
„Die Förderung hilft, ist aber nicht gezielt genug.“ – Sandra Wappelhorst und Jan Dornoff vom ICCT
Mindestens 3.000 Euro, unter Umständen aber bis zu 5.000 Euro Kaufprämie für ein E-Autos soll es im kommenden Jahr für einkommenschwächere Haushalte geben – so hat es die schwarz-rote Koalition beschlossen. Die Förder-Details stehen zwar noch nicht fest und der Bund muss sich noch grünes Licht aus Brüssel einholen, die nächste bundesweite Elektroauto-Förderung nach dem Umweltbonus nimmt aber Gestalt an.
Da auch die deutschen Autobauer zunehmend bei den Elektro-Kleinwagen vertreten sind – Opel hat schon den Frontera Electric und bei VW steht 2026 die große E-Kleinwagen-Offensive an –, könnten davon auch deutsche Unternehmen profitieren. Gebaut werden die günstigen E-Autos aber im Ausland. Kann die neue Förderung dem Markt einen kräftigen Impuls geben? Oder verpufft die Förderung, weil ohnehin gebotene Rabattaktionen der Hersteller dann durch Steuergelder ersetzt werden?
Und welche Auswirkungen hat es auf Industrie und Verbraucher, wenn Bundeskanzler Friedrich Merz sich auf EU-Ebene für „hocheffiziente Verbrenner“ stark macht? Einschätzungen dazu im electrive-Interview geben Sandra Wappelhorst und Jan Dornoff vom ICCT.
Frau Wappelhorst, die Bundesregierung hat eine neue E-Auto-Kaufförderung beschlossen. Auch wenn noch nicht alle Details stehen, wird es auf 3.000 bis 5.000 Euro Zuschuss für Haushalte mit geringem bis mittlerem Einkommen hinauslaufen. Welche Auswirkung erwarten Sie auf die deutsche Elektroauto-Nachfrage 2026?
Die Förderung hilft, ist aber nicht gezielt genug. Sie löst das grundsätzliche Erschwinglichkeitsproblem bei kleinen E-Autos nicht und die Einbeziehung von Plug-in-Hybriden könnte die Wirkung verwässern:
- Auch in den mittleren Preissegmenten ist der Unterschied zwischen Verbrennern und E-Autos oft ähnlich groß, sodass die Förderung am Ende eher größere, teurere E-Autos begünstigt. Ohne eine Preisobergrenze werden auch hochpreisige Modelle gefördert, was das Ziel einer besseren Erschwinglichkeit abschwächt.
- Die erwartete Wirkung der Förderung auf die Nachfrage nach kleinen E-Autos ist zwar positiv, aber eher begrenzt. Die Fahrzeuge bleiben teuer, und Anspruchskriterien sind zu weit gefasst.
- Die Einbeziehung von Plug-in-Hybriden lenkt Fördermittel auf eine Technologie, die in der realen Nutzung eine schlechte CO₂-Bilanz aufweist und bereits stark nachgefragt wird. PHEVs verkaufen sich in Deutschland bereits gut, sodass die Förderung eher den Markt für eine Übergangstechnologie stärkt, statt den Umstieg auf erschwingliche kleine E-Autos zu beschleunigen.
- Die Einkommensgrenze von 80.000+ Euro liegt deutlich über dem jährlichen durchschnittlichen Bruttoeinkommen privater Haushalte und setzt damit eher hoch an. Dadurch könnte die Förderung zu breit gestreut sein, während sie sich beispielsweise beim Social Leasing in Frankreich gezielt auf die unteren 50 Prozent der Einkommen beschränkt.
- Die Förderung von 3.000 bis 5.000 Euro reicht nicht aus, um die Preislücke von rund 9.000 Euro zwischen kleinen Verbrennerautos (ca. 28.000 Euro) und kleinen E-Autos (ca. 37.000 Euro) zu schließen.
Der ZDK lobt, dass Elektroautos beim Kauf und beim Leasing gefördert werden und kein reines Social-Leasing nach französischem Vorbild beschlossen wurde. Die Logik: Nach dem Ende des Leasing-Zeitraums würden (ohne erneute Förderung) wohl wieder viele Haushalte auf Verbrenner umsteigen. Teilen Sie diese Befürchtung oder werden die Leasing-Autos nicht junge und bezahlbare Gebrauchtwagen?
Die Befürchtung, dass nach Ablauf von E-Auto-Leasingverträgen viele Nutzer:innen wieder auf Verbrenner umsteigen, lässt sich empirisch nicht bestätigen. Daten aus unserem ICCT-Monitor „Elektromobilität und soziale Teilhabe“ zeigen, dass 84 Prozent der privaten Halter:innen, die 2022 von einem Elektroauto auf ein neues Fahrzeug wechselten, erneut ein E-Auto gewählt haben. Der Wechsel zurück zu einem Verbrenner ist damit die Ausnahme, nicht die Regel. Dieses Muster gilt unabhängig davon, ob es sich um Neu- oder Gebrauchtfahrzeuge handelt. Gleichzeitig ist die Bindung an den Verbrenner deutlich geringer: Benzin- und insbesondere Diesel-Fahrer:innen entscheiden sich beim Fahrzeugwechsel immer seltener wieder für einen Verbrenner.
Geleaste Fahrzeuge gelangen nach Ablauf des Vertrags zudem schneller wieder in den Markt, wodurch das Angebot an jungen Gebrauchtwagen steigt. Dies erleichtert den Zugang zu E-Autos für eine breitere Käuferschicht und unterstützt die Marktdurchdringung. Leasingfahrzeuge tragen somit erheblich dazu bei, die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Elektroautos zu erhöhen.
Der vorige Umweltbonus hat den Markt stark geprägt. Mitnahme-Effekte haben zu Nachfrage-Spitzen geführt und nach dem vorzeitigen Förder-Ende ist der Markt erst einmal eingebrochen. Droht mit der neuen Förderung Ähnliches? Oder fallen diese Effekte wegen der eingeengten Zielgruppe geringer aus?
Erfahrungsgemäß reagieren Käufer:innen sehr sensibel auf politische Ankündigungen. Studien und Marktdaten aus Deutschland und anderen Ländern zeigen, dass sowohl die Einführung als auch das Auslaufen von E-Auto-Förderprogrammen zu deutlichen Verschiebungen im Kaufverhalten führen. Bereits die Aussicht auf eine neue E-Auto-Kaufförderung führt häufig zu einer Abwartehaltung. Kurzfristig, bevor die Förderung verfügbar ist, ist also eher mit einer stabilen Nachfrage zu rechnen. Sobald das Programm startet und die konkreten Bedingungen gelten, ist von einer erhöhten Nachfrage nach E-Autos auszugehen.
Die Sorge, dass eine stärker eingegrenzte Zielgruppe die Nachfragespitzen der Vergangenheit abschwächen könnte, lässt sich durch internationale Beispiele wie die Social-Leasing-Programme in Frankreich oder Washington State widerlegen. Trotz klar definierter Zielgruppe – Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen – kam es in beiden Fällen zu sehr hoher Nachfrage: Die Programme mussten vorzeitig beendet werden, da die Fördermittel vollständig ausgeschöpft waren. Das zeigt: Auch bei einer eingegrenzten Zielgruppe kann die Nachfrage stark steigen, sobald attraktive Konditionen vorhanden sind.
Mit der Förderung für Haushalte mit geringem bis mittlerem Einkommen dürften in der Praxis wohl eher günstigere Modelle gefördert werden, auch wenn bisher von keiner Preisobergrenze bei den Fahrzeugen die Rede war. Gerade im Budget-Bereich und bei den Elektro-Kleinwagen ist die deutsche Autoindustrie noch nicht gut aufgestellt. Droht also ein Szenario wie bei der Abrwackprämie, bei der vor allem Kleinwagen ausländischer Hersteller mit Steuergeldern bezuschusst wurden?
Nein, die Situation ist nicht direkt vergleichbar. Deutsche Hersteller können hier profitieren: Volkswagen hat bereits erschwingliche E-Auto-Modelle angekündigt und bewegt sich auf das 25.000-Euro-Segment (ID. Polo) zu. Der Wettbewerb sowohl mit europäischen als auch mit außereuropäischen Herstellern wird intensiv sein.
Die zentrale Frage ist aus unserer Sicht weniger, ob ausländische Unternehmen profitieren – sondern ob es Europa insgesamt gelingt, eine wettbewerbsfähige Industrie und einen Massenmarkt für E-Autos aufzubauen. In diesem Zusammenhang wäre eine gezieltere Förderung sinnvoll gewesen: Ohne Fahrzeugpreisobergrenze und mit der Einbeziehung von Plug-in-Hybriden besteht die Gefahr, dass eher teurere PHEVs aller Hersteller subventioniert werden, statt den Übergang zu erschwinglichen kleinen E-Autos zu beschleunigen.
Eine zielgerichtetere Ausgestaltung hätte den Anreiz für inländische Hersteller verstärkt, kostengünstige E-Autos schneller auf den Markt zu bringen, und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit Europas insgesamt unterstützt.
Derartige Kaufprämien landen in der Praxis oft nicht unmittelbar beim Kunden, sondern werden von den Unternehmen mit „eingepreist“. Oder es werden Rabatte, die Hersteller und Handel ohnehin gewährt hätten, nicht vom Unternehmen getragen, sondern durch Steuergelder querfinanziert. Lässt sich so etwas in den Förder-Bedingungen überhaupt vermeiden?
In der Praxis kann es tatsächlich schwierig sein, vollständig zu verhindern, dass Kaufprämien zumindest teilweise im Verkaufspreis „eingepreist“ werden oder bestehende Rabatte teilweise durch die Förderung ersetzt werden. Hersteller und Händler kalkulieren oft dynamisch, sodass ein Teil der Prämie den Unternehmen zugutekommen kann. Förderbedingungen können dies begrenzt steuern, etwa durch Vorgaben wie maximal förderfähige Fahrzeugpreise, verbindliche Rabattregelungen oder Nachweise, dass die Prämie tatsächlich an die Endkund:innen weitergegeben wird.
Das ICCT arbeitet aktuell an einer detaillierten Studie zu den Preisentwicklungen von E-Autos in Deutschland, die bald veröffentlicht wird. Eine eventuelle Folgestudie mit Daten für 2026 wird zeigen, ob die Listenpreise steigen, sobald die Förderung greift. Aufgrund der Transparenz des Marktes wäre ein solches Verhalten schnell erkennbar, und die Politik könnte entsprechend reagieren.
Herr Dornoff, kommen wir zum zweiten wichtigen Beschluss der Koalition, der gemeinsamen Position von Union und SPD zum „Verbrenner-Aus“. Dass sich die Regierung nicht nur für rein elektrische Antriebe stark machen will, hatte sich ja schon lange abgezeichnet. Viele hatten erwartet, dass sich die Regierung für elektrifizierte Antriebe wie Plug-in-Hybride und Range Extender stark macht. Wie bewerten Sie, dass auch „hocheffiziente Verbrenner“ erlaubt bleiben sollen?
Der durchschnittliche tatsächliche Verbrauch von Plug-In-Hybriden war in den Jahren 2021-2023 mit ca. 5,9 Litern Benzin/100km nur geringfügig niedriger als der Verbrauch von 7,1 Litern Benzin/100km von verbrennungsmotorischen Fahrzeugen. Um die Verbraucher nicht in die Irre zu führen ist es erforderlich, dass sich die hohen Verbräuche auf der Straße auch in den offiziellen Verbrauchsangaben widerspiegeln. Dafür ist die zweistufige Korrektur des Plug-In-Hybrid-Nutzungsfaktors, die für 2025 und 2027 vorgesehen ist, unumgänglich.
Im Vergleich zu elektrischen Antrieben ist der Begriff „hocheffizient“ im Zusammenhang mit Verbrennern unpassend; aufgrund ihres prinzipbedingt geringen Wirkungsgrads verbrauchen selbst die effizientesten Verbrenner mehr als dreimal so viel Energie wie Elektrofahrzeuge. Und auch die besten Voll-Hybride verbrauchen mehr als zweieinhalbmal so viel Energie. Und das, obwohl wir technisch gesehen bereits sehr nah an der maximalen Effizienz sind, die Verbrennungsmotoren erreichen können: Jahrzehnte schrittweiser Verbesserungen haben die Motoren an ihre thermodynamischen Grenzen gebracht, und es ist keine Revolution in Sicht, die das grundsätzliche Prinzip der Motoren und damit das CO₂-Profil verändern würde. Effiziente Verbrennungsmotoren sind auch kein Alleinstellungmerkmal der europäischen Hersteller – ähnliche Wirkungsgrade haben auch Hersteller aus anderen Ländern erreicht. Schließlich gelten die Gesetze der Thermodynamik überall – auch für die deutschen Hersteller.
Die Einbeziehung der sogenannten „hocheffizienten Verbrenner“ in die Diskussion um die 2035-Regulierung schafft daher Unklarheit für Verbraucher und Hersteller, schwächt das langfristige politische Signal und droht, Europa auf einen Kurs zu bringen, der nicht mit der globalen Entwicklung hin zu E-Autos übereinstimmt.
Hilft eine Aufweichung der seit Jahren bekannten Ziele der europäischen Autoindustrie? Oder wird eher die lange geforderte Planungssicherheit zerstört? Den finanziellen Schaden haben die Unternehmen, die im Vertrauen auf das 2035er CO2-Ziel viel Geld investiert haben.
Wir halten eine weitere Aufweichung der CO2-Ziele für nicht erforderlich, da die meisten Hersteller die ab 2025 geltenden Zielwerte schon erreichen oder in deren Reichweite sind. Dennoch wurde schon im Frühjahr 2025 die CO2-Regulierung abgeschwächt, so dass die CO2 Emissionen pro Hersteller nicht jedes Jahr 2025-2027 unter dem Zielwert liegen müssen, sondern nur im Durchschnitt über diese drei Jahre. Ein Festhalten am Verbrennungsmotor verschiebt nur die notwendige Transformation und kann dazu führen, dass Hersteller aus anderen Regionen ihren technologischen und damit Wettbewerbs-Vorsprung im Bereich der Elektromobilität weiter ausbauen.
.“ – Sandra Wappelhorst und Jan Dornoff vom ICCT
Frau Wappelhorst, Herr Dornoff, vielen Dank für das Interview!





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