Investitionsfreudige Fahrschule im eMobility-Umbruch

Während viele Unternehmen längst handeln, tun sich Fahrschulen mit dem Thema Elektromobilität schwer. Ein Branchenvertreter, der sich vor Investitionen nicht scheut, ist die Fahrschule Zöllner mit Hauptsitz in Lemgo. Dort können Fahrschüler ihre Führerscheinprüfung in einem von zehn VW ID.3 ablegen.

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Mit sechs Standorten in Norddeutschland gehört die Fahrschule Zöllner zu den größten ihrer Art in der Bundesrepublik. Neben Lemgo ist die inhabergeführte Firmengruppe in Detmold, Bielefeld, Minden, Hannover und Berlin präsent. Das klassische Fahrschulgeschäft ist das eine Standbein des mittelständischen Unternehmens. Davon abgesehen bietet Zöllner auch spezielle Kraftfahrer-Aus- und Weiterbildungen an und bildet selbst Fahrlehrer aus. Auf seiner Webseite bezeichnet sich das Unternehmen als „größte Fahrschule Deutschlands“.

Inhaber Dr. Harald Pohlmann hat sich entschieden, das Thema Elektromobilität offensiv anzupacken und unter Ausschöpfung der aktuellen Förderprogramme 16 Elektroautos geleast. Sechs Renault Zoe als Poolfahrzeuge für die 120 Mitarbeiter und zehn VW ID.3 als Schulungsautos. Pohlmann selbst fährt einen Mercedes mit Hybridantrieb als Dienstwagen. Außerdem engagiert sich die Fahrschule bei der Berliner „Agentur für Elektromobilität“, kurz Emo. „Unser Ziel ist es, Fahrschüler in modernen Fahrzeugen zu schulen und Lust auf neue Antriebe zu machen“, schickt er vorneweg. Die Fahrweise zwischen Elektroautos und dem Gros der Verbrenner unterscheidet sich schon deshalb stark, weil Elektroautos mit Automatikgetriebe fahren. Bei Zöllner gibt es seit der Anschaffung der E-Autos keine Automatikautos mit Verbrennermotor mehr.

Die Nachfrage nach Fahrstunden im Elektroauto steigt langsam, wenn auch weniger ausgeprägt, als man angesichts der jungen „Friday for Future“-Generation denken könnte: „Unter den jungen Leuten ist Elektromobilität kaum ein Thema“, so Pohlmann. „Nachgefragt werden die ID.3 weniger wegen ihres Elektromotors, sondern weil sie Automatikfahrzeuge sind.“ Rückenwind könnte es dadurch geben, dass der Gesetzgeber mittlerweile die angekündigte Automatikregelung auf den Weg gebracht hat. Demnach können ab 1. April 2021 Fahrschüler ihre Prüfung auf einem Automatikfahrzeug absolvieren, aber später dennoch Schaltfahrzeuge fahren, wenn sie vorher mindestens zehn Übungsfahrstunden auf einem Schaltwagen absolviert haben.

Die Anschaffung von Elektroautos und Ladeinfrastruktur hat sich Pohlmann einiges kosten lassen. Allein für die AC-Ladegeräte an den verschiedenen Standorten der Fahrschule blätterte das Unternehmen rund 70.000 Euro hin. Während es vielerorts mit der Aufstellung von Wallboxen getan war, musste an einem Standort der Netzanschluss erweitert werden. „Das war ziemlich teuer“, so Pohlmann. Hinzu kommt die Leasingrate für die Stromer-Flotte. Zwar gibt es teils spezielle Angebote für Fahrschulen (teils schon ab 45 Euro monatlich für den VW ID.3 nach Anzahlung von 6.000 Euro), ausschlaggebend ist dabei aber natürlich die Jahresfahrleistung. Die beziffert die Fahrschule Zöllner auf 30.000 bis 40.000 Kilometer. „Entsprechend ist die Leasingrate bei uns wesentlich höher“, lässt Pohlmann anklingen.

Die hohen Anfangsinvestitionen erklären nach Ansicht des Inhabers auch die Trägheit der Fahrschulbranche. „Unsere Branche ist ausgesprochen schrullig. Sie ist sehr kleinteilig aufgestellt. Der durchschnittliche Jahresumsatz einer Fahrschule liegt in Deutschland bei 80.000 Euro. Die Unternehmen scheuen die Investition.“ Hinzu kommen andere Lästigkeiten: Pohlmann ärgert sich zum Beispiel darüber, dass der VW ID.3 zwar eine Anhängerkupplung als optionales Zubehör hat, aber keine Anhänger ziehen darf. Hintergrund ist, dass für Übungsstunden für den Führerschein der Klasse BE (also Pkw mit Anhänger) bei Zöllner immer Automatikfahrzeuge herangezogen wurden. „Das ist für die Anhängerschulung einfacher“, schildert Pohlmann. Jetzt ginge das eben nur mit Schaltfahrzeugen.

Gebremst wurde die Entwicklung auch dadurch, dass sich der Beschluss zur oben genannten Automatikregelung lange hingezogen hat. Daher galt und gilt auch bis zur Einführung der Regel am 1. April 2021: Wer mit einem Automatik-Auto seine Führerscheinprüfung macht, darf später kein Auto mit Handschaltung fahren. Dafür müsste der Fahrschüler eine zusätzliche praktische Fahrprüfung mit einem Auto mit Schaltgetriebe bestehen. Aus diesem Grund werden in Fahrschulen häufig nur Schaltwagen eingesetzt, da die Einschränkung bzw. zweite Prüfung für Fahrschüler nicht attraktiv ist. In der Folge interessieren sich Fahrschulen kaum für E-Autos, da mit diesen nur der Automatik-Führerschein gemacht werden kann.

Mit der Reichweite der Volkswagen-Stromer gibt’s hingegen keinerlei Probleme. Zwar legten Fahrschulautos am Tag regelmäßig 200 bis 450 Kilometer zurück, so Pohlmann. Aber die Elektroautos sind selten lange am Stück im Einsatz. Wenn es nach dem Inhaber geht, sollen schnellstmöglich mehr Fahrzeuge mit E-Antrieb folgen. Dazu müsse aber die Kundennachfrage nach Schulungen auf Automatik steigen und die neue Fahrzeuggeneration endlich lieferbar sein.

Im Nutzfahrzeugbereich sind alternative Antriebe noch kein Thema

Auch im Nutzfahrzeugbereich ist Pohlmann grundsätzlich zu Investitionen bereit, um Schulungsfahrzeuge mit Elektroantrieb für das Aus- und Weiterbildungsprogramm der Unternehmensgruppe einzusetzen. Doch hier hapert es noch extremer als im Pkw-Bereich an der Nachfrage: „Noch ist die Entwicklung im Nutzfahrzeugbereich nicht so weit, dass alternative Antriebe ein Thema sind. Schade, denn auch hier wären wir gern Vorreiter.“ Die Aus- und Weiterbildung zu Kraftfahrern bezeichnet Pohlmann als Schwerpunkt seiner Fahrschule. Der Lkw-Fuhrpark umfasst mehr als 13 Fahrzeugkombinationen, hinzukommen sechs Busse.

Zur Vorbereitung künftiger Elektro-Pkw und -Nutzfahrzeug-Anschaffungen will sich die Fahrschule Zöllner nun erst einmal einer Eigenanalyse unterziehen. „Wir wollen unseren ökologischen Fußabdruck kennen“, führt Pohlmann aus. Ziel sei es, den CO2-Ausstoß genaustens zu analysieren – und zwar heruntergebrochen auf die Fahrstunde, das Fahrzeugmodell, die Fahrweise oder den Fahrlehrer. Dazu soll eine spezielle Analysesoftware eingesetzt werden. Man sei in Gesprächen mit entsprechenden Anbietern, schildert Pohlmann. „Wenn man sich mit der Frage des CO2-Fußabdrucks ernsthaft beschäftigen will, dann gehört die Erfassung des Status Quo dazu.“ Neben der ökologischen Dimension interessiert den Inhaber dabei auch die ökonomische Komponente – die Frage, welche Investition sich wie auswirkt. „Nicht ganz unwichtig, ehe man beispielsweise einen sechsstelligen Euro-Betrag in ein neues Elektro-Nutzfahrzeug investiert“, kommentiert er.

Ein besonderes Anliegen ist Pohlmann zum Schluss noch, dass angehende Fahrer – vor allem im Nutzfahrzeugbereich – auf Fahrzeugen der neuesten Generation ausgebildet werden – mit allen Assistenzsystemen, die dazu gehören. „Es ist unverständlich, dass der Gesetzgeber nicht den Mut hat, hier strenge Auflagen zu verankern.“ Der Umgang mit Assistenzsystemen müsse in der Praxis trainiert werden, was auf älteren Modellen nicht möglich sei. Das hat Pohlmann Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sogar persönlich ans Herz gelegt. Der Minister drehte auf Einladung der Fahrschule vor knapp einem Jahr in Berlin eine Runde in einem neu beschafften Mercedes Actros der neuesten Generation.

3 Kommentare

zu „Investitionsfreudige Fahrschule im eMobility-Umbruch“
Christian Getto
28.01.2021 um 15:50
Erzählen Sie doch bitte keinen Unsinn: E-Autos haben/brauchen idR kein aufwendiges "Automatikgetriebe", sondern lediglich ein einfaches Übersetzungsgetriebe. Im Gegensatz zum alten Verbrenner liefert der viel effizientere E-Motor nämlich sein ausgezeichnetes Drehmoment über einen sehr großen Drehzahl-Bereich ab.
notting
28.01.2021 um 19:12
Denke den Fahrschülern wird klar sein, dass sie so schnell kein BEV bezahlen können was eine vernünftige Reichweite hat, selbst wenn z. B. die Wartung günstiger ist. Gerade wenn man studiert, ist man eher weiter von daheim weg. Und nicht an jedem Studienort ist der ÖPNV gut.notting
jomei
29.01.2021 um 13:53
In wenigen Jahren kommen e-Fzge in nennenswerter Stückzahl auf den Gebrauchtmarkt, oder E-fahrende Eltern überlassen ihr gebrauchtes ihnen für einen Obulus. Dann dürfte das benannte Problem wenn nicht verschwinden, sondern in einem Übergang abnehmen. Ok, nicht alle werden in dieser glücklichen Lage sein, aber zu meiner Studienzeit (späte 1970er) konnten sich die meisten meiner Mitstudierenden nicht mal ein geschenktes altes Verbrennerauto leisten wegen der laufenden Kosten. Die kamen mit Fahrrad und ÖPNV klar bzw. mussten klarkommen. Für die sprang ich als MfG oft mit meinem 11 Jahre alten Rostkäfer (34PS) ein.

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