
Fords neue Stromer kommen aus Rumänien
In Craiova hängen mal ein Puma, mal ein Transit Courier oder ein Tourneo Courier am Förderband. Anhand der Frontschürze kann man schon erahnen, ob in einem späteren Arbeitsschritt mal ein Verbrennungsmotor oder ein Akku montiert wird – die Elektro-Versionen haben eine geschlossene Front, die Verbrenner einen klassischen Kühlergrill. Ansonsten sind die Autos gleich. Elektroautos und Verbrenner werden in der Fabrik von Ford Otosan gemeinsam auf einer Linie produziert. Ganz flexibel also. Und gebaut wird nur, was auch bestellt wurde.
Die Order-Bücher hatte der Hersteller bereits vor einiger Zeit geöffnet. Zu der Anzahl der Vorbestellungen hält sich Ford allerdings bedeckt. Stattdessen betont man vor Ort immer wieder, dass der Ford Puma besonders viele Fans in Großbritannien hat. Es ist sogar Fords meistverkaufter Kleinwagen in ganz Europa – zumindest als Verbrenner. Ob der Puma Gen-E mit seinem 43 Kilowattstunden großen Akku und 376 Kilometern Reichweite ebenfalls ein Verkaufsschlager wird, bleibt abzuwarten.
„Ich wäre überrascht, wenn wir sagen würden, dass wir genauso viele Elektrofahrzeuge wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkaufen werden, wenn man bedenkt, was wir in der Branche und auf dem Markt gesehen haben“, sagt John Davis, Global Director Electric Vehicle Van and Bus Programs, dazu. Er fügt jedoch hinzu: “Wir wissen, dass unsere Kunden an erschwinglicheren Lösungen interessiert sind. Und ich denke, dass wir jetzt etwas haben, aus dem sie wählen können, wenn sie an Elektrofahrzeugen interessiert sind.“
Ford Puma Gen-E ist teurer als die Konkurrenz
Der Puma Gen-E dürfte es in Europa nicht leicht haben, meistverkauftes Ford-Modell in Europa hin oder her. Denn die Varianten ohne „E“ sind deutlich günstiger. Und auch Elektroautos von anderen Herstellern machen dem neuen Stromer Konkurrenz. Ein VW ID.3 mit 52 kWh netto oder 388 Kilometer ist für unter 30.000 Euro zu haben, der Kia EV3 mit 35.990 Euro startet ähnlich teuer – bietet aber mit 58 kWh und 436 Kilometern mehr für die Kunden. Der Opel Frontera Electric, der mit 44 kWh einen ähnlich großen Akku hat, ist hingegen mit 28.990 Euro deutlich günstiger. Und beim zum Opel technisch identischen Citroen e-C3 Aircross liegt der Preis nochmals einige Tausender niedriger.
Aber Ford ist zuversichtlich. Ja, Reichweite sei ein „sensibles Thema“, räumt Davis ein. Aber der Kunde fahre schließlich keine Batterie, „sondern ein Fahrzeug, das über ein hohes Maß an Konnektivität, Zugänglichkeit, Nützlichkeit und Flexibilität verfügt“. Genau das mache den Puma als Verbrenner so beliebt und werde auch der neuen Elektro-Version helfen, Abnehmer zu finden.
„Und um ehrlich zu sein, brauchen die meisten Menschen nicht so viel Reichweite“, fügt der Ford-Manager hinzu. „Ich weiß, dass wir alle ein gewisses Maß an Reichweitenangst haben. Das sehen wir auch bei unseren gewerblichen Kunden. Und das ist auch der Grund, warum wir versuchen, unseren Kunden das zu liefern, was wir für das beste Preis-Leistungs-Verhältnis halten.“ Und letztendlich sei eine größere Batterie eben teurer.












Auch mit den beiden Kastenwagen erhofft sich Ford einen Erfolg. Mit Verbrennermotor verkauft sich insbesondere die Transporter-Variante, also der Transit Courier, sehr gut in der Türkei. Das liegt vielleicht auch daran, dass dieser von Ford Otosan hergestellt wird, also dem Joint Venture von Ford und der türkischen Gruppe Koç. Die Elektro-Version könnte sich laut Davis in anderen südlichen Ländern gut verkaufen – wo genau der Fokus liegen könnte, sagt er aber nicht. Fügt jedoch hinzu, dass natürlich auch die nordischen Ländern, in denen schon viele Elektrofahrzeuge verkauft werden, für den E-Transit Courier und seinen Pkw-Ableger interessant sind. Konkreter wird er aber auch in diesem Fall nicht. „Wir diskriminieren nicht, indem wir die Fahrzeuge nur in bestimmten Ländern anbieten. Sie werden überall erhältlich sein“, betont Davis.
Maximal 50.000 Stromer kommen 2025 aus Rumänien
Davis ergreift zudem die Gelegenheit um erneut für eine Förderung der Elektromobilität zu werben. „Heute hatte ich die Gelegenheit, über einige der Hilfen zu sprechen, die die Branche meiner Meinung nach benötigt, und ich denke nicht, dass die Ford Motor Company in dieser Hinsicht einzigartig ist. Wir brauchen die Unterstützung der EU-Regierungen und der Länder vor Ort, um die Branche zu unterstützen, und zwar durch nachfrageseitige Anreize und auch durch die Bereitstellung eines erschwinglichen Zugangs zu Lademöglichkeiten.“
Es ist also unklar, wieviele Stromer in Craiova in den kommenden Monaten vom Band laufen werden. Allerdings werden es maximal 50.000 sein – wenn man alle drei Modelle zusammenzählt. Zwar hat die Fabrik eine Produktionskapazität von 300.000 Fahrzeugen und der Puma Gen-E, E-Transit Courier und E-Tourneo Courier werden auf derselben Produktionslinie wie die Verbrenner-Varianten hergestellt, was die Produktion besonders flexibel macht. Aber in der kleinen rumänischen Stadt können vorerst maximal bis zu 50.000 Akkus zusammengebaut werden. Und ohne Akku kein E-Fahrzeug. Natürlich könne die Batteriemontage langfristig hochgefahren werden, erklärt Produktionsmanager Dan Ghirisan der Presse bei einer Tour durch die Autofabrik. Aber für dieses Jahr sei personalbedingt bei 50.000 E-Fahrzeugen Schluss. Die technische Kapazität allein für die Batteriemontage liegt aber sogar bei 150.000 Einheiten.
Die Daten für alle drei Fahrzeuge sind soweit bekannt. Zudem teilen sich die drei neuen Stromer eine Plattform, weswegen sie auch auf einer Produktionslinie gebaut werden können. Dennoch zur Einordnung noch einmal die wichtigsten Daten im Überblick: Alle drei Fahrzeuge sind mit einem 43 kWh großen Akku ausgestattet. Beim Puma sollte das nach WLTP für 347 bis maximal 376 Kilometer reichen. Die Pkw-Variante Ford E-Tourneo Courier fährt mit dem gleichen Akku 266 bis zu 288 Kilometern zwischen zwei Ladevorgängen. Beim Elektro-Transporter E-Transit Courier sind bis zu 293 Kilometern möglich.
Auch preislich liegen die drei nicht all zu weit auseinander. Der E-Transit Courier ist in Deutschland ab 35.400 Euro zu haben, der analoge E-Tourneo startet bei 36.000 Euro und der Ford Puma Gen-E bei 36.900 Euro.
Die Batterie wird in Craiova montiert. Dafür hat der Hersteller im Oktober vergangenen Jahres eine 4.200 Quadratmeter große Fertigungslinie in der Autofabrik integriert. Der Ford-Akku setzt bei der Zellchemie auf NCM, also eine Mischung aus Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan in der Kathode. In Craiova werden die Module und Packs in drei Schichten gefertigt. Pro Schicht sind 51 Mitarbeiter nur für die Batterie am Start. So können täglich bis zu 300 Elektrofahrzeuge in Craiova vom Band laufen.
Jedes Batteriemodul besteht aus 96 Zellen, erklärt Ghirisan. Diese würden von SK On in Ungarn hergestellt und nach Rumänien geliefert. Auch die Dichtheitsprüfung der Module werde vor Ort durchgeführt. Laut Ghirisan bestünden rund sechs bis sieben Prozent der getesteten Module die Prüfung nicht. Dann landen die Akkus aber nicht im Müll, sondern werden wieder auseinander gebaut, neu zusammengesetzt und erneut getestet.






Die E-Antriebe werden im englischen Halewood produziert und nach Rumänien exportiert. Übrigens auch in die Türkei, wo sie im E-Transit Custom und dessen Pkw-Version E-Tourneo Custom zum Einsatz kommen. Produziert werden unterschiedliche Leistungsstufen in Halewood, bisher sind Fahrzeuge mit 100 kW, 123 kW, 160 kW und 210 kW angekündigt.
Ford Otosan ist Rumäniens zweitgrößter Exporteur
Bei der Feier zum Start der Serienproduktion des Ford Puma Gen-E, des E-Transit Courier und des E-Tourneo Courier stand der Produktionsanlauf aber gar nicht wirklich im Fokus. Stattdessen wurde Ford Otosan als eines der wichtigsten Unternehmen gefeiert, denn es ist der zweitgrößte Exporteur des Landes.
Das erklärt auch, warum die Geschichte des Werks sowie des Joint Ventures – und eben sein Erfolg – mehrfach erzählt wurde. Letzteres wurde 1959 gegründet. Aber Ford und Koç arbeiten bereits seit 1928 zusammen, erklärte Josephine Payen, stellvertretende Geschäftsführerin von Ford Otosan.
„Zu dieser Zeit übernahm Mervi Koç ein Ford-Autohaus in Ankara in der Türkei. Es war das erste Koç-Autohaus weltweit, das Ford-Fahrzeuge montieren durfte“, so Pyne. “Das war wirklich der Beginn des Wandels. Und Koç hat sich zu einem riesigen Unternehmen in der Türkei entwickelt.“ Vor 28 Jahren wurden die Anteile angeglichen. Neben dem Werk in Craiova hat Ford Otosan auch Werke in der Türkei, wo, unter anderem, der große 2-Tonner E-Transit und, der E-Transit Custom und seine Pkw-Version E-Tourneo Custom vom Band laufen.
Aber zurück zum Werk in Rumänien. Das gibt es bereits seit 1976. Allerdings wurden dort zunächst Fahrzeuge der Marke Oltcit und später Daewoo produziert. 2008 übernahm Ford das Werk und 2022 dann Ford Otosan. Und seitdem werden dort die Verbrenner-Varianten des Puma, des Transit Courier und Tourneo Courier gebaut. Und nun die ersten E-Fahrzeuge des Landes.
Insgesamt 500 Millionen Euro hat Ford Otosan seit 2022 in das Werk investiert. Schon bei der Übernahme betonte man, dass Ford Otosan eine „Schlüsselrolle bei der Elektrifizierung von Ford in Europa“ einnehmen wolle. Die Autofabrik in Craiova bietet (derzeit) Arbeitsplätze für 6.600 Menschen und produziert 1.200 Fahrzeuge am Tag. 300 davon sollen nun einen E-Antrieb und eine 43 kWh Batterie erhalten. 250.000 Fahrzeuge haben das Werk im vergangenen Jahr auf den eigenen vier Rädern verlassen. Die Kapazität liegt bei 300.000 und es gäbe immer die Möglichkeit, das Werk noch zu erweitern, betont Payne.
Rund 70 Prozent der in Craoiva gebauten Fahrzeuge werden per Zug in andere Länder transportiert. Die Autofabrik verfügt sogar über ein 12 Kilometer langes Schienennetzwerk, das direkt an das europäische Netzwerk angebunden ist. Damit die verbleibenden 30 Prozent das Werk per Lkw verlassen können, hat Rumänien dem Hersteller sogar eine eigene Autobahn gewidmet – den Ford Highway. Dieser ist noch nicht ganz fertig, aber der rumänische Premierminister betonte bei der Zeremonie zum Startschuss der Serienproduktion, dass man alles tun werde, um das Projekt sehr bald abzuschließen.
Neben den Geschäftszahlen machte auch die Gästeliste an diesem Tag deutlich, wie wichtig die Produktion in Craiova für die Region, für das Land und vielleicht auch für Ford ist. Neben dem rumänischen Premier waren auch Ali Koç, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Koç Holding, Vorsitzender von Ford Otosan, Ford-Otosan-Geschäftsführer Güven Özyurt sowie der türkische Botschafter und die amerikanische Botschafterin Kathleen Kavalec angereist.
Der Startschuss für die elektrische Zukunft in Craiova ist also gefallen. Insgesamt bietet Ford damit nun acht Elektrofahrzeuge in Europa an – den Explorer und den Capri, die beide im Ford-Werk in Köln gebaut werden, den E-Transit, den E-Transit Custom und E-Tourneo Custom, die von Ford Otosan in der Türkei hergestellt werden und nun ein elektrischer Puma sowie E-Varianten des E-Transit Courier und E-Tourneo Courier. Es bleibt abzuwarten, ob die Begeisterung für die neuen Stromer auch außerhalb der kleinen rumänischen Stadt so groß ist wie erhofft. Falls nicht, hängen am Ende doch mehr Verbrenner als Stromer am gemischten Band.
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