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Bilder: BMW / Montage: electrive

EU-Kommission weicht CO2-Ziele auf – ein bisschen

Bis zur letzten Minute wurde über die genauen Inhalte des „Auto-Pakets“ der EU-Kommission verhandelt. Tatsächlich wird das einst fixe CO2-Ziel für 2035 abgeschwächt, aber mit einigen wichtigen Auflagen und Zusatz-Regelungen versehen. Wir fassen zusammen, was beschlossen wurde, umreißen die Auswirkungen und halten fest, wo noch entscheidende Informationen fehlen.

Etwas war anders an diesem Dienstag. Wenn die EU-Kommission Vorschläge für politische Vorhaben mit hoher Tragweite vorstellen will, kursieren in den Tagen und Stunden vor der Bekanntgabe meist schon mehr oder weniger vollständige Entwürfe des Gesetzespakets in den einschlägigen Kreisen. Beim „Auto-Paket“ hingegen nicht, seit dem Vorstoß von EVP-Politiker Manfred Weber in der vergangenen Woche, wonach der CO2-Ausstoß 2035 nur um 90 und nicht um 100 Prozent gesenkt werden soll, ist es ruhig in Brüssel geworden. Auffällig ruhig.

Das hat einen einfachen Grund: Es gab offenbar bis zur letzten Minute keinen finalen Entwurf, der hätte rumgereicht werden können. Bis zuletzt wurde hinter verschlossenen Türen über die Details verhandelt, selbst innerhalb der Kommission gab es bei vielen Details keine echte Einigkeit. Es hatte sich zwar schon abgezeichnet, dass das ursprüngliche CO2-Ziel der Kommission für 2035 aufgeweicht wird. Wie stark, mit welchen Maßnahmen und welchen Einschränkungen, das stand bis zuletzt nicht genau fest.

Was die EU-Kommission dann tatsächlich in Straßburg am Sitz des EU-Parlaments vorgestellt hat, entspricht zwar in Grundzügen dem, was Weber vergangene Woche angekündigt hat: für 2035 wird als CO2-Reduktionsziel 90 Prozent im Vergleich zu 2021 festgelegt, was de facto einem CO2-Flottenausstoß von elf Gramm pro Kilometer entspricht – anstatt null Gramm. Auch ein Datum für das 100-Prozent-Ziel nennt die Kommission nicht, ebenfalls wie von Weber angekündigt. Die EU-Kommission geht davon aus, dass das zur Folge hat, dass nach 2035 noch 27 bis 29 Prozent der Neuzulassungen über einen Verbrennungsmotor verfügen.

Phyrrussieg für Verbrenner-Anhänger?

Und es bleiben nicht nur Plug-in-Hybride und Fahrzeuge mit Range Extender nach 2035 erlaubt, sondern auch Mildhybride und reine Verbrenner – das sieht nach einem klaren Erfolg für konservative Kräfte wie Weber und Bundeskanzler Friedrich Merz aus. Es folgt jedoch direkt das große Aber: Es gibt Auflagen, die Weber nicht erwähnt hat. Und die könnten und werden diesen „Erfolg“ in der Praxis enorm einschränken.

Denn die CO2-Emissionen, die die neuen Verbrenner nach 2035 noch verursachen, müssen kompensiert werden. Geplant ist ein Credit-System, mit dem die Hersteller ihre nach 2035 verkauften Verbrenner, Plug-in-Hybride und Range Extender ausgleichen müssen – etwa über grünen Stahl aus der Europäischen Union in ihren Autos oder klimaneutrale Kraftstoffe wie Biosprit oder die umstrittenen E-Fuels. Bis zu drei Prozent des Referenzziels von 2021 (oder anders ausgedrückt 30 Prozent der noch erlaubten Emissionen) können über die sauberen Kraftstoffe angerechnet werden, beim grünen Stahl sind es 7 Prozent des Referenzziels oder 70 Prozent der noch erlaubten Emissionen.

Es ist aber unklar, wie streng genau die Vorgaben in der Praxis ausfallen werden. Denn ob ein Autobauer 2035 tatsächlich grünen Stahl in seinen Autos verbauen und diese mit E-Fuels betreiben kann, hängt auch stark von der Verfügbarkeit von grünem Stahl und besagten sauberen Kraftstoffen in 2035 ab. Und von deren Kosten. Und wer sich folglich solche Fahrzeuge nach 2035 leisten kann.

Kleine E-Autos werden bevorteilt

Konkreter wird es hingegen bei anderen Punkten: Über sogenannte „Super Credits“ sollen kleine und preiswerte E-Autos besonders gefördert werden. E-Autos, die kürzer als 4,20 Meter sind, werden also bei der Berechnung der Flottenemissionen eines Herstellers stärker gewichtet. Praktisch ausgedrückt: Ein verkaufter ID. Polo würde bei der Berechnung der Flottenemissionen von VW nicht als ein Fahrzeug gezählt, sondern wie 1,3 Fahrzeuge. „Dies wird Anreize für die Markteinführung von mehr kleinen Elektrofahrzeugmodellen schaffen“, teilt die Kommission mit. Dieser Vorschlag soll wohl auf Spanien und Frankreich zurückgehen. Beide Länder hatten sich schon im Herbst für die Beibehaltung des 2035er CO2-Ziels mit nur etwas zusätzlicher Flexibilität ausgesprochen und wollen lieber über Maßnahmen wie die Super Credits E-Autos fördern.

Wie schon bei der CO2-Regulierung ab 2025 wird zudem der Weg zu dem angepassten 2035er Ziel etwas flexibler gestaltet. Konkret geht es um das ehemals feste Zwischenziel für 2030, das analog zur aktuellen Regelung von 2025 bis 2027 gestreckt werden dürfte. Statt feste Jahresziele zu erreichen, sollen die Hersteller die Zwischenziele über den Zeitraum von 2030 bis 2032 erreichen müssen – liegen sie 2030 noch darüber, hätte das nicht unmittelbar Strafzahlungen zur Folge. Es gibt dann noch die Möglichkeit, die Zielverfehlung über eine größere Einsparung in den Folgejahren auszugleichen. „Eine zusätzliche Flexibilität wird für das Transportersegment gewährt, in dem die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen strukturell schwieriger war, wobei das CO2-Ziel für 2030 von 50 % auf 40 % gesenkt wird“, so die Kommission.

Neu ist zudem, dass die EU-Kommission den Mitgliedsländern ab 2030 konkrete Vorgaben für den Elektrohochlauf von Dienstwagen machen will – und zwar für jedes Land andere Vorgaben. „Um die Einführung emissionsfreier und emissionsarmer Fahrzeuge durch große Unternehmen zu unterstützen“, wie es offiziell heißt. Große Unternehmen werden gemäß der Richtlinie 2013/34/EU definiert . Aber: Wie die EU-Länder ihre Vorgaben umsetzen, will Brüssel den Mitgliedsstaaten überlassen. Als Vorbild gilt aber die erfolgreiche Firmenwagen-Besteuerung in Belgien, die dort zu stark steigenden Elektroauto-Verkäufen geführt hat. Wie Deutschland das umsetzen wird, ist natürlich noch offen. Dienstwagen-Privilegien für E-Autos dürften aber wohl eher zunehmen.

„Mehr emissionsfreie und emissionsarme Fahrzeuge auf dem Markt, sowohl für Erst- als auch für Gebrauchtfahrzeuge, werden allen Kunden zugutekommen. Da die Autos der Unternehmen höhere Jahreskilometer zurücklegen, bedeutet dies auch mehr Emissionsreduktionen. Außerdem werden emissionsfreie oder emissionsarme Fahrzeuge und ‚Made in the EU‘ zu einer Vorbedingung für Fahrzeuge, die finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln erhalten“, so die Kommission. 60 Prozent der neuen Autos und 90 Prozent der neuen Vans werden auf Unternehmen zugelassen – der Hebel ist also groß.

Der „Bild“-Zeitung liegt angeblich eine Liste der Kommission vor, in dem für Deutschland eine E-Auto-Quote von 100 Prozent für Großkunden im Jahr 2035 festgehalten wird – ebenso für Frankreich, Finnland, Österreich, Schweden, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg und die Niederlande. Für Spanien soll die Quote bei 66 Prozent liegen, für Bulgarien etwa bei 32 Prozent. Die Quoten sollen laut dem Handelsblatt abhängig von Wirtschaftskraft und dem bisherigen Elektroanteil festgelegt werden.

Eine 100-Prozent-Quote hier hätte zur Folge, dass Großkunden (also größere Konzerne und auch Autovermieter) nur noch Elektroautos beschaffen und neu zulassen dürften. Zwischenzeitlich war für Firmenkunden schon eine 100-Prozent-Quote ab 2030 im Gespräch. Das kommt so aber nicht – sondern fünf Jahre später und auch nur für Großkunden. Das Flottenkunden-Ziel für 2030 soll für Deutschland bei 54 Prozent liegen, wie es heißt. Fuhrparks kleiner und mittelgroßer Unternehmen sind ausgenommen.

Neue CO2-Regulierung auch bei den E-Lkw

Außerdem will die EU-Kommission 1,8 Milliarden Euro für einen „Battery Booster“ bereitstellen, mit dem eine „vollständig in der EU hergestellte Batterie-Wertschöpfungskette“ beschleunigt werden soll. Geplant sind unter anderem zinslose Darlehen für Zellhersteller und unterstützende politische Maßnahmen. „Diese Maßnahmen werden die Kostenwettbewerbsfähigkeit des Sektors verbessern, vorgelagerte Lieferketten sichern und eine nachhaltige und widerstandsfähige Produktion in der EU unterstützen, was zur Abscheu vor den marktbeherrschenden Akteuren auf dem Weltmarkt beiträgt“, heißt es.

Nicht nur im Batterie-Bereich, sondern für die ganze Autobranche sollen die bürokratischen Vorgaben angepasst werden. Damit soll der Verwaltungsaufwand für die Unternehmen sinken, das Einsparpotenzial beziffert die Kommission mit 706 Millionen Euro jährlich. Unter anderem wird vorgeschlagen, die Zahl der in den kommenden Jahren verabschiedeten sekundären Rechtsvorschriften zu verringern und die Tests für neue Personenkraftwagen und Lastkraftwagen zu straffen.

Die Kommission schlägt außerdem eine gezielte Änderung der CO2-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge vor, mit der die Einhaltung der Ziele für 2030 flexibler gestaltet werden kann – nennt aber noch keine Zahlen. „Die gezielte Änderung ermöglicht es den Herstellern, in den Jahren vor 2030 mehr Emissionsgutschriften zu sammeln als in der geltenden Verordnung. Während die Verordnung es den Herstellern derzeit nur dann erlaubt, Gutschriften zu erhalten, wenn ihre CO2-Emissionen unter einem linearen CO2-Emissionsreduktionspfad liegen, könnten sie mit dem Vorschlag Gutschriften erstellen, sobald ihre CO2-Emissionen unter ihrem jährlichen CO2-Emissionsziel liegen“, so die Kommission.

„Die Zukunft ist elektrisch“

Der Hintergrund all dieser Anpassungen und Regelungen ist klar: Die europäische Autoindustrie steht nicht nur vor einem großen technologischen Wandel, sondern auch vor einem harten Wettbewerb – „von beispielloser Geschwindigkeit und Größenordnung“, wie die EU festhält. „Daher ist es äußerst wichtig, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sicherzustellen und sie beim Übergang zu sauberer Mobilität und bei der Dekarbonisierung des Straßenverkehrs zu unterstützen.“ Der EU-Strategiedialog mit der Autobranche in diesem Jahr hat den Unternehmen die Möglichkeit gegeben, ihre Positionen und Bedürfnisse in Brüssel klarzumachen. Die Kommission hat daher das ohnehin vereinbarte Review der Regelungen um ein Jahr vorgezogen und kommt der Branche mit etwas mehr Flexibilität entgegen. Von ihrem bisherigen Kurs weicht die Kommission dabei ab – aber nur ein kleines bisschen.

Das Maßnahmenpaket wird seitens der Kommission auch als „die erste Industriestrategie für die Automobilindustrie“ bezeichnet. „Sie sorgt für Klima-, Industrie- und Wirtschaftskohärenz. Sie umfasst Elemente und Voraussetzungen für eine zukunftssichere, saubere und wettbewerbsfähige Automobilbranche und ermutigt die Hersteller, weiterhin in emissionsfreie Fahrzeuge zu investieren“, heißt es in einem Q&A zu dem „Auto-Paket“. „Sie bietet mehr Flexibilität und Technologieneutralität bei den CO2-Normen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge und eine gezielte Flexibilität für schwere Nutzfahrzeuge, um unsere Klimaziele zu erreichen, und unterstützt die Einführung emissionsfreier und emissionsarmer Fahrzeuge in Unternehmensflotten. Die Zukunft ist elektrisch.“

Wie es weiter geht

Der alles entscheidende Punkt ist aber: Aktuell sind all die hier genannten Änderungen nur Vorschläge der EU-Kommission und noch keine finale Regelung oder ein Gesetz. Um das „Auto-Paket“ durchzubringen, muss zum einen das EU-Parlament zustimmen (hier ist Webers EVP die größte Fraktion), zum anderen müssen die Mitgliedsstaaten im EU-Rat grünes Licht geben.

Und Letzteres ist alles andere als sicher: Das „Auto-Paket“ wurde von der Kommission wohl so weit gefasst, um möglichst vielen Ländern etwas anzubieten. Neben Deutschland hatten sich sechs weitere EU-Länder (alle mit eher geringerem Elektroauto-Anteil an ihren Neuzulassungen) für eine Abschwächung der CO2-Ziele und pro Verbrenner stark gemacht. Andere Länder, etwa Spanien, Frankreich, Dänemark und Belgien, verfolgen einen deutlich ambitionierteren Elektro-Kurs.

Im EU-Parlament reicht eine einfache Mehrheit, im EU-Rat ist eine sogenannte „qualifizierte Mehrheit“ nötig. Es bräuchte die Zustimmung von mindestens 15 Ländern, die zusammen wenigstens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen.

Und das ist eben alles andere als sicher. Änderungen an dem „Auto-Paket“ sind also möglich, aber auch ein komplettes Scheitern. Und in diesem Fall gilt dann weiterhin das 2023 beschlossene Ziel: Null Gramm CO2 ab 2035!

ec.europa.eu (Mitteilung), ec.europa.eu (Q&A), ec.europa.eu (Factsheet), handelsblatt.com, bild.de

1 Kommentar

zu „EU-Kommission weicht CO2-Ziele auf – ein bisschen“
Peter
16.12.2025 um 19:10
Ich meine die Regelung sind doch fast egal, denn das große Signal ist ja: Wir passen einfach so lange an, bis Wirtschaft und rechte Politik glücklich ist. Und das kann jederzeit sofort wieder passieren .Damit gibt es weiterhin keinerlei klare Linie und eigentlich muss sich nun niemand mehr für Klimaschutz bemühen, denn man muss stets befürchten, dass die Regeln jederzeit zugunsten derjenigen geändert werden, die sich nicht für Klimaschutz interessieren.Und dieses Signal ist die eigentliche Katastrophe. Nicht wie viel Gramm wann wie wo ausgestoßen werden. Denn das kann alles morgen wieder komplett anders aussehen.

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