine deutliche Investitionsdelle bei Beschaffungen feststellen. Das zeigen auch schon die Zahlen des Kraftfahrtbundesamts.
Anfang April findet die mobility move 25 statt, Deutschlands größte Konferenz und Fachmesse für straßengebundene öffentliche Mobilität – in diesem Rahmen findet auch die 16. VDV-Elektrobuskonferenz statt. Und das in einer politisch hochbrisanten Zeit nach der Bundestagswahl im Februar. Erwarten Sie zu der Veranstaltung einen neuen Kurs bei der E-Bus-Förderung von der nächsten Regierung?
Schmitz: Ein Fokus der neuen Bundesregierung wird sein, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Da die Begleitforschung des BMDV zur Förderung der Elektrobusse ergeben hat, dass 95 Prozent der Fördermittel in Deutschland bzw. Europa investiert wurden, sind dies Bestwerte im Bereich der Wirtschaftsförderung. Darüber hinaus führt jeder in den Öffentlichen Verkehr investierte Euro zu einem volkswirtschaftlichen Mehrwert von 2,40 Euro. Deswegen erhoffen wir uns, dass die Vertreter der neuen Bundesregierung neben nötigen Investitionen zur Vermeidung von Strafzahlungen auf Grund von Vertragsverletzungsverfahren besser in Wirtschaftsbereiche investieren, bei denen auch innovative und zukunftsfähige Arbeitsplätze in Deutschland erhalten sowie geschaffen werden.
In Großbritannien sehen wir einen sehr starken E-Bus-Markt, aber auch mit einer entsprechend umfassenden Förderung. Zeigen uns die Briten da im internationalen Vergleich, wie es wirklich geht?
Küster: Bei der Anschaffung von Elektrobussen sprechen wir von langfristigen Entscheidungen. Hier geht es um eine verlässliche Planung, die zum Beispiel auch Auswirkungen auf die Betriebshöfe und das Personal hat. Um solche Entscheidungen zu treffen, benötigen Verkehrsunternehmen und Industrie Sicherheit. Der Förderstopp im Kombination mit ungeklärten Finanzierungsfragen des ÖPNV in Deutschland bewirkt aber vor allem eins: Unsicherheit. Das sind denkbar schlechte Rahmenbedingungen für eine Technologie mitten im Markthochlauf. In Großbritannien gibt es hingegen Sicherheit – auch bei der Förderung. Das wirkt sich positiv auf die Anschaffung aus.
Die meisten Betreiber beschaffen Batterie-elektrische Busse und Ladepunkte fürs Depot. In Rostock und Duisburg zum Beispiel wird die Brennstoffzelle bevorzugt. Wird die Brennstoffzelle im Stadtbus eine nennenswerte Rolle spielen? Oder ist es hier ohne Förderung noch schwieriger, einen positiven Business Case zu erreichen?
Küster: Losgelöst von der Förderung ist ja grundsätzlich die Frage, ob und wo der Einsatz von Bussen mit Brennstoffzelle sinnvoll ist. Eine wichtige Rolle dabei wird auch in Zukunft die lokale Verfügbarkeit von Wasserstoff spielen: etwa aus der Chemie oder als Zwischenspeicher bei Überkapazitäten der Stromerzeugung aus nachhaltigen Energien. In einigen Fällen sind Stadtbusse mit diesem Antrieb also durchaus sinnvoll. In der Breite sehen wir auch weiterhin eher den Einsatz von Batterie-elektrisch betriebenen Fahrzeugen – besonders in großen Städten.
Nicht nur in der Stadt werden Busse zunehmend elektrifiziert, inzwischen steigt auch die Anzahl der elektrischen Überlandbusse – mit noch größeren Batterien für die benötigten Reichweiten. Wann wird es in diesem Segment den Durchbruch geben – oder bleibt Elektro bei Überlandbussen erstmal eine Nische?
Schmitz: Neben dem Stadtbus müssen auch Regionalbusse und Lkw die Emissionen deutlich reduzieren. Die Regionalverkehr Köln GmbH zeigt mit ihrer H2-Busflotte, wie ein Betrieb von emissionsfreien Fahrzeugen auch heute schon erfolgreich im Regionalverkehr umsetzbar ist. Viele andere Unternehmen arbeiten ebenfalls an der Umstellung und die Hersteller beginnen, nun auch elektrische Überlandbusse anzubieten.
In den letzten Jahren haben Sie die ursprüngliche VDV-Elektrobuskonferenz und Fachmesse sukzessive um weitere Inhalte ergänzt. Warum umfasst die mobility move mittlerweile zum Beispiel auch ein Personal-Forum?
Küster: Elektromobilität funktioniert nur in einem integrierten und aufeinander abgestimmten System. Dafür sind die Themen Digitalisierung und Personal unerlässlich. Digitalisierung ist einerseits Voraussetzung für den Einsatz der Fahrzeuge, andererseits aber auch ein großer Hebel für mehr Effizienz im Betriebsalltag. Für das Planen, Fahren und Warten bleibt der Mensch unerlässlich. Doch mit neuen Antrieben ändern sich die Anforderungen an Personal und Fachkräfte bleiben in allen Branchen rar. In der Schnittmenge aus Personalmangel und Digitalisierung sowie Elektroantrieb ist der Sprung zu autonomen Fahrzeugen als passendes Thema dann nicht mehr weit. Durch diese Themenbreite bieten wir einen ganzheitlichen Blick auf das Kern-Thema des Elektrobusses.
Das Interview ist Teil der Medienpartnerschaft von electrive mit der VDV mobility move vom 01. bis 03. April in Berlin.
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