Innovationen und Trends im Public Charging – Conrad Hammer, NOW GmbH
Conrad Hammer verglich die aktuelle Lage der Elektromobilität mit der Startphase eines Marathons: „Wir sind meiner Meinung nach immer noch in einem sehr, sehr großen Massenläuferfeld und sind da in einer Phase des Anschwitzens.“ Obwohl die Zahl der öffentlichen Ladepunkte in Deutschland auf rund 170.000 gestiegen ist, sei das erst der Anfang. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur verlaufe derzeit schneller als das Wachstum der reinen E-Auto-Zulassungen, die bei rund 1,6 Millionen Fahrzeugen und etwa 3 Prozent des Gesamt-PKW-Bestandes liegen.
Dennoch sei das Ziel klar: „Wenn wir die Dekarbonisierung im Verkehrssektor hinbekommen wollen, dann werden wir das kurzfristig nur über den motorisierten Individualverkehr hinbekommen“, betonte Hammer. Den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zum Beispiel mit dem Deutschlandticket voranzutreiben sei zwar wichtig, reiche jedoch allein nicht aus, um die CO2-Ziele zu erreichen.
Von der Wallbox zum Quartiersladen
Während das nicht-öffentliche Laden – insbesondere im privaten Umfeld – laut Hammer bereits gut entwickelt ist – Zitat: „Ganz ehrlich, da ist der Drops gelutscht“ – steht das öffentliche Laden noch vor großen Herausforderungen. Gerade in verdichteten urbanen Räumen sei der Bedarf hoch, besonders für Menschen ohne eigene Stellplätze. Hammer spricht sich deshalb deutlich für neue Lösungen aus, etwa das sogenannte „Quartiersladen“: zentrale Ladepunkte in Wohngebieten, die für breite Bevölkerungsgruppen zugänglich sind. Hierfür sei eine entsprechende Förderung wünschenswert, doch dies sei abhängig von der künftigen Bundesregierung.
Gesetzliche Hebel: GEIG und EPBD
Zwei zentrale gesetzliche Grundlagen sieht Hammer als entscheidend für den weiteren Ausbau: das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) und die EU-Gebäuderichtlinie EPBD.
Das GEIG verpflichtet seit Anfang 2025 Gebäudeeigentümer bei Nicht-Wohngebäuden mit mehr als 20 Stellplätzen, mindestens einen Ladepunkt zu errichten. Hammer kritisiert jedoch: „Dieses Gesetz ist mittlerweile sieben Jahre alt, ist diese Vorgabe nicht in der Masse durchdrungen und angekommen.“ Die Umsetzung stocke vielerorts, auch weil Kommunen oft noch nicht ausreichend informiert oder handlungsfähig seien.
Noch weitergehende Vorgaben kommen mit der überarbeiteten EPBD-Richtlinie, die bis 2026 in nationales Recht überführt werden muss. Diese sieht unter anderem einen Ladepunkt je fünf Stellplätze bei Neubauten und umfangreiche Nachrüstpflichten im Bestand vor. Hammer weist darauf hin, dass dies sowohl Herausforderung als auch Chance sei: „Das hat für mich schon einen Innovationscharakter, weil ich hier natürlich für Investoren deutlich mehr Standorte bereitstelle.“
Förderpolitik im Wandel
Angesichts begrenzter öffentlicher Mittel sieht Hammer keine Zukunft mehr für breite „Gießkannen“-Förderprogramme. Stattdessen brauche es zielgerichtete Ansätze, etwa für sozial benachteiligte Gruppen oder in hochverdichteten städtischen Quartieren, Stichwort Quartiersladen (siehe oben). Besonders realistisch erscheint ihm eine Förderung des LKW-Ladens, das künftig stärker im Fokus stehen könnte.
Gleichzeitig betont er: „Wir sind nach wie vor bei der Batterie-elektrischen Mobilität in sehr wilden industriepolitischen Dialogen, wo es auch wirklich um knallharten Arbeitsplatzerhalt geht.“ Die Transformation betreffe nicht nur Technik, sondern auch wirtschaftliche und soziale Strukturen tiefgreifend.
Fazit: Ladeinfrastruktur als Systemwandel
Conrad Hammers Vortrag macht klar: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist mehr als Technik – er ist Teil einer gesellschaftlichen und industriellen Transformation. Kommunen und Länder spielen dabei eine zentrale Rolle, aber auch gesetzliche Rahmenbedingungen und gezielte Förderung sind entscheidend. Es geht darum, vom Pioniermarkt zum Massenmarkt zu kommen – und dabei niemanden zurückzulassen. Denn „Tanken ist nicht gleich Laden“, sagt Hammer – ein Satz, der sinnbildlich für den Wandel steht, vor dem die Mobilität in Deutschland steht.
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