Porsche und Customcells planen 100-MWh-Batteriezellenfabrik

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Porsche und Customcells vollziehen die bereits zuvor bekannt gewordene Gründung ihres Joint Ventures zur Herstellung von Hochleistungs-Batteriezellen. Die Cellforce Group GmbH erhält ihren Sitz in Tübingen. Die Universitätsstadt ist auch in der engeren Auswahl für den Standort der zugehörigen Batteriezellenfabrik.

Das Joint Venture befand sich bereits im April auf der Liste laufender Fusionskontrollverfahren des Bundeskartellamts. Insofern kommt die Gründung nun nicht überraschend. Porsche liefert in einer offiziellen Mitteilung nun aber viele Details zur Organisation und Stoßrichtung des Gemeinschaftsunternehmens. So halten die Stuttgarter mit 83,75 Prozent die große Mehrheit an Cellforce und investieren „eine hohe zweistellige Millionen-Summe“ in das Unternehmen. Als Geschäftsführer agieren seitens Porsche Markus Gräf als Chief Operating Officer und Wolfgang Hüsken als Chief Financial Officer sowie seitens Customcells Torge Thönnessen als Chief Technology Officer. Bis 2025 soll die Belegschaft von zunächst 13 gemeinsam gestellten Mitarbeitern auf bis zu 80 Personen anwachsen. Der Bund und das Land Baden-Württemberg fördern das Vorhaben mit rund 60 Millionen Euro.

Hauptanliegen des Joint Ventures ist der Betrieb einer Produktionsanlage mit einer Kapazität von mindestens 100 MWh pro Jahr, was laut den Partnern Hochleistungs-Batteriezellen für 1.000 Fahrzeuge entspricht. Der Standort soll „in räumlicher Nähe zum Entwicklungszentrum Weissach und dem Stammsitz der Porsche AG in Stuttgart-Zuffenhausen angesiedelt werden“. Neben Tübingen sind aber offenbar noch weitere Orte in der engeren Auswahl. Der Betrieb soll nach Medienberichten 2024 anlaufen.

Die Chemie der neuen Hochleistungszellen soll auf Silizium als Anoden-Material basieren. Auch das hören wir nicht zum ersten mal: Porsche-Chef Oliver Blume hatte bereits beim „Power Day“ von Volkswagen Mitte März angekündigt, dass Porsche bei der Batterie-Strategie einen eigenen Weg verfolgen will – mit eben jener Silizium-basierten Anode anstelle des üblichen Graphits.

Damit soll es laut Porsche möglich sein, die Energiedichte gegenüber aktuellen Serienbatterien erheblich zu steigern. „Die Batterie kann bei gleichem Energieinhalt kompakter ausfallen. Die neue Chemie verringert zudem den Innenwiderstand der Batterie. Dadurch kann diese mehr Energie bei der Rekuperation aufnehmen und ist zugleich beim Schnellladen leistungsfähiger“, führt der Hersteller in seiner aktuellen Mitteilung aus. Eine weitere Besonderheit der Cellforce-Batteriezelle sei, dass sie hohe Temperaturen besser vertrage, aber auch bei Minusgraden funktioniere und jahrelang über viele Ladezyklen hinweg stabil bleibe.

Als Einsatzzweck der Hochleistungsbatterien bestätigt Porsche in der Mitteilung den Motorsport. Bereits im Vorfeld deutete viel daraufhin, dass die Hochleistungszellen von Cellforce wohl nicht in Serienmodellen wie dem Taycan oder dem kommenden Batterie-elektrischen Macan auf Basis der PPE zum Einsatz kommen. Denn diese kauft Porsche von anderen Zellherstellern zu. Noch offen ist, ob die Zellen auch in limitierten Straßen-Sportwagen zum Einsatz kommen sollen.

Fakt ist dagegen, dass sich das Joint Venture für die nächste Generation der Lithium-Ionen-Batterie BASF als Zellentwicklungspartner ins Boot holt. Der Chemie-Spezialist soll das Kathodenmaterialien (HEDTM NCM) für die Hochleistungszellen zuliefern. Die P3 Group ist in das Joint Venture derweil nicht mehr eingebunden. Im April hieß es auf Basis der Unterlagen des Bundeskartellamts noch, dass Porsche das Gemeinschaftsunternehmen zusammen mit Customcells und P3 gründen wolle.

Dem Thema widmet Porsche in seiner Mitteilung einen kompletten Absatz. Hier im Wortlaut: „Die Idee für eine Fertigung von Hochleistungs-Batteriezellen ist auf eine Initiative der P3 Group hin entstanden. Die Stuttgarter Unternehmensberatung hat das Konzept entwickelt und in 2019 mit Customcells einen Förderantrag im Rahmen des europäischen IPCEI-Projekts EuBatIn (Important Project of Common European Interest – European Battery Innovation) initiiert, das sich zum Ziel gesetzt hat, eine wettbewerbsfähige europäische Wertschöpfungskette für Lithium-Ionen-Batterien aufzubauen. Diese soll auf innovativen und nachhaltigen Technologien basieren. Als Projektpartner aus der Automobilindustrie stieg Porsche ein. In diesem Jahr hat sich die P3 Group entschieden, Neutralität und Unabhängigkeit am Markt zu wahren und nicht direkt an dem Joint Venture beteiligt zu sein. P3 agiert als Technologieberatung mit tiefem technischen Verständnis im Bereich Batteriezellen und hat mit der Cellforce Group einen langfristigen Dienstleistungsvertrag abgeschlossen.“

Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG, kommentiert die Gründung der neuen Porsche-Tochter unterdessen wie folgt: „Die Batteriezelle ist der Brennraum der Zukunft. Als neue Porsche Tochtergesellschaft wird die Cellforce Group die Forschung, Entwicklung, Fertigung und den Vertrieb von Hochleistungszellen maßgeblich vorantreiben.“ Mit dem Joint Venture positioniere sich sein Unternehmen an der Spitze des weltweiten Wettbewerbs um die leistungsstärkste Batteriezelle und machen sie „zum Bindeglied zwischen dem unverkennbaren Porsche-Fahrgefühl und der Nachhaltigkeit. So gestalten wir die Zukunft des Sportwagens.“

Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner ergänzt, dass man die Technik, die den Kern von Porsches Hochleistungssportwagen ausmacht, nicht zukaufen könne. „Wir entwickeln sie selbst. Daher ist es nur logisch, dass wir auch die Schlüsseltechnologie der Zukunft, die Batteriezelle, selbst entwickeln und bauen. Genauso folgerichtig ist es, dass wir diese Hochleistungstechnologie zunächst im härtesten Wettbewerbsumfeld erproben – dem Motorsport. Auch unser Elektrosportwagen Taycan hat wesentliche Impulse und seinen technischen Vorsprung von der Rennstrecke mitgebracht, vom Le Mans-Sieger Porsche 919 Hybrid.“

Customcells-Co-CEO Leopold König äußert sich zum neuen Joint Venture wie folgt: „Wir haben Customcells mit dem Ziel gegründet, kundenspezifische Batteriezellen für anspruchsvollste Anwendungen zu entwickeln, und genau das können wir jetzt gemeinsam mit Porsche realisieren. In die Partnerschaft mit Porsche bringen wir nicht nur unsere Expertise in Sachen Zell-Technologie und -Produktion ein, sondern auch Agilität, Innovationskraft und individuelle Problemlösungskompetenz.“

Customcells hat Unternehmensstandorte in Itzehoe (Schleswig-Holstein) und Tübingen (Baden-Württemberg) und ist im Bereich Prototypen, Klein- und Mittelserien aktiv. Seit 2012 ist das Unternehmen von einem Zwei-Mann-Betrieb zu einer Firma mit rund 100 Mitarbeitern gewachsen. Im Sommer 2020 schilderte Leopold König in der Batterie-Spezialausgabe von „electrive.net LIVE – Online-Konferenz für Elektromobilität“, dass Customcells neue Zellen teils innerhalb von Monaten für verschiedene Anwendungsfälle kreiert, modifiziert und anschließend herstellt und dass man sich im Spezialanwendungsbereich ausdrücklich wohlfühle. Hier gibt’s seinen Vortrag noch mal in voller Länge:

presse.porsche.de, faz.net, handelsblatt.com, autocar.co.uk

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