Antriebsplattform SELECT: So will ZF die E-Antriebe vereinfachen

Der Automobilzulieferer ZF hat im Rahmen seines eMobility Tech Day seine neue E-Antriebs-Plattform SELECT vorgestellt, die mit ihren Komponenten eine Vielzahl an möglichen Konfigurationen für die unterschiedlichsten Anforderungen bieten soll. ZF zeigt aber auch eine neue Hybrid-Entwicklung.

Bild: ZF

Mit den Neuheiten von dem eMobility Tech Day in Zweibrücken will ZF ein umfassendes Produktprogramm für elektrifizierte Antriebe bieten, um den Anforderungen eines „dynamischen, volatilen und technologisch ausdifferenzierten Markts“ zu begegnen, wie der Zulieferer mitteilt. Denn global wachse der Markt für E-Mobilität weiter. „Die Vielzahl der benötigten Antriebskonfigurationen ist herausfordernd und Systemanbieter für E-Antriebe müssen heute ein deutlich größeres Portfolio vorweisen als noch vor wenigen Jahren. Zugleich erwarten Kunden kürzere Entwicklungszeiten, schnellere Innovationszyklen, bessere Integration und optimierte Kosten“, so ZF.

Genau hier soll die wohl wichtigste Premiere des eMobility Tech Days ansetzen, die Antriebsplattform SELECT. Sie soll variantenreiche Systemlösungen ermöglichen und umfasst hierfür die dazu notwendigen Komponenten E-Motoren, Inverter, Konverter, Reduziergetriebe sowie Software. Mit der Modularisierung und der Möglichkeit, eben jene Module flexibel je nach Kundenwunsch zu kombinieren, will ZF ein breit aufgestelltes Produktangebot und ein hohes Innovationstempo erreichen.

Blicken wir auf die bekannten Daten zu der neuen Antriebsplattform: Die SELECT setzt auf ein 800-Volt-Gesamtsystem und soll Pkw-Antriebe zwischen 100 und 300 kW Leistung abdecken können. Der Zulieferer gibt an, dass ein auf Basis der SELECT-Plattform entwickelter E-Antrieb die „aktuelle Serientechnik bei Effizienz, Leistungsdichte und anderen Kennwerten um Längen“ schlage. Der neue Antrieb soll 325 Nm mehr Drehmoment und 28 kW mehr Leistung bieten – bei gleichzeitig 18 Kilogramm weniger Gewicht, 24 Prozent kleinerem Bauraum und fünf bis zehn Prozent reduzierten Verlusten.

Konkret besteht die Plattform als mehreren Komponenten-Baukästen, wie ZF die einzelnen Bestandteile nennt. „em:SELECT“ umfasst alle E-Maschinen von der PSM (Permanenterregte Synchronmaschinen) und ASM (Asynchronmaschinen) künftig bis hin zur I2SM, einer von ZF entwickelten, fremderregten Synchronmaschine – die Leistungsdaten einer PSM ohne Dauermagneten mit Seltenen Erden erreichen soll. „in:SELECT“ umfasst die 800-Volt-Inverter, „co:SELECT“ die Konverter, also eine Schlüsseltechnologie für bidirektionales Laden. Der Baukasten „rd:SELECT“ besteht aus Reduziergetrieben in achsparalleler sowie koaxialer Bauweise, die für die Drehmomente der E-Motoren ausgelegt sind. Und bei „sw:SELECT“ handelt es sich um die Software-Bibliothek.

Für ein Beispiel zur Vielfalt innerhalb der Komponenten-Baukästen blicken wir auf den „em:SELECT“. Wie erwähnt sind unterschiedliche Konzepte wie eine PSM, ASM und I2SM möglich. Die PSM können auf Wunsch auch mit einem Carbon-Taped Rotor (Rotor mit Karbonbandage) oder ohne bestellt werden. Das Konzept erlaubt die Reduktion der Magnetmasse, senkt auf diese Weise Gewicht und die Komplexität eines herkömmlichen PSM-Rotors, ohne jedoch Kompromisse bei Spitzenlast und Höchstgeschwindigkeit notwendig zu machen. Und über das Stator-Produktionssystem können E-Motoren mit unterschiedlichen Außendurchmessern, aktiven Längen und Drahtgeometrien schnell zu einer Kundenlösung zusammengesetzt werden. Mit ähnlichen Entscheidungspfaden innerhalb der anderen Komponenten-Baukästen kann so eine Kunden-individuelle Antriebslösung erstellt werden.

Zu dem Tech Day hat ZF auch einen auf Basis der SELECT entwickelten Antrieb mitgebracht. Der Primärantrieb in koaxialer Bauweise nutzt im Kern eine PSM mit 300 kW Leistung und 5.500 Nm Drehmoment. Im Vergleich zu der aktuellen Serientechnik sollen die Verluste bei 100 km/h um mehr als 25 Prozent geringer ausfallen, wie der Zulieferer vorrechnet. Zudem könne der Antrieb eine Dauerperformance von 60 Prozent halten, was „oberhalb des aktuellen Branchenstandards“ liege. Und bei Kennzahlen zu Bauraum Gewicht und Kosten soll der neue Antrieb ebenfalls besser abschneiden – beziffert wird das aber nicht.

ZF gibt an, dass man neben Innovationen auf System- und Komponentenebene auch auf die Industrialisierung der Antriebe geachtet habe. Sie sind auf automatisierte Fertigungsmethoden sowie Multi-Sourcing-Konzepte ausgerichtet, um so angemessen auf volatile Nachfrage reagieren und schnell skalieren zu können. „Damit sind wir in der Lage, fast unabhängig von der Art der Elektrifizierung Skaleneffekte zu erzielen“, sagt  Mathias Miedreich, Mitglied des ZF-Vorstands und verantwortlich für die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien.

Otmar Scharrer, Entwicklungsleiter der ZF-Division Elektrifizierte Antriebstechnologien, ergänzt:  „Das Innovationstempo bei vielen E-Antriebskomponenten ist enorm. Unsere Kunden wollen neueste Technik schnell verfügbar haben – und das bei begrenztem Integrationsaufwand. Mit unserer SELECT-Plattform setzen wir genau da an: Gesamtsystem und Komponenten sind perfekt aufeinander abgestimmt – zugleich sind die Komponenten je nach Anforderung austauschbar. Künftige Innovationen werden wir für die Serie so entwickeln, dass sie bequem in die SELECT-Plattform integrierbar sind.“

Neu ist das von ZF für E-Fahrzeuge wesentlich weiterentwickelte Thermomanagementsystem TherMaS, das durch sparsame Klimatisierung die Reichweite von E-Fahrzeugen um bis zu zehn Prozent erhöhen soll. Mit dem Einsatz von Propan als Kältemittel soll TherMAS  bei Außentemperaturen von -25°C bis +35°C Kühl- und Heizleistungen von mindestens 10 kW liefern, so ZF. Und als hochintegriertes System soll die Lösung kleiner und leichter als vergleichbare Varianten sein – und wie bei den Antrieben auch effizienter und günstiger.

„Besonders die Batterie eines E-Autos ist sehr empfindlich, was ihre ideale Betriebstemperatur angeht. Am wohlsten fühlt sie sich zwischen 15 und 25°C“, erklärt Scharrer. Die Umgebungstemperatur hat somit einen großen Einfluss auf die effektive Reichweite eines Elektrofahrzeugs. Denn an extrem kalten oder extrem heißen Tagen wird das Thermomanagement stärker beansprucht, was zu einer höheren Leistungsaufnahme führt und die verfügbare Reichweite nahezu halbieren kann: „Das Thermomanagement zu verbessern ist daher sowohl für den Hersteller als auch für die Fahrer von großem Nutzen.“

Neben den vollelektrischen Antrieben bietet eine weitere Plattform auch verbrennungsmotorische und hybride Lösungen für alle Fahrzeugklassen, etwa die mit Blick auf Effizienz, Leistung und Flexibilität weiterentwickelte 8HP evo, also dem bekannten Acht-Gang-Automatikgetriebe für Hybride. „Die Marktanforderungen haben sich in kürzester Zeit drastisch verändert. Hybridisierung war schon abgeschrieben, jetzt sehe ich das Ende der Fahnenstange nicht mehr“, sagt Vorstand Miedreich. Märkte in Europa, USA und China hätten sich sehr unterschiedlich und mit vielfältigen elektrifizierteren Antrieben entwickelt – von Vollhybriden und Plug-in-Hybriden über Batterie-elektrische Autos bis hin zu den boomenden Range Extendern in China. „Diese Entwicklung ist eine unglaubliche Chance für ZF“, so Miedreich.

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6 Kommentare

zu „Antriebsplattform SELECT: So will ZF die E-Antriebe vereinfachen“
Peter Kass
03.06.2025 um 18:17
Der I2SM - Motor wäre noch ein paar Worte mehr wert gewesen. Könnte ein echter Game changer werden.
R. R.
05.06.2025 um 08:23
Nichts neues, bei BMW nach i3 mit Schleifkohlentechnik wie auch in der Renault Zoe verbaut. Vom Verbrauch scheinen diese aber im Nachteil zu sein. Vorteil kein Stromverbrauch im Freilauf aber mehr Strom im Betrieb. Und durch entsprechend mögliche Auslegung fällt die Leistung bei höheren Drehzahlen weitaus weniger stark ab. Die 4D und 5D von Tesla, welche normale fremderregte Synchronmaschinen sind besitzen zunehmend ein breites Leistungsband, wie auch auch die Lucid-Motoren, da bleibt die Frage, ob die Nachteile des I2SM nicht schwerer wiegen ?! Aus den Augen sollte man diese Technik trotzdem nicht.
T. S.
04.06.2025 um 10:07
Hatte MAHLE nicht vor ein paar Jahren bereits das gleiche Konzept?https://newsroom.mahle.com/press/de/press-releases/mahle-entwickelt-hocheffizienten-magnetfreien-e-motor--82368#
Martin
04.06.2025 um 08:14
Findet sich auf der ZF-Seite: https://www.zf.com/products/de/cars/products_77186.html
C. Brinker
04.06.2025 um 08:22
Ich bin weder Physiker noch Ingenieur und kann das Geschriebene nicht en detail bewerten, ich fände es aber überaus erfreulich, wenn hier auch einmal wieder inländisches Ingenieursknow-how mitsamt entsprechender Fertigungsqualität international durchschlagen würde. Ich wünsche ZF viel Erfolg, jetzt ist die Vertriebsmannschaft gefragt
Christian Vana
04.06.2025 um 11:06
Ich finde den Ansatz, sehr gut, nicht nur weil ich Ähnliches seit Jahren im schweren Nutzfahrzeugbau propagiere. Ich sehe nämlich durch die hohen Kosten der Validierung elektrischer Antriebsstränge Probleme im Sonderfahrzeugbau durch die niedrigen Stückzahlen kommen. Daher wären modular, aufgebaute, komplette, vorvalidierte Systeme sehr hilfreich, um im Kostenrahmen zu bleiben. D.h., so ein System sollte natürlich auch geprüfte Energiespeicher und Bornetzumrichter enthalten. So kann der Triebstrang, ähnlich einem Diesel-Einbaumotor, mit verringertem Aufwand installiert und zugelassen werden.

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