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„Von 400 kW bis 1,68 MW“ – CSO Aaron Jones über die neue Strategie von Tritium

Erst Insolvenz, dann Übernahme durch Exicom: Den australischen Schnellladesäulen-Hersteller Tritium hat die Konsolidierung in den vergangenen Jahren ordentlich durchgeschüttelt. Mit einer Produktoffensive für das Laden von E-Trucks im Depot treibt das Unternehmen seine Neuausrichtung voran. Wir haben mit Verkaufsleiter Aaron Jones über die Chancen gesprochen.

Aaron Jones ist als Chief Sales Officer von Tritium nicht zu beneiden. Nach der Insolvenz 2024 und der anschließenden Übernahme des Unternehmens und aller Sachwerte durch Exicom Power Solutions aus den Niederlanden hat sich die Strategie von Tritium grundlegend gewandelt. Standen früher öffentliche HPC-Ladeparks für Elektroautos im Fokus, nimmt der Anbieter nun den wachsenden Markt für E-Lkw in den Blick. Helfen soll dabei auch die Lokalisierung von Fertigung und Services in Europa. Vertriebsleiter Aaron Jones sagte dazu im Gespräch mit electrive auf der EVS38 in Göteborg: „Unsere ultraskalierbare Plattform ermöglicht Ladeleistungen von 400 kW bis 1,7 MW – das ist entscheidend für den Bereich schwerer Nutzfahrzeuge.“ Damit richtet sich Tritium gezielt an Hersteller wie die Volvo Group oder Daimler Truck sowie an Betreiber großer Lkw-Flotten.

Die sogenannte Triflex-Plattform bietet entsprechend flexible Ladelösungen für verschiedene Anforderungen – vom leichten Lieferfahrzeug bis zum Schwerlast-Lkw. Jones betont: „Wir können bei entsprechender Nachfrage Ladegeräte im Megawatt-Bereich innerhalb weniger Monate liefern.“ Diese schnelle Reaktionsfähigkeit verschaffe Tritium einen klaren Wettbewerbsvorteil. Zudem ist Triflex mit seiner zentralen Leistungseinheit und den angeschlossenen Dispensern skalierfähig konzipiert.

Ein weiterer Baustein der Strategie ist die Lokalisierung. Tritium setzt zwar nicht auf eine regionale Produktion, aber durchaus auf einen lokalen Support und entsprechende Serviceangebote, um – anders als früher – näher an seinen Kunden zu operieren. Es gehe darum, dort präsent zu sein, wo die Kunden sind, so Jones. Dieser Ansatz stärke nicht nur die Versorgung, sondern auch das Vertrauen von Fahrzeugherstellern und Flottenbetreibern in langfristige Partnerschaften.

Wie sich Tritium mit dieser Kombination aus technologischer Skalierbarkeit und regionaler Nähe als Anbieter im Bereich des Hochleistungsladens für elektrische Nutzfahrzeuge in Europa positionierten will, zeigt unser Gespräch auf der EVS38:

Wie hat sich Ihre europäische Strategie nach der Übernahme von Tritium im vergangenen Jahr entwickelt, und was sind Ihre Prioritäten, um den Marktanteil hier halten oder ausbauen zu können?

Die Übernahme hat unser Geschäft schon etwas verändert, denn zuvor war Tritium einer der Pioniere im Ladebusiness, wobei wir uns hauptsächlich darauf konzentriert haben, Hardware bereitzustellen. Die Unterstützung der Infrastruktur nach der Installation war eher zweitrangig. Wir haben jedoch festgestellt, dass sich besonders europäische Kunden auf den Support seitens des Herstellers verlassen. Jetzt, nachdem wir die Organisation mit Exicom neu aufgestellt haben, verfolgen wir eine Services-first-Mentalität.

Wie sieht dieser Ansatz konkret aus?

Wenn wir Kunden in Europa besuchen, wollen wir nicht nur neue Hardware verkaufen – sie haben bereits unsere Ladegeräte. Wir fragen viel mehr, wie wir sie im nächsten Jahrzehnt unterstützen können. Das war eine wichtige Erkenntnis aus der Übernahme und aus 2024: Wir sind quasi ,zehn Jahre lang mit unseren Kunden verheiratet‘. Diese Services-first-Mentalität hat uns geholfen, die Beziehung zu unseren Kunden neu zu beleben. Und natürlich haben wir auch spannende Produkte, die wir mit ihnen besprechen können. Aber im Moment gilt: Erstmal die Basis mit einer gut funktionierenden Infrastruktur sichern. Und das kommt sehr gut an.

Wie will das neue Tritium seinen Marktanteil ausbauen? Auf wen konzentrieren Sie sich, um Ihre Kundenbasis zu vergrößern?

Das Vereinigte Königreich ist unser größter Markt. Wir haben dort mehr Assets als in jedem anderen Markt. Europa insgesamt ist natürlich auch ein sehr großer Markt für uns. Wir verfolgen einen zweigleisigen Ansatz: Erstens Partnerschaften – und bald werden wir Partnerschaften mit Value-Added-Resellern ankündigen, was wir bisher kaum gemacht haben. Früher lief der Großteil unseres Geschäfts direkt mit CPOs (Charge Point Operators). Zweitens fokussieren wir uns auf Flotten. Tritium war schon immer stark im öffentlichen Laden, aber Flottenladen ist jetzt ein riesiger Wachstumsbereich.

Welche Arten von Flotten sprechen Sie an?

Im Moment sind besonders Flotten für Last-Mile-Logistik, Middle-Mile, Lkw-Depots und Bus-Depots wichtig für uns. Wir haben kürzlich strategische Neueinstellungen vorgenommen und jetzt sehr kluge Leute in diesem Bereich. In allen Regionen, speziell in Europa, liegt ein großer Fokus auf Flottenladen. Darauf konzentrieren wir uns gerade.

Wo sehen Sie Tritiums größte Chancen und Risiken im europäischen EV-Lade-Ökosystem für 2026 und darüber hinaus – und wie bereiten Sie sich heute darauf vor?

Triflex wird für uns bei großen CPOs und Flottenbetreibern entscheidend sein. Dort sehen wir echte Chancen. Die Herausforderung liegt in der Wirtschaftlichkeit des öffentlichen Ladens. Nach Jahren der Euphorie, einfach nur Ladepunkte aufzubauen, geht es jetzt um die Gesamtbetriebskosten. Deshalb konzentrieren wir uns auf Services – Verfügbarkeit, gute Wartungsplanung und kurze Reparaturzeiten. Wer das gut hinbekommt, wird gewinnen. Partnerschaften spielen dabei eine wichtige Rolle.

Welche Art von Partnerschaften meinen Sie?

Wir sprechen von Distributionspartnern und Servicepartnern – traditionell Value-Added-Reseller genannt, aber eher mit dauerhaften Servicevereinbarungen. Für Infrastruktur braucht man drei Dinge: technische Diagnose, einen effizienten Versand von Ersatzteilen und Techniker, die die Ladegeräte reparieren. Wir sind stark bei Diagnose und Versand – als OEM sollten wir hier die Besten sein. Wir bieten jetzt 24/7-Fernüberwachung und können Ersatzteile innerhalb einer Woche liefern, das ist eine große Verbesserung. Techniker müssen wir nicht unbedingt selbst stellen, es sei denn, Kunden wollen das. Viele große CPOs glauben, dass sie hier direkt Mehrwert schaffen können. Partnerschaften bedeuten daher, den besten Platz für uns zu finden, ohne anderen auf die Füße zu treten. Die Herausforderung ist, alles nachhaltig so zu gestalten, dass alle Beteiligten gesund wirtschaften können. Wir brauchen Win-Win-Partnerschaften in der Branche, um Misserfolge wie in der Vergangenheit zu vermeiden.

Sie haben Triflex gerade in Europa und vor ein paar Wochen in den USA gestartet. Dort sagten Sie, das System sei MCS-fähig. Gilt das auch für Europa?

Das System ist MCS-fähig. Kunden können derzeit einen 100, 200 und 400 Kilowatt-Lader bestellen. Für einige unserer Lkw-Kunden gibt es einen 640 Kilowatt-Lader. Ein Megawatt-Lader könnte innerhalb von sechs Monaten bereit sein, falls die Nachfrage da ist. Momentan ist die Nachfrage noch nicht so groß. Aber wenn Kunden anfangen, ganze Ladeplätze auszustatten, ist das der nächste logische Schritt für uns.

Aber gerade Lkw-Hersteller wie Volvo Trucks und Daimler Truck sagen, es gebe nicht genug Infrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge.

Wir arbeiten mit allen großen Lkw-Herstellern zusammen und entwickeln die Technologie mit ihnen gemeinsam weiter. Klar, Megawatt-Laden muss kommen, und wir sind bereit dafür. Aber die aktuelle Infrastruktur ist fast schon veraltete Hardware, daher konzentrieren wir uns auf Zukunftssicherheit – etwa mit der IP65-Schutzklasse, von der wir wissen, dass sie der Standard der Branche sein wird. Unser ultra-skalierbares, dezentrales System ist ein großer Fortschritt. Außerdem werden wir technische Kooperationen mit anderen Partnern bei Schaltschränken und Leistungselektronik für Ladelösungen vertiefen.

In Europa wird der Wettbewerb im Bereich DC-Schnellladen intensiver. Was ist im Nachgang der Übernahme Tritiums Mehrwert, der Sie von etablierten und neuen Anbietern unterscheidet?

Eines hat sich nicht geändert: Tritium konzentriert sich ausschließlich auf DC-Schnellladen. Wir haben nie AC gemacht und fangen jetzt auch nicht damit an. Deshalb haben wir Triflex entwickelt – und zwar über fünf Jahre. Das ist also kein Schnellschuss im Zuge der Übernahme. Während Konkurrenten auf 400 kW oder Megawatt-Lader setzen, skaliert Triflex darüber hinaus – von zwei Ladepunkten bis zu 64 und von 400 kW bis 1,68 MW, je nach Standortbedarf. CPOs sagen, dass große All-in-One-Lader wirtschaftlich nur für vier bis sechs Stellplätze Sinn machen. Dezentrale Systeme sind auf großer Fläche viel kosteneffizienter, und wir machen das seit Jahren. Jetzt setzen wir noch stärker darauf.

Wie konkurrieren Sie mit Unternehmen wie Alpitronic?

Die machen einen hervorragenden Job weltweit. Es ist schwer, gegen sie anzutreten. Aber viele Kunden wollen nicht mehr nur einen einzigen Lieferanten, sondern mindestens zwei, falls einer ausfällt. Unsere Strategie könnte sein, den zweiten Platz zu erkämpfen, und das ist kein schlechter Platz.

Welche Veränderungen haben Sie nach der Übernahme vorgenommen oder abgelehnt, um Tritiums Identität, Agilität und Innovationskultur, besonders in der europäischen Einheit, zu bewahren?

Wir sind sehr leidenschaftlich, aber wir sind nicht grundlos bankrott gegangen. Wir müssen ehrlich zu uns sein und sagen, wir haben Fehler gemacht. Wir konzentrieren uns darauf, ein neues Unternehmen zu schaffen. Marke und Name sind da, aber wir wollen frühere Fehler nicht wiederholen. Deshalb haben wir uns Zeit genommen zu überlegen, wie ein erfolgreiches Tritium in Zukunft aussehen soll und wohin der Markt sich entwickelt. Wir glauben, dass der Markt sich wahrscheinlich noch etwas weiter konsolidieren wird. Das klingt abgedroschen, aber wir glauben wirklich, dass Kundenorientierung der richtige Weg ist. Jede Entscheidung wird mit Blick darauf getroffen, wie sie Kunden oder deren Kunden beeinflusst. Das führt zu besseren Entscheidungen, und das hat Exicom stark eingebracht.

Hat der Eigentümerwechsel Tritiums F&E- oder Produktentwicklungszyklen beeinflusst, besonders in Bezug auf europäische Vorschriften und Kundenwünsche?

Wir sind eine ziemlich integrierte Organisation. Ananth, der CEO, sieht sich als aktiver Investor und interessiert sich sehr für das Unternehmen. Gleichzeitig hat er Tritium als unabhängige Firma aufgebaut. Die F&E-Teams bleiben relativ getrennt. Exicom lernt von unserer Arbeit für seine Produkte. Exicoms größte Unterstützung betrifft im Gegenzug die Lieferkette: Als wir neu starteten, mussten wir alle Lieferanten wieder ansprechen und neue Lieferverträge schließen. Exicoms Supply-Chain-Team wurde zu unserem, und wir verhandeln jetzt neue Liefervereinbarungen, um Kunden besser zu bedienen.

Wie reagiert Tritium auf den Trend in Europa zu lokaler Produktion und Lieferketten?

Das ist keine neue Herausforderung. Tritium hat Design und Fertigung in Australien gehabt. Wir sind jetzt eher ein globales Unternehmen: F&E in Australien, Fertigung in den USA, große Supportzentren im UK und Europa. Die Herausforderung als ausländischer Anbieter in Europa ist nicht neu. Aber wir werden nicht einfach eine Fertigungsstätte in Europa aufbauen, nur um ein paar Kunden zufriedenzustellen. Wenn sich das wirtschaftlich lohnt, werden wir das tun. Aber momentan sind wir so aufgestellt. Global denken, lokal handeln ist unser Motto. Wenn wir in Schweden oder Deutschland aktiv sind, brauchen wir Leute vor Ort, die den Markt verstehen. Das machen wir sehr gut – so lokal wie möglich, aber global operierend.

Kann Tritium nochmal in die Insolvenz rutschen?

Ich glaube nicht. Wenn doch, wäre das unsere Schuld, weil wir nichts gelernt haben. Momentan steht Tritium sehr gut da – wir müssen kein Kapital aufnehmen oder uns um Schulden sorgen, finanziell sind wir solide. Und Exicom ist langfristig dabei, seit 30 Jahren im Geschäft und sieht Tritium als Teil seines globalen Wachstums. In den USA und Europa werden nur Tritium-Produkte präsent sein – und uns geht es um nachhaltigen langfristigen Erfolg zusammen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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