Bild: EnBW
HintergrundInfrastruktur

Millionenschäden: So geht die Lade-Branche gegen den Kabelklau vor

Es ist ein trauriges Phänomen, das die meisten E-Mobilisten mittlerweile kennen dürften: Man fährt eine Schnellladesäule an, kann dort aber nicht laden, weil die Ladekabel geklaut worden sind. Fast jeder CPO ist betroffen – allein beim Marktführer EnBW geht es um Hunderte beschädigte Ladestationen und einen Millionenschaden. Wir zeigen, was die Branche nun dagegen unternimmt.

Ladekabel-Diebstahl ist leider nicht mehr ganz neu: Nach vereinzelten Fällen noch vor der Corona-Krise haben solche Taten in Deutschland fast parallel zum Ausbau der Schnellladeinfrastruktur zugenommen. Bereits im Januar haben wir das Thema in einem Hintergrundartikel tiefgehend beleuchtet und aufgezeigt, wie es für viel Ärger bei Ladepunktbetreibern (CPOs) und E-Auto-Fahrern sorgt. Die Motivation solcher Diebstähle meistens: Die Schnellladekabel enthalten viel Kupfer und die Täter wollen damit Kasse machen.

Mit der EnBW, die mit über 7.000 Ladepunkten das deutschlandweit größte Schnellladenetz betreibt, ist nun erstmals einer der betroffenen CPO dazu bereit, mit der Öffentlichkeit konkrete Zahlen zu teilen. Und die haben es in sich: Allein seit Anfang 2025 hat die EnBW an rund 120 Standorten Fälle von Kabeldiebstahl verzeichnet, „in Summe haben wir einen Verlust von mehr als 750 Ladekabeln“, so eine EnBW-Sprecherin gegenüber electrive. Monetär beläuft sich der Gesamtschaden bei der EnBW mittlerweile auf den einstelligen Millionen-Bereich.

Die Rechnung kommt dabei so zustande: Jeder Diebstahl verursacht nicht nur direkte Sachschäden – mit Reparaturkosten zwischen 5.000 und 8.000 Euro pro Vorfall – sondern führt auch zu temporären Ausfällen einzelner Ladepunkte. Und ein Ausfall eines Ladepunktes steht zugleich für einen Umsatzausfall bei der EnBW, der in die Gesamtrechnung einfließt. Bei anderen Ladepunktbetreibern sieht es ganz ähnlich aus.

Lieber in Netzausbau als in Reparaturen investieren

Volker Rimpler, der als Chief Technology Officer (CTO) bei der EnBW mobility+ für den Auf- und Ausbau unserer Schnellladeinfrastruktur verantwortlich ist, sagt uns: „Kabelklau ist in jeder Hinsicht frustrierend: E-Autofahrer*innen müssen kurzfristig einen anderen Standort anfahren, um ihr Auto zu laden. Das kann zeitintensiv sein, in jedem Fall ist es einfach ärgerlich. Für uns als CPO ist es vor allem teuer: Wir haben schon jetzt einen Schaden im Millionen-Bereich. Geld, dass wir gerne in den Ausbau unserer Schnellladenetzes investieren würden und nicht in unnötig verursachten Vandalismus.“

Die EnBW zeigt jeden einzelnen Kabeldiebstahl bei der Polizei an. „Zusätzlich suchen wir den Kontakt mit den Landeskriminalämtern, um gemeinsam nach präventiven Maßnahmen zu suchen“, so Rimpler weiter, der sich zudem fragt ob sich der Diebstahl für die Täter überhaupt „lohnt“, wenn „man bedenkt, dass der reine Kupferwert eines Ladekabels geschätzt um die 50 Euro liegt“.

Alpitronic erreichen täglich Schadensmeldungen

Die EnBW nutzt in seinen Ladeparks die Schnellladestationen von Marktführer Alpitronic, dessen Geräte unter dem Namen Hypercharger bekannt sind. Für das Unternehmen aus Südtirol gehört der Ladekabel-Diebstahl mittlerweile zum traurigen Alltag. Spricht man mit Philipp Senoner, CEO und Mitgründer des Unternehmens, so betont er: „Kabeldiebstähle sind ein ernstzunehmendes Problem für die Branche. Wir sprechen hier nicht über Einzelfälle, sondern über erhebliche Schadenssummen. Im monatlichen Durchschnitt gehen täglich bei uns ca. 15 Fälle ein.“ Alpitronic beobachte das Thema europaweit, wobei es seit Juni in Deutschland eine Häufung gebe.

Ein abgeflextes Ladekabel zu ersetzen, das ist mit einigem Aufwand verbunden, wie Alpitronic-CEO Senoner betont: „Der Austausch eines Kabels muss von einem zertifizierten Techniker ausgeführt werden. Das ist vor allen Dingen zeit- und kostenintensiv – vom Versand des Kabels, der Anfahrt zum Standort bis hin zur Arbeitszeit vor Ort (ca. 1,5 Stunden).“ Was noch dazu kommt: „Da niemand mit diesen Mengen an Kabelaustausch gerechnet hat, gibt es zudem Engpässe – das sorgt für Lieferverzögerungen“, sagt Senoner.

alpitronic bozen 2024 01 min
Alpitronic-Zentrale in Bozen
Bild: Daniel Bönnighausen

Zudem macht die deutsche Bürokratie strenge Vorgaben: Beim Austausch oder der Installation neuer Ladekabel ist eine erneute eichrechtliche Instandsetzung verpflichtend. Diese Arbeiten dürfen ausschließlich von Technikern mit zusätzlichen „eichrechtskonformen Instandsetzerbefugnissen“ durchgeführt werden. Nach jedem Eingriff ist zudem eine Neueichung zu beantragen, was sowohl zusätzlichen Aufwand bei den Eichämtern als auch erhebliche Mehrkosten für die Betreiber bedeutet. In Österreich gelten vergleichbare Vorgaben.

Kabelklau fürs ganze Ökosystem ärgerlich

All diese Punkte machen deutlich, dass Kabelklau absolut ärgerlich nicht nur für E-Auto-Fahrer ist, sondern auch für das gesamte Lade-Ökosystem. Führende Player im Markt wollen sich Ladekabel-Diebstahl nicht länger gefallen lassen – und haben daher verschiedene Maßnahmen dagegen eingeleitet. Die oben erwähnte Zusammenarbeit mit Polizei und LKAs ist nur einer von vielen Punkten, die die Branche nun in Angriff nehmen.

So erläutert Alpitronic-Chef Philipp Senoner, dass sein Unternehmen „auf mehrere Maßnahmen setzt, die Kabeldiebstahl unattraktiv machen. Unser Ziel ist es, kurzfristig für schnelle Reaktion zu sorgen und mittelfristig den Anreiz zum Diebstahl durch geringeren Materialwert der Kabel zu verringern.“ Heißt: Kurzfristig hat Alpitronic ein Update für die Software seiner Ladestationen bereitgestellt, das sofort erkennen kann, wenn ein Kabel durchtrennt wird. „Das System meldet den Vorfall sofort ins Backend und löst eine Alarmkette aus – je nach Einstellung der Betreiber bis hin zur Benachrichtigung der Polizei.“

Mehr Kühlung, weniger Kupferanteil

Dies sei aber nur eine „reaktive Maßnahme“, so Senoner. Wichtig sei es daher, „die Attraktivität der Kabel selbst zu reduzieren. Derzeit liegt der Materialwert des Kupferanteils bei rund 40 Euro pro Kabel. Durch eine verbesserte Kühlung ließe sich der Kupferanteil deutlich verringern. Allerdings erfordert das Entwicklungszeit, da unter Umständen Kühlaggregate ausgetauscht oder komplett neue Lösungen gefunden werden müssen. Hier gilt es, technische Herausforderungen wie Platzbedarf und Kühlleistung und wirtschaftliche Faktoren in Einklang zu bringen.“

Schnellladestecker von Phoenix Contact
Bild: Phoenix Contact

Phoenix Contact ist führender Hersteller von Schnellladekabeln und somit ebenfalls von der Diebesmasche betroffen. Michael Heinemann, CEO von Phoenix Contact E-Mobility, unterstreicht gegenüber electrive: „Der Diebstahl von Ladekabeln hat in diesem Jahr eine neue Dimension erreicht. Was früher vereinzelt vorkam, scheint heute systematisch zu geschehen. Wir nehmen eine deutliche Häufung wahr und haben den Eindruck, dass organisierte Banden gezielt ungekühlte Kabel entwenden, da diese einen höheren Kupferanteil aufweisen.“

Mögliche Maßnahmen im Widerspruch zu Nutzerfreundlichkeit

Das Unternehmen arbeite bereits „intensiv an Lösungen zur Diebstahlsicherung – mechanisch, elektronisch und konzeptionell“, so Heinemann. „Dabei zeigt sich: Einfache Antworten gibt es nicht. Höhere Schnittfestigkeit kann die Benutzerfreundlichkeit beeinträchtigen. Und Kabelaufwickelmechanismen stehen im Widerspruch zu Plug & Charge.“ Ortsbezogene Schutzmaßnahmen würden aktuell sinnvoller sein als eine generelle Anpassung aller Kabel. „Ein pragmatischer Ansatz ist der verstärkte Einsatz gekühlter Kabel. Diese enthalten weniger Kupfer und sind dadurch weniger attraktiv für Diebe, gleichzeitig sind sie leichter und einfacher zu handhaben“, sagt Heinemann.

Weiterhin arbeitet Phoenix Contact gemeinsam mit Ladestationsherstellern und Kabellieferanten an Konzepten zur Rückverfolgbarkeit von Kabeln. „Ziel ist es, gestohlene Komponenten schneller identifizieren und die Täter überführen zu können. Wir halten dies für einen wichtigen Schritt zur Erhöhung der Abschreckung und Strafverfolgung“, begründet Heinemann.

Branchenverband CharIN bündelt Gegenmaßnahmen

Phoenix Contact, Alpitronic und EnBW engagieren sich wie andere Marktteilnehmer im Branchenverband CharIN (Charging Interface Initiative e.V.), der den Ladekabel-Diebstahl als drängendes Problem der Branche sieht und ihn bekämpft. „Durch Gespräche mit unseren Mitgliedern haben wir den Diebstahl von Ladekabeln als komplexe, vielschichtige Herausforderung identifiziert. Um dieses Problem innerhalb von CharIN umfassend anzugehen, ist eine Zusammenarbeit im gesamten Ladesystem erforderlich – eine Zusammenarbeit, die sich in unserer Mitgliedergemeinschaft aktiv widerspiegelt“, sagt Michael Keller, CTO von CharIN.

Vor kurzem trommelte CharIN daher interessierte Mitglieder zu einer Arbeitssitzung rund um den Kabeldiebstahl an Ladestationen zusammen. Das Thema entstand aus dem Feedback der Fokusgruppen „Connection“ und „Charging Infrastructure“, in denen CPOs, Kabelhersteller und Hersteller von Ladestationen ihre Besorgnis über die zunehmende Diebstahlhäufigkeit äußerten.

Bau neuer Standorte ist kritische Phase

Dabei zeigte sich, dass das Ausmaß des Kabeldiebstahls variiert: Manche Betreiber erleben nur vereinzelte Vorfälle, manche hingegen Hunderte Diebstähle. Eine besonders kritische Phase für die Ladekabel ist dabei der Bau neuer Standorte: Während der Phase der Installation und Inbetriebnahme, bevor die Überwachungssysteme aktiviert werden, sind Ladestationen dem höchsten Risiko ausgesetzt – und werden mitunter noch vor Inbetriebnahme von Dieben „entkabelt“.

Dieser EnBW-Ladepark in Leipzig wurde im Winter noch vor Inbetriebnahme „entkabelt“
Bild: Florian Treiß

Die CharIN-Mitglieder behandelten in dem Workshop diverse mögliche Gegenmaßnahmen, die sich in vier Dimensionen gliedern lassen. Im Bereich Hardware sind Schnittfeste, gepanzerte oder ummantelte Kabel interessant, weiterhin verriegelbare Steckverbinder und manipulationssichere Designs
sowie spezielle Schutzmäntel für Kabel. Im Bereich Software & Überwachung können Temperatursensoren bei der Erkennung von Schnitten helfen und es können Warnsysteme (E-Mail/SMS) bei Strom- und Kommunikationsausfällen eingesetzt werden. Weiterhin ist eine seriennummernbasierte Kabelverfolgung denkbar.

Kupferhandel einschränken, Schrottplätze sensibilisieren

Im Bereich Politik & Awareness wünscht sich CharIN Vorschriften zur Einschränkung des Kupferweiterverkaufs, zudem sollten Schrottplätze und Strafverfolgungsbehörden in Hinblick auf das Problem geschult und sensibilisiert werden. Und zur Abschreckung potenzieller Täter können Aufkleber eingesetzt werden, die vor Entdeckung warnen. Weiterhin können QR-Codes zur Zuordnung von Kabeln zu Betreibern verwendet werden und Videoüberwachung und laute Alarme können ebenfalls abschreckend wirken.

CharIN arbeitet nun in einer neuen Untergruppe der Fokusgruppe „Charging Infrastructure“ an dem Thema weiter. Der Verband will Best Practices sammeln, den branchenweiten Datenaustausch fördern und die Entwicklung globaler Empfehlungen zur Erkennung, Abschreckung und Prävention von Kabeldiebstahl an Ladestationen für Elektrofahrzeuge unterstützen.

Übrigens handelt es sich beim Ladekabel-Diebstahl längst nicht nur um ein deutsches oder europäisches Phänomen, sondern es betrifft auch andere Regionen wie die USA. Erika Myers, Geschäftsführerin von CharIN Nordamerika, erklärt: „Eine Umfrage unter unseren CPO-Mitgliedern zeigt, dass der Diebstahl von Ladekabeln für Elektrofahrzeuge in den USA nicht einheitlich ist. Einige Betreiber erleben nur vereinzelte Vorfälle, andere sind in manchen städtischen Gebieten jährlich mit Hunderten von Diebstählen konfrontiert. Um dieses vielschichtige Problem anzugehen, ist eine Zusammenarbeit im gesamten Ladesystem für Elektrofahrzeuge erforderlich.“

Wie genervt die Branche von dem Thema ist, zeigt ein System namens Dye Defender (Farbstoff-Verteidiger), das Tesla für seine Supercharger in den USA testet: Dabei werden Ladekabel mit einer speziellen Schutzhülle ummantelt, die Farbe enthält. Wenn ein Dieb versucht, diese Schutzhülle zu durchschneiden, um ans eigentliche Kabel zu gelangen, so spritzt eine Art Tinte den Täter an. Die Tinte, die nur schwer abzuwaschen ist, markiert den Täter und soll es der Polizei vereinfachen, den Täter zu überführen.

Eine Art Inkognito-Version davon ist das System von CableGuard: Es setzt ebenfalls eine Flüssigkeit frei. Diese ist aber mit bloßem Auge nicht erkennbar, sondern nur unter UV-Licht. Die Flüssigkeit enthält zudem einen für den Ladestandort spezifischen „DNA-Code“, welcher der Polizei über eine Datenbank zur Verfügung gestellt wird. Dadurch können Täter mit Straftaten an bestimmten Ladestationen in Verbindung gebracht werden, was die Verurteilung erleichtern und auch auf Nachahmer eine starke abschreckende Wirkung haben soll. Hoffen wir, das solche Maßnahmen endlich helfen gegen den nervigen Kabelklau!

3 Kommentare

zu „Millionenschäden: So geht die Lade-Branche gegen den Kabelklau vor“
Matthias
18.09.2025 um 18:14
Ich würde leicht bedienbare schwenkbare Kabelgalgen in ca. 2 Meter Höhe bevorzugen, bei denen das Kabel geschützt in Metallprofilen liegt und nur der letzte halbe Meter frei baumelt um an verschiedene Autos zu passen.
Stefan F.
18.09.2025 um 20:45
Dann wird halt ein Pritschenwagen rückwärts ran gefahren und man hat die richtige Arbeitshöhe. Mit einem Trennschleifer ist auch ein Stahlprofil in 2 min durch. Der Trick mit der Flüssigkeitskühlung ist schon gut. Integrierte GPS- Tracker könnten auch helfen.
Jörn
18.09.2025 um 21:32
- Kabel hinter einer Klappe/Luke verstecken, die erst bei Authorisierung freigeschaltet wird. Schränkt dann natürlich P&C ein.- Einrollsystem entwickeln. Bedarf natürlich flexiblere Kabel und entsprechenden Bauraum zum Verstauen.

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