Freigeklagte SMS: Was Lindner und Blume zu E-Fuels austauschten
Die Textnachrichten zeigen erstmals den vollständigen Austausch zwischen Ex- Finanzminister Christian Lindner und Oliver Blume, der damals Porsche-Chef war und heute bekanntlich zusätzlich auch Volkswagen-CEO ist. Der Offenlegung vorausgegangen war eine Klage von abgeordnetenwatch.de und ein mehr als zwei Jahre dauernder Rechtsstreit vor dem Berliner Verwaltungsgericht.
Dazu folgender Kontext: Die Textnachrichten stammen aus dem Sommer 2022 und stehen im Zentrum der sogenannten Porschegate-Affäre, die durch einen Bericht der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ öffentlich wurde. Im Fokus: Die damalige EU-Abstimmung über ein mögliches Verbot neuer Verbrennungsmotoren ab 2035 – und die Rolle, die Lindner und Blume dabei spielten. Laut dem Klageführer abgeordnetenwatch.de belegen die nun einsehbaren Textnachrichten, „wie sich ein Minister und ein Lobbyist vertraut die Bälle hin und her spielen, wie sich Partei- und Konzerninteressen überlappen – und bis in die Regierungspolitik hineinragen“.
Und: „Ein Minister bittet um Unterstützung, ein Automanager mit direktem Geschäftsinteresse bedankt sich für dessen Einsatz. Dass dieser Austausch mitten in einer politischen Kontroverse stattfand, sorgt für zusätzliche Brisanz.“ Um einen Skandal handele es sich zwar nicht, so abgeordnetenwatch.de, jedoch gäben die Nachrichten Einblick in die „Näheverhältnisse“ zwischen politischen Entscheidungsträgen und Lobbyisten.
Die Korrespondenz zwischen Lindner und Blume setzte konkret am 28. Juni 2022 ein – dem Tag der Abstimmung im EU-Ministerrat. Es geht in den ersten Nachrichten denn auch um das mögliche Verbrenner-Aus, das sowohl Lindner als auch Blume verhindern wollen. Wortwörtlich schreibt Lindner: „Lieber Herr Blume, gerade lese ich auf der dpa [geschwärzte Textstelle] zum Verbrennerverbot. Vielleicht wäre auch eine andere Stimme ratsam, die auf das Potential von E-Fuels hinweist? Ich kann da durchaus argumentative Unterstützung gebrauchen. Beste Grüße, Ihr Christian Lindner.“ Blume antwortet daraufhin: „Lieber Herr Lindner, volle Unterstützung von Porsche Seite. Letzten Freitag war ich damit in der FAZ. Wir legen nochmal nach. Danke für Ihren Einsatz. Viele Grüße. Oliver Blume“.
Lindners Bitte um Unterstützung hatte mit einem internen Streit in der Ampelkoalition zu tun: Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wollte im EU-Ministerrat für ein vollständiges Verbrenner-Aus ab 2035 stimmen, Lindner und die FDP stemmten sich dagegen – vor diesem Hintergrund suchte der Minister Unterstützung bei Blume. Denn: Porsche ist an einer E-Fuels-Produktionsanlage in Chile beteiligt und möchte bestimmte Fahrzeugmodelle auch zukünftig mit Verbrennungsmotoren anbieten. Darum hat der Konzern ein Interesse daran, dass Verbrennerfahrzeuge weiterhin erlaubt sind, sofern sie mit E-Fuels betrieben werden.
Einige Wochen nach diesem SMS-Austausch zwischen Lindner und Blume sorgte die ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ für Schlagzeilen. In der Sendung hieß es, Blume habe sich bei einer internen Betriebsversammlung damit gebrüstet, dass Porsche einen „sehr großen Anteil” daran habe, dass E-Fuels in den Koalitionsvertrag der Ampel eingeflossen sind. Porsche sei einer der Haupttreiber gewesen, “mit ganz engem Kontakt mit den Koalitionsparteien“. FDP-Chef Lindner habe ihn „fast stündlich auf dem Laufenden gehalten“. Die Sendung erzeugte einen großen medialen Widerhall. Drei Tage nach der Ausstrahlung setzte die Korrespondenz zwischen Lindner dem Porsche-Chef wieder ein, um die Wogen zu glätten.
Der Rest ist Geschichte: Die Drohhaltung der FDP, das schon geschnürte Paket zum Verbrenner-Aus ab 2035 auf EU-Ebene platzen zu lassen, führte zu Zugeständnissen für E-Fuels. Die FDP erwirkte konkret einen Verweis auf E-Kraftstoffe in der Verordnung und die Zusage, dass die Kommission einen Vorschlag für die Zulassung von Fahrzeugen vorlegen werde, „die nach 2035 ausschließlich mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden“. Auf den von der FDP ausgelösten Zoff kurz vor der Abstimmung folgte also der beschriebene Kompromiss mit der Kommission – und wenige Tage später wurde das De-facto-Aus für Verbrenner beschlossen.
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