Schleswig-Holstein: Trio erhält Zuschlag für Betrieb von Akku-Zügen

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Die vom Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein Mitte 2019 bestellten 55 Akku-Triebzüge werden künftig von Osthannoversche Eisenbahnen (OHE), RDC Autozug Sylt und der NBE Nordbahn Eisenbahngesellschaft betrieben. Dieses Trio setzte sich unter anderem gegenüber DB Regio im Zuge einer Ausschreibung durch.

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Wir erinnern uns: Im Juni 2019 beauftragte der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein den schweizerischen Hersteller Stadler mit der Lieferung von 55 Akku-Triebzügen des Typs Stadler Flirt Akku. Die Flotte soll im Norden ab Dezember 2022 Diesel-Züge ersetzen. Hintergrund ist, dass in Norddeutschland noch überdurchschnittlich viele Diesel-Züge unterwegs sind, da in Schleswig-Holstein gerade einmal 29 Prozent des Streckennetzes elektrifiziert sind. Abseits der Hauptstrecken von Lübeck, Kiel und Flensburg nach Hamburg gibt es kaum Oberleitungen.

Im Mai 2020 hatte der Nahverkehrsverbund die Ausschreibung für den Betrieb der Akku-Züge im Auftrag des Landes und der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) gestartet. Den Ausgang bezeichnet der Verbund als überraschend: „Gleich drei verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmen sollen beauftragt werden.“ Und: Mit RDC und der OHE habe man zwei neue Unternehmen für den schleswig-holsteinischen Schienenpersonennahverkehr gewonnen.

Das sogenannte „Akkunetz“ umfasst in Schleswig-Holstein insgesamt 10,4 Millionen Zug-Kilometer und elf Bahnlinien. Diese teilte der Nahverkehrsverbund in der Ausschreibung in drei Lose. Im Januar gaben fünf Bieter insgesamt zwölf Angebote für die Lose ab. Zuletzt sei die Anzahl der Bieter aber zurückgegangen, nachdem die Nord-Ostsee-Bahn (NOB) ihre Leistungen an die DB Regio AG verloren hatte, heißt es.

Zum ersten Mal hatten Land und NAH.SH bei der Ausschreibung eine Loslimitierung eingeführt: Dadurch schlossen sie aus, dass die beiden großen Lose Ost und Nord an ein Verkehrsunternehmen vergeben werden. NAH.SH-Geschäftsführer Dr. Arne Beck: „Wir freuen uns, dass unsere Rechnung aufgegangen ist und wir eine so hohe Wettbewerbsintensität im Vergabeverfahren hatten. Ich bin sicher, dass das Land und auch die Fahrgäste von diesem Wettbewerb und der neuen Vielfalt auf der Schiene profitieren werden.“

Die Osthannoversche Eisenbahnen Aktiengesellschaft (OHE) übernimmt ab Dezember 2022 den Betrieb im Los Ost von der DB Regio. Es beinhaltet die Strecken Kiel – Lübeck, Lübeck – Lüneburg, Kiel – Preetz und Kiel – Schönberger Strand. Die OHE gehört zum NETINERA-Konzern, der im benachbarten Niedersachsen mit den Unternehmen erixx GmbH und metronom Eisenbahngesellschaft mbH bereits ein langjähriger Betreiber ist. Wegen des Streckenabschnitts zwischen Lauenburg und Lüneburg ist die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) am Verfahren beteiligt.

Die RDC AUTOZUG Sylt GmbH löst ab Dezember 2023 im Los Nord ebenfalls die DB Regio als bisherige Betreiberin ab. Das Los Nord umfasst die Strecken Flensburg – Kiel, Eckernförde – Kiel, Husum – Kiel, Rendsburg – Kiel und Husum – Bad St. Peter-Ording.

Im Los Ost-West bleibt die NBE Nordbahn Eisenbahngesellschaft mbH & Co. KG beim Fahrplanwechsel im Dezember 2023 die Betreiberin. Das Los Ost-West umfasst die Linien Büsum – Heide – Neumünster und Neumünster – Bad Oldesloe.

Die neuen Verträge mit den drei Betreibern sollen bis zum Dezember 2035 laufen. Das aktuelle Fahrplanangebot werde ab Dezember 2022 durch zusätzliche Früh- und Spätverbindungen ergänzt, gibt der Nahverkehrsverbund bekannt. Darüber hinaus sollen die neuen Verkehrsunternehmen auch die zu reaktivierenden Strecken zum Schönberger Strand sowie nach Rendsburg-Seemühlen betreiben. Außerdem ist eine Taktverdichtung zwischen Kiel und Preetz vorgesehen, die mit der Streckenbeschleunigung Kiel – Lübeck einhergeht.

Die Akku-Züge für den Betrieb werden den künftigen Verkehrsunternehmen gestellt. Konkret finanziert die Paribus Holding die Beschaffung der Batterietriebzüge und vermietet diese für 30 Jahre an die Eisenbahnverkehrsunternehmen. Auch für die Instandhaltung ist das Betreiber-Trio nicht verantwortlich. Dies übernehme der Fahrzeughersteller Stadler mit einem neuen Instandhaltungswerk, das in Rendsburg gebaut werde, so die Schleswig-Holsteiner. Mit der Umstellung der Verkehrsverträge auf das sogenannte Bruttoprinzip geben die Verkehrsunternehmen außerdem erstmalig die Erlösverantwortung an das Land ab. Verpflichtet sind die neuen Betreiber jedoch, das Personal der bisherigen Betreiber zu den bestehenden Konditionen zu übernehmen.

„Wir sind mit dieser bisher größten Ausschreibung im Schienenpersonennahverkehr in Schleswig-Holstein und der ersten bundesweiten Großausschreibung mit Akkutriebzügen neue Wege gegangen“, resümiert Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz. „Ich freue mich, dass wir damit den Zuschlag für drei wirtschaftliche und gute Angebote geben können. Mit dieser Vergabe wird Schleswig-Holstein ein weiteres Mal bundesweit Vorreiter im Bahnverkehr sein.“

Das ab 2022 zum Einsatz kommende Zugmodell Flirt Akku wurde von Stadler erst im Oktober 2018 vorgestellt. Der Akku-Zug ist von Anfang an auf nicht- oder teilelektrifizierte Strecken ausgelegt. Im rein Batterie-elektrischen Fahrbetrieb liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 140 km/h, was auf längeren Abschnitten natürlich zulasten der Reichweite geht. Für den Auftrag ist der deutsche Ableger Stadler Pankow mit Sitz in Berlin zuständig. Die Stadler Rail AG kommt aus der Schweiz.

Um eventuellen Anfangsschwierigkeiten zu begegnen, soll Stadler ab November 2022 zunächst eine Vorserie von fünf Triebzügen ausliefern. Die restlichen Triebzüge sollen dann ab Mai 2023 bis Mitte 2024 sukzessive in Betrieb genommen werden. Die Akkus ermöglichen eine Reichweite von bis zu 150 Kilometern und sind auf dem Dach montiert. Auf den Hauptstrecken werden sie an vorhandenen Oberleitungen geladen, vor allem in Kiel, Neumünster, Flensburg, Lübeck, Lüneburg sowie auf der Strecke Osterrönfeld – Jübek. Zudem sollen an einigen Stellen zusätzliche Ladevorrichtungen gebaut und bestehende Oberleitungen verlängert werden.

Update 14.12.2021: Der Zuschlag für das Teilnetz Nord des „Akkunetzes“ wurde revidiert: Das Land hat jetzt die NBE Nordbahn Eisenbahngesellschaft ab Dezember 2023 mit dem Betrieb auf den Strecken Kiel – Husum, Husum – Bad St. Peter Ording sowie Kiel – Flensburg betraut. Das Teilnetz Ost-West ging wie oben berichtet bereits zuvor an die Nordbahn.

Hintergrund ist, dass der Zuschlag für das Teilnetz Nord Gegenstand eines Gerichtsverfahrens war – angestoßen von der DB Regio. So musste bis zum jetzigen Zeitpunkt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig zur Vergabe abgewartet werden. Ursprünglich wollte das Land das Bahnunternehmen RDC AUTOZUG Sylt GmbH mit dem Verkehr beauftragen. Das Gericht lehnte dies nun aber aus formalen Gründen ab.
nah.sh, wimikiel.com (Update)

5 Kommentare

zu „Schleswig-Holstein: Trio erhält Zuschlag für Betrieb von Akku-Zügen“
Max Boer
12.02.2021 um 14:09
Eine kleine Korrektur, vor kurzem wurde Stadler Pankow in Stadler Deutschland umbenannt
Djebasch
12.02.2021 um 16:07
Moment hieß es nicht Wasserstoff wird sich im Schwerverkehr durchsetzen... ;) Blöd aber auch wenn die Realität einen langsam einholt...
Michael
13.02.2021 um 10:09
Dann setzt sich die Batterie wohl auch bei Zügen durch. Wobei man natürlich fragen kann, warum die Strecken immer noch nicht elektrifiziert sind. Für die Elektrifizierung von Autobahnen ist Geld da, aber...
Manfred Stummer
15.02.2021 um 07:53
Ja genau. Eine Strecke von A nach B zu elektrifizieren sollte keine technische Herausforderung darstellen und hält wohl für 100 Jahre. Aber immerhin ist Akku bei Weitem besser als Wasserstoff.
Franz-J. Rüther
17.05.2021 um 10:24
Hinweis: "31.03.2021 - 11:49 Stadler korrigiert E-Reichweite seines Akku-Zugs nach oben" ( https://www.electrive.net/2021/03/31/stadler-korrigiert-e-reichweite-seines-akku-zugs-nach-oben/ )

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