Ladesäulen-Vandalismus in Chemnitz: Was über die Fälle bekannt ist

Rund um Chemnitz treibt offenbar ein Ladesäulensaboteur sein Unwesen. An mehreren Schnellladesäulen wurden die Kabel entfernt, die Stationen sind seit Tagen nicht nutzbar. Wir haben den Stand der Dinge recherchiert und erklären, warum Gegenmaßnahmen kurzfristig nur schwer umsetzbar sind.

Anfangs schien es noch ein Einzelfall, inzwischen ist es für Elektroauto-Fahrer rund um Chemnitz jedoch zu einem größeren Problem geworden: Am oder kurz vor dem 9. Juni hatten Unbekannte an einer Ladestation in der Arno-Schreiter-Straße alle drei Ladekabel abgetrennt. Aus dem Triple Charger ragten nur noch die blanken Kabel und das abgetrennte Ende des Typ-2-Kabels. Den CCS- und CHAdeMO-Anschluss hatten der oder die Täter ebenfalls mitgenommen.

Aus dem Vorfall ist im August eine traurige Serie geworden: Im Forum GoingElectric haben die Nutzer inzwischen sieben Schnellladestationen aufgelistet, an denen die Kabel in ganz ähnlicher Manier durchtrennt und entfernt wurden. Die Polizeidirektion Chemnitz bestätigte auf Anfrage von electrive.net, dass aus inzwischen fünf Anzeigen zu dem Thema aktenkundig sind. „ Als Tatzeitraum sind für alle Fälle mindestens zwei oder mehrere Tage angegeben“, so eine Sprecherin. „Sie liegen alle im Bereich vom 19.08.2019 bis 23.08.2019.“ Zudem habe es bereits eine ähnliche Anzeige im Januar diesen Jahres gegeben. Zwei weitere Anzeigen gab es bei der Polizeidirektion Zwickau für Ladestationen in Limbach-Oberfrohna.

Besonders bitter: Nach dem Vorfall im Juni, der ebenfalls angezeigt wurde, hat die Telekom als Betreiber der Ladestation die Kabel ersetzt. Im August wurden die neuen Kabel dann erneut entwendet. Auf eine Anfrage der Redaktion zu den Vorfällen hat die Telekom bislang jedoch nicht reagiert.

Dafür haben zwei andere betroffene Anbieter geantwortet: Der Energieversorger envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM) betreibt den ebenfalls betroffenen Schnelllader in Limbach-Oberfrohna. Das Unternehmen bestätigte, bei der Polizei eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet zu haben. „Da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, können wir keine weiteren Aussagen machen“, so eine Sprecherin. Die Ersatzteile seien bestellt, man könne aber noch keine Angaben zum Liefertermin und zur Wiederinbetriebnahme machen.

Ebenfalls betroffen ist die Allego-Station in der Carl-Hamel-Straße. „Entstanden ist hier ein Schaden von 4.000 bis 5.000 Euro (Kabel, Reparatur, usw.)“, teilte der Betreiber mit. „Die Ladesäule soll gegen Ende nächster Woche (Anm. d. Red.: Bis zum 8.9.2019) wieder funktionieren.“

Die von Allego genannten Kosten lassen sich jedoch nicht auf die sieben betroffenen Ladesäulen hochrechnen, da es sich um unterschiedliche Betreiber und unterschiedliche Hersteller der Ladesäulen handelt – unter anderem ABB, Delta Electronics, Efacec und Alpitronic. Auch die Polizei spricht davon, dass konkrete Schadensangaben noch nicht vorlägen.

Immerhin: Die Polizei bearbeitet die Fälle nicht einzeln, sondern im Sachzusammenhang. „Derzeit hat die Polizei keine konkreten Hinweise auf die Täter bzw. auf das Motiv der Täter“, so die Behördensprecherin. „Denkbar wären Buntmetalldiebstahl oder auch eine mutwillige Beschädigung und Unbrauchbarmachung der Ladesäulen.“

Schutz gegen solche Taten schwer umsetzbar

Unabhängig vom Motiv zeigen die Fälle, wie schwer ein Schutz gegen solche Taten ist. An Gleichstrom-Schnellladern sind die fest montierten Ladekabel aus Sicherheitsgründen stromlos – erst wenn ein Fahrzeug angeschlossen wird und sich Fahrzeug und Ladesäule verständigt haben, fließt der Strom. Ist kein Auto angeschlossen, ist das Durchtrennen der Kabel also ungefährlich. Ein Blick auf die Stationen zeigt, dass es sich um zeitweise wenig frequentierte Orte handelt – in der Chemnitzer Straße etwa eine Kaufland-Filiale, in der Carl-Hamel-Straße eine Autowerkstatt. Außerhalb der Öffnungszeiten sind beide Ladestationen meist verlassen.

Einen technischen Schutz gibt es derzeit nur an den wenigsten Ladesäulen. Nach mehreren Kupfer-Diebstählen setzt etwa die Deutsche Bahn inzwischen eine „künstliche DNA“ ein, bei der das gestohlene Material selbst nach dem Einschmelzen als Hehlerware identifiziert werden kann. Bei Ladekabeln ist das bisher nicht der Fall. Der Kabel-Hersteller Huber+Suhner gab gegenüber electrive.net an, dass man in der Lage sei, einen Vandalismusschutz zu entwickeln. „Es hängt jedoch letztlich vom Betreiber der Ladestationen ab, wie weit der Vandalismusschutz gehen soll und welche zusätzlichen Kosten er dafür bereit ist zu zahlen“, so das Unternehmen.

Bereits heute sind Ladekabel mit Produktkennzeichnungen versehen – vor allem Seriennummern, die im Fertigungsprozess den jeweiligen Ladestationen zugeordnet werden. Es wäre also theoretisch möglich, ein verkauftes Kabel dem ursprünglichen Ladesystem zuzuordnen. Der Haken: Man müsste die Seriennummer manuell überprüfen, weil das Ladekabel in der Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule passiv ist und die Daten entsprechend auch nur „passiv“ überträgt. „Allerdings kommuniziert das Kabel keine Seriennummer an das Ladesystem, an welches es angeschlossen wird“, erklärt Thomas Hering, Experte für Ladesäulentechnologie bei ABB Deutschland. „Wäre dem so, könnte man gestohlene Kabel bei Verwendung wieder ausfindig machen.“

Feststellungen der Polizei melden

Auch Allego gibt an, dass man derzeit prüfe, „ob es irgendwelche Möglichkeiten zum Schutz der Kabel gibt“. Klar ist: Auf eine schnelle Lösung ist nicht zu hoffen. Technische Änderungen an der gesamten Ladestation oder dem Kabel selbst sind teuer und zeitaufwändig – seien es Überwachungskameras, chemische Marker oder hinter einer Klappe versteckte Ladekabel.

Im Forum von GoingElectric diskutieren die Nutzer neben technischen Maßnahmen auch über soziale Kontrolle: Zeugen schrecken den oder die Täter vermutlich ab, so die Idee. „Aufrufe in entsprechenden Foren, die „Augen aufzuhalten“ und Feststellungen zu melden sind an sich nicht falsch“, sagt Polizeisprecherin Jana Ulbricht. „Die Meldung über festgestellte Beschädigungen, insbesondere bei abgeschnittenen Kabeln, sollten aber direkt an die Polizei erfolgen. Auch wer verdächtige Aktivitäten oder Personen an den Säulen bemerkt, sollte sofort die Polizei verständigen.“

Update 05.09.2019: Kaufland teilt mit, dass die beschädigte Ladesäule repariert werde und in etwa zwei Wochen wieder betriebsbereit sein soll.

Autoren: Sebastian Schaal, Daniel Bönnighausen und Stefan Köller

Bilder: allesamt von Nutzern aus dem Chemnitzer Raum

13 Kommentare

zu „Ladesäulen-Vandalismus in Chemnitz: Was über die Fälle bekannt ist“
jogi54
31.08.2019 um 21:27
Es ist Quatsch, dass man eine Videoüberwachung nicht kurzfristig hinbekommt. Für Baustellen kann man solche Anlagen innerhalb von wenigen Tagen installieren - wieso nicht auch für Ladesäulen? Wie funktionieren die? Im besten Fall haben die eine PV-Pannel + Batterie (oder ein 230VAC Anschluss, oder über Netzwerkeinspeisung) und senden per LTE (oder Netzwerk). Die Kameras können dauernd auf einen Server laufen, der die Daten nach z.B. 3Tage überschreibt - so what? Kameras gibt es ohne und mit IR Funktion (eine "Gefechtsfeldbeleuchtung" per Bewegungsmelder und 18W LED Strahler sollte ausreichen, auch ohne IR auszukommen). So etwas kann man mieten, oder sehr kurzfristig auch kaufen. LG jogi
Andreas
02.09.2019 um 13:32
In die Richtung wird es gehen. Machbar ist das. Energieunternehmen sind leider meist recht träge. Man kann auch den Bereich um die Kabel sperren, sodass man sich erst identifizieren muss mit der Stromkarte, damit man zugriff auf die Ladesäule hat.
trude
28.04.2021 um 20:52
Beste Idee ... Ein sich automatisch öffnendes Fach gibt das Kabel frei.
Simon Saag
02.09.2019 um 09:14
Kapuze auf und Kennzeichen abgeklebt, schon ist die Kamera sinnfrei. Das wurde ja auch schon bei GoingElectric geschrieben. Ja, es gibt sowas wie eine KI-basierte Gang-Erkennung. Aber dazu braucht man a) Vergleichsdaten der Täter in der Datenbank und b) bin ich mir nicht sicher, ob solche Methoden hier angewendet werden.
Hannes
31.08.2019 um 23:26
Prima, dann können die Diebinnen und Diebe die PV Panelee gleich mitklauen.Selbst wenn man die Diebinnen und Diebe erwischen sollte, wären die Strafen hierzulande alles andere als abschreckend. Das Thema Vandalismus ist generell ein riesen Problem in zivilisatorisch herausgeforderten Ländern wie unseres, eine funktionierende Lösung wird es da so schnell nicht geben können hier. Am Ende werden diese Risiken und Kosten eben auf die Kunden abgewälzt.
Andreas
02.09.2019 um 13:33
@Hannes: Wie wäre es denn mit einen besseren Vorschlag, anstatt nur die andere Idee recht generisch zu kritisieren?
Berliner-Ansichtskarte
10.09.2019 um 20:25
Zaun drumrum? Ja warum denn nicht eine Trumpsche Mauer? Platz findet sich sicher irgendwo in den Städten. Wenn man die Jungens bekommen will, helfen schlicht Kameras. Dann bekommt man auch das Motiv raus. Kupferdiebe sind das eher nicht. Preis liegt bei 60ct pro kg abzüglich Hehlermarge. Da ist ja Flaschen sammeln einträglicher, ich meine sogar die normalen zu 8ct.
Igor
16.09.2019 um 14:50
Man kann auch was kritisieren, ohne gleich einen besseren Vorschlag präsentieren zu müssen.
Michael
02.10.2019 um 09:04
Das finde ich nicht!. Kritik ist immer einfach, ein Verbesserungsvorschlag macht mehr Sinn. Aber dafür reicht's bei den meisten halt nicht.
Christian
23.09.2019 um 09:22
Wieso nicht den Nutzer das Kabel mitbringen lassen und nur Steckdosen verbauen? In Hamburg sind so 80% aller Ladepunkte ausgestattet. Also ein Typ2Kabel dabei haben und gut ist es.Bei CCS wird es dafür sicher auch eine Lösung geben. Oder, da ab >100KW sowieso eine Kühlung in das Kabel muss, hier auch gleich einen Hochvoltschutz einbauen. Sowas wie einen internen Kreislauf innerhalb des Kabels mit 10000V. Viel Spass beim Durchschneiden.Eine andere Lösung wäre, wenn das Kabel aufgerollt oder hinter eine Klappe ist und erst durch App oder RFID freigegeben wird.Viel besser wäre es, wenn wir alle öfter mal hinschauen und auch handeln, wenn wir unrechte Dinge sehen bzw. Täter beobachten. Sonst machen auch alle Videos von Unfallopfern oder anderen Dingen. Nur bei Zivilcourage, da will keiner was gesehen haben. Gutes Beispiel: Wie oft hört man eine Autoalarmanlagen vor der Tür und keiner schaut mal dort hin....Nicht immer die Anderen, sondern WIR SELBST können was TUN!
Torsten
23.09.2019 um 11:56
Geschäftsidee: Lasst Tex-Lock nen schnittfesten Überzieher fürs Kabel entwickeln :-)
Electrive_fan
25.09.2019 um 01:34
Skunk lock Lösung: Im Kabelinnere ein Reizgas oder anderes Gas einlassen. Durchschneiden führt zu erbrechen.
Strauss
25.09.2019 um 09:22
Dieses Vergehen zeigt doch ein Interesse an E Autos. Verbrennerfahrer sollten sich davon nicht abschrecken lassen. Diebe werden wohl kaum mit Baustellenfahrzeugen aufkreuzen. Also auf drei verschiedenen hohen Masten Kameras aufstellen. die können schlecht auf einmal alle 3 umlegen bevor sie ertappt werden. Gegen solche braucht es Fallen wie gegen Mäuse im Feld...……….

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