electrive LIVE: Wie die Flotte smart und elektrisch wird

Die Umstellung von Flotten auf elektrische Fahrzeuge ist in vielen Unternehmen, Kommunen und Organisationen in vollem Gang. Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass das E-Auto im Fuhrpark gerade einen schweren Stand hat. Wir haben in unserer Online-Konferenz diskutiert, wie es wirklich ist!

electrive live februar 2024 speaker

Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen und Monate haben in deutschen Medien eher ein negatives Bild gezeichnet. Die Zulassungen wachsen nicht so schnell wie erwartet, bei Volkswagens Elektroauto-Fabrik in Sachsen wird die Produktion gedrosselt, große Flotten wie die Autovermieter Sixt und Hertz oder auch Dax-Konzerne kappen ihre E-Auto-Pläne bzw. verzichten auf prominente Hersteller.

Dass die eMobility-Skepsis in vielen deutschen Medien eher für ein falsches Bild sorgt, hat die 36. Ausgabe unserer Online-Konferenz electrive LIVE zum Thema „Smart Fleet: eMobility im Fuhrpark“ gezeigt. Denn nicht nur die Vorträge, sondern auch die Diskussionsrunde haben mit ihren Praxisbeispielen und Studien klar gemacht, dass die Antriebswende im Fuhrpark weiterhin in vollem Gange ist. Zwar je nach Rahmenbedingungen in unterschiedlichem Tempo, aber im Grunde genommen unaufhaltsam.

Den Anfang macht Matthias Kreimeier von Mahle chargeBIG. Moderator und electrive-Chefredakteur Peter Schwierz erinnert daran, dass Kreimeier vor einiger Zeit „die Seite des Ladekabels“ gewechselt hat – nach Stationen bei der Daimler AG und der Wissenschaft (Fraunhofer IPT) war er mehrere Jahre bei e.GO Mobile aktiv – bevor er 2023 als Chief Sales Officer zu Mahle chargeBIG gekommen ist. eMobility-Erfahrung aus allen Perspektiven ist bei Kreimeier also vorhanden.

Ein Schaltschrank, bis zu 36 günstige Ladepunkte

Mit chargeBIG hat der Stuttgarter Autozulieferer bekanntlich seit einigen Jahren eine Ladelösung für größere Parkplätze – wie eben an Firmenstandorten – im Programm. Die eichrechtskonforme Ladetechnik ist in zentralen Schaltschränken verbaut, die Ladepunkte selbst sind sehr klein und simpel – daher ist die Anlage leicht skalierbar. Mit einem Schaltschrank sind bis zu 36 Ladepunkte möglich, 15 Ladepunkte gelten als Mindestmaß. Für kleinere Flotten – Kreimeier nennt zum Beispiel Bäckereien oder Pflegedienste – und Wohngebäude gibt es auch mit chargeBIG6 eine kompaktere Lösung für vier bis sechs Ladepunkte, aber dem gleichen Grundkonzept.

Beim Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur geht der Trend klar zu immer leistungsstärkeren Ladepunkten, die hintereinander viele Autos (ohne eigene Lademöglichkeit zu Hause oder beim Arbeitgeber) laden können und müssen – die Anschaffung eines Schnellladers ist aber teuer, die Kosten werden nur über eine hohe Auslastung wieder eingespielt. Kreimeier verweist auf die allgemein hohen Standzeiten von Autos (rund 23 Stunden am Tag) und die geringen, täglichen Fahrstrecken von 35 bis 50 Kilometern, verteilt auf mehrere Einzelfahrten – je nachdem, welche Studie man als Grundlage nimmt.

Selbst bei den hoch angesetzten 50 Kilometern und einem ebenfalls sehr hoch veranschlagten Verbrauch von 30 kWh/100km liegt der tägliche Energiebedarf bei 15 kWh, in der Praxis wohl eher weniger. „Wenn die Fahrzeuge dort ohnehin längere Zeit abgestellt sind, ist die Zeit keine kritische Komponente“, so der chargeBIG-Vertriebler. „Und für die Zeit, die sich die Fahrzeuge nicht bewegen, ist auch die Ladeleistung keine kritische Größe. Es geht um die Verfügbarkeit der Ladepunkte!“

Und Verfügbarkeit heiße, zu möglichst geringen Kosten möglichst viele Ladepunkte zu bauen und diese intelligent mit einem Lastmanagement zu steuern. Denn: „Wenn man sich diese oftmals vor Jahrzehnten gebauten Immobilien anschaut, gibt es eine Menge Herausforderungen. Niemand hat vorhergesehen, dass es dort 50 oder 100 Ladepunkte geben soll, am Ort des Bedarfs gibt es in der Regel nur eine begrenzte Menge an Strom.“

chargeBIG-Kunden fragen flexible Installation nach

Kreimeier schildert auch eine Situation aus seinem Privatleben: Obwohl er beruflich in Stuttgart unterwegs ist, hat er aus e.GO-Zeiten noch eine Eigentumswohnung im Raum Aachen. In dem Haus reicht der Netzanschluss aber nicht für zwölf Wallboxen in der Tiefgarage aus. „Das freundliche Angebot der Stadtwerke: Für 60.000 Euro die Straße aufreißen und ein dickeres Kabel verlegen. Da ist die Investitionsbereitschaft der Eigentümer schnell wieder gesunken“, so der eMobility-Manager. „Wenn wir über noch größere Anlagen reden, steigen die Kosten noch weiter, wenn der Netzanschluss erweitert werden muss.“

Vielen seiner Kunden aus dem Fuhrpark-Bereich geht es aber nicht nur um die Kosten für den Netzanschluss, sondern auch die Installation selbst. Vom zentralen Schaltschrank müssen die Kabel an die einfachen Ladepunkte geführt werden. Auf Parkplätzen würde das einen teuren Tiefbau erfordern und in Parkhäusern und Tiefgaragen müsste in die Wand gebohrt werden. Wenn die Unternehmen selbst nur Mieter in dem Objekt sind, ist beides oft nicht möglich. ChargeBIG bietet daher inzwischen verschiedenste Möglichkeiten an, von bohr-freien Klemm-Lösungen über Installationen an Zäunen oder auch den aufgeständerten Kabelkanal, bei dem die gesamte Verkabelung oberirdisch mit minimalen Bauarbeiten erfolgen kann. Laut Kreimeier ist das eine stark nachgefragte Lösung. Denn der Vorteil ist: Ziehen die Kunden um, können sie den Ladeschrank und die Verkabelung einfach mitnehmen.

Im zweiten Vortrag steht keine Ladelösung oder Flottenmanagement-Plattform im Vordergrund, sondern schlichtweg das Zahlenwerk rund um den Fahrzeugbestand und die Marktentwicklung. Michael Gergen ist Senior Customer Services Specialist bei Dataforce und beleuchtet die Frage: „E-Mobilität in Flotten: Steht der Durchbruch bevor?“

Privatmarkt geht weiter zurück, (große) Flotten wachsen

Zunächst blickt der Flotten-Experte aber nicht auf den sonst in Dataforce-Studien viel zitierten „relevanten Flottenmarkt“, sondern die privaten Neuzulassungen von Pkw – und das über alle Antriebsarten hinweg. „2023 war das dritte Jahr in Folge, in dem wir bei deutlich unter einer Million Autos gelandet sind, auch der Auftragseingang im Handel war niedrig“, berichtet Gergen. Konkret waren 933.147 der 2,84 Millionen Neuzulassungen auf private Halter eingetragen.

„Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer für die Aufträge: den Flottenmarkt! 2023 war hier ein starkes Jahr mit einem neuen Rekordwert von 976.698 Zulassungen“, so Gergen. Die restlichen rund 930.000 Neuzulassungen verteilen sich auf die Segmente Fahrzeugbau (also die Hersteller selbst), Fahrzeughandel und Autovermieter – diese drei kleineren Bereiche werden nicht zu den gewerblichen Zulassungen gezählt. Und wie Gergen vorträgt, kommt das Wachstum von 12,5 Prozent bei den gewerblichen Haltern vor allem von größeren Flotten, besonders die Klassen 100 bis 499 Fahrzeuge und 500+ Fahrzeuge haben hier zugelegt. Bei kleinen Flotten von 1-9 Fahrzeugen gingen die Neuzulassungen sogar leicht zurück.

Und bei den E-Autos? Hier haben die Privatkunden mit 23,9 Prozent sogar einen etwas höheren E-Anteil als die Flottenkunden mit 18,8 Prozent. Doch nicht nur das Wachstum von 16,7 Prozent aus dem Jahr 2022 spricht für die Bedeutung des Flottenmarkts, sondern vor allem die Haltedauer der Fahrzeuge. Laut der Dataforce-Datenbank werden Privat-Pkw im Schnitt alle 11,2 Jahre ersetzt, Firmenautos hingegen bereits nach 4,7 Jahren. Und in Flotten mit mehr als zehn Autos werden die Fahrzeuge im Schnitt schon nach 3,4 Jahren erneuert!

„Der Bestand, den es gibt, wird in der Flotte viel, viel schneller getauscht werden. Wenn ich mich als Privatkunde entscheide, jetzt auf ein E-Auto umzusteigen, werde ich statistisch gesehen erst in elf Jahren ein neues Auto kaufen. Deshalb dauert es extrem lange, bis der private Bestand umgestellt ist. Mein Nachbar, der einen Dienstwagen fährt, hatte in dieser Zeit drei unterschiedliche Autos. Hier wird der Wandel zur Elektromobilität sehr viel schneller gehen“, so Gergen.

Klar ist aber: Die Änderung am Umweltbonus zum Jahreswechsel 2022/2023 hat – nicht nur bei den Plug-in-Hybriden – für Änderungen gesorgt, sondern bei den Firmenkunden auch der Stichtag 1. September, weil gewerbliche Halter seitdem gar keinen Umweltbonus mehr erhalten haben. Auch 2024 sieht Gergen als „Jahr zum Luftholen“, in dem die Diesel-Anteile sogar wieder leicht steigen. Eine Trendumkehr ist das aber nicht, denn in der Dataforce-Prognose wird es 2025 einige Umstürze im Flottenmarkt geben.

E-Fahrer bleiben E-Fahrer

Die Zeiten von 90 Prozent Diesel-Anteil in der Flotte sind bereits seit einigen Jahren vorbei, aber immer noch ist der Diesel die stärkste Antriebsart. 2025 wird das laut Dataforce nicht mehr so sein, dann ist der Diesel nur noch die Nummer 3 – knapp hinter Benzinern und hinter den Elektroautos als wichtigste Antriebsart. Hybride und Plug-in-Hybride sterben übrigens nicht aus, bleiben aber in der Prognose auf konstant niedrigem Niveau.

Für Gergen ist die Lage klar: Angebotsseitig werden die Hersteller alles daran setzen, Strafzahlungen aufgrund zu hoher CO2-Flottenemissionen zu vermeiden. „Dieser Pfad ist eingeschlagen“, so der Experte. Und auch nachfrageseitig gibt es Bewegung. Eine User-Chooser-Umfrage von Dataforce aus dem Jahr 2023 hat ergeben, dass sich immer mehr Dienstwagen-Fahrer bei ihrem nächsten Fahrzeug ein E-Auto vorstellen können. Und wer bereits ein E-Auto fährt, bleibt mit hoher Zustimmung dabei.

Aber auch bei den Fuhrparks selbst hat sich viel getan: Immerhin 46 Prozent der Unternehmen gaben an, dass sich mit den E-Autos das Markenportfolio erweitert hat. Die Top-3-Hersteller, die neu in die Flotten gekommen sind, waren Tesla, Hyundai und Renault.

Ebenfalls ein wichtiges Ergebnis der Umfrage: In den Car Policies der Unternehmen werden zunehmend auch Nachhaltigkeitskriterien gefordert, zumeist in Form des CO2-Ausstoßes. In größeren Fuhrparks ist das stärker verbreitet und auch in einigen Branchen wie IT oder Kommunikation. „Das ist eine wichtige Aussage für die Hersteller: Du musst die CO2-Vorgaben unserer Car Policy erfüllen oder Du bist raus aus unserem Lieferanten-Pool“, so Dataforce-Mann Gergen.

Im dritten Vortrag bei electrive LIVE #36 wenden wir uns wieder der Ladeinfrastruktur zu, aber unter einem besonderen Gesichtspunkt: dem Betriebssystem des Ladepunkts. Das klingt zunächst sehr nischig, ist aber für den Aufbau einer eigenen Firmen-Ladeinfrastruktur nicht zu unterschätzen, wie Sebastian Lucae erklärt. Er ist Chief Strategy Officer – oder einfach Strategiechef – bei EcoG, einem Entwickler eines solchen Betriebssystems für Ladegeräte.

„Laden findet – anders als das Tanken an der Tankstelle – an verschiedensten Orten statt. Abhängig vom Ort ist die passende Lösung sehr unterschiedlich“, sagt Lucae. Damit spielt der Manager nicht nur auf die private Wallbox an, die einfach Strom ohne weitere Abrechnung abgeben soll im Gegensatz zu einer öffentlichen Ladesäule, an der die genaue Erfassung und Zuordnung eines Ladevorgangs wichtig ist. Sondern auch an einem einzigen Firmenstandort kann der Bedarf an Ladeinfrastruktur – mit Auswirkungen auf Hard- und Software – enorm variieren.

Anforderungen variieren – auch an einem Standort

Lucae greift in seinem Vortrag das Beispiel eines Logistikzentrums auf. Direkt an der Laderampe, an der die Ware angeliefert und abtransportiert wird, sollen Ladepunkte entstehen. Die Herausforderung: Der E-Lkw, der die Ware aus einem anderen Zentrum anliefert, hat ganz andere Abmessungen (und folglich eine andere Position des Ladeports) als die E-Transporter, welche die Ware dann zustellen sollen. Eine Ladelösung an der Gebäudewand kommt nicht in Frage (weil zu weit weg) und heutige „Standalone-Ladesäulen“ mit Leistungselektronik, Kühlung, Payment etc. in einem Gehäuse benötigen Tiefbauarbeiten und sind nicht flexibel. „Was wir zunehmend sehen, sind spezifische Lösungen, die sich an die Bedingungen vor Ort anpassen. Die Elektronik wird in einem Power Block gebündelt, die Dispenser werden über eine Kabelführung an der Decke versorgt. Der Vorteil ist, dass diese Lösung auch skalierbar ist und mit der Flotte mitwachsen kann“, so Lucae.

Software-seitig müssen diese Ladepunkte nicht nur an das Energiemanagement des Gebäudes angeschlossen werden, sondern auch an das Flottenmanagement, das die Ladestände, geplanten Routen und Aufträge kennt. „Kommen noch Fahrzeuge von Partner-Betrieben hinzu, die Ware anliefern und geladen werden sollen, muss es noch eine passende Abrechnung geben“, ergänzt der Strategiechef.

Im selben Logistikzentrum auf dem Mitarbeiter-Parkplatz sieht es schon anders aus: Dort gibt es weniger Platzprobleme, Standalone-Ladesäulen sind zum Beispiel möglich. Die Software muss das Laden der Mitarbeiter auf Kostenstelle ermöglichen, aber auch von Gästen. Immerhin: Da es keine öffentlichen Ladepunkte sind, müssen nicht die strengen Payment-Vorgaben der AFIR umgesetzt werden. Will das Unternehmen aber etwa auch seine Ladeinfrastruktur oder einige HPC öffentlich anbieten, greift die AFIR wieder. Zudem muss das Betriebssystem hier alle gängigen Ladekarten der vielen MSP unterstützen.

„Auch an einem Standort kann es verschiedenste Use Cases geben, die an Hardware und eben auch die Software enorm unterschiedliche Anforderungen haben“, gibt Lucae einen Tipp an alle Flottenbetreiber. „Achten Sie bei der Wahl der Ladestation nicht nur auf die Hardware, sondern auch eine offene und Update-fähige Software!“ Nur so haben Flottenmanager die Chance, die Ladeinfrastruktur optimal an ihre Standorte und ihre Fahrzeuge anzupassen.

Auf die Frage von Peter Schwierz, ob dass „Universal Core“-Betriebssystem von EcoG das Linux der Ladebranche sei, will Lucae eher den Vergleich zu einem anderen Unternehmen ziehen: „Wir wollen eher das Windows der Ladebranche sein, weil wir unsere Software professionell weiterentwickeln und absichern“, sagt der CSO. „Wir sind schon vor dem Marktstart eines neuen Fahrzeugs mit dem OEM im Austausch, damit das Fahrzeug ohne Probleme unterstützt wird, wenn es bei den ersten Kunden ist.“

Wie es gehen kann, zeigt OMS Prüfservice

Ein Unternehmen mit vielen Elektroautos in der Flotte ist OMS Prüfservice. Die Firma hat 625 Mitarbeitende und 556 Autos in der Flotte – und noch in diesem Jahr werden alle elektrisch sein. Kurz zu OMS selbst: Das Unternehmen bezeichnet sich als „Marktführer für elektrische Betriebssicherheit“: Von 39 Standorten in ganz Deutschland aus erstellt OMS Prüfkonzepte für elektrische Anlagen und führt diese Prüfungen vor Ort auch durch – es gibt also einen hohen Mobilitätsbedarf. Zu den Anlagen, die geprüft werden, zählen von „ortsveränderlichen Geräten“ (von der Betriebs-eigenen Bohrmaschine bis zum Laptop im Homeoffice) bis hin zu großen Maschinen und Produktionsanlagen allerhand elektrische Geräte. Und in Zeiten von Antriebs- und Energiewende eben auch Ladesäulen und PV-Anlagen.

„Als Dienstleister sind wir täglich beim Kunden. Wir legen im Monat eine Million Kilometer zurück. Früher waren wir bekannt als die ‚netten, blauen Prüftechniker, die in weißen BMWs‘ unterwegs waren“, sagt Alfonso Manrique aus der Zentrale der OMS Group. „Heute sind wir die ‚netten, blauen Prüftechniker, die in weißen Elektroautos‘ unterwegs sind.“ Und die kommen jetzt vom VW-Konzern.

Angefangen hat es im Jahr 2020 mit fünf E-Autos – bei 233 Verbrennern in der Flotte. „Wir haben die ersten Autos beschafft, um uns an das Thema heranzutasten“, sagt der zuständige Fuhrparkmanager Markus Baur. „Die ersten fünf Autos haben wir an viele Standorte verteilt, um viel Feedback von Mitarbeitern bei ihren unterschiedlichen Einsätzen in verschiedenen Regionen zu bekommen.“

Abgeschreckt hat das Feedback offenbar nicht, denn 2021 wurden 54 weitere BEV bestellt und das „Projektteam Ladeinfrastruktur“ gegründet. Dieses Team hat alle Standorte hinsichtlich Parkplätzen und Anschlussleistung analysiert, aber auch, ob OMS die Gebäude selbst gehören oder ob diese gemietet sind – so wurde der Plan für den Aufbau der Ladeinfrastruktur festgelegt.

Dabei kommt OMS auch das eigene Konzept zugute, mit vielen Standorten nahe an den Kunden zu sein. „Unsere Mitarbeitenden waren schon früher nicht tagelang auf Montage, sondern abens bei ihren Familien. Diese kurzen Wege sind mit dem E-Auto kein Problem“, sagt Manrique. „Und jeder nicht gefahrene Kilometer ist der beste Kilometer.“ Fuhrparkmanager Baur ergänzt, dass die tägliche Fahrstrecke eines Autos 150 Kilometer nicht überschreitet. Und das kann abends ohne Probleme auf dem Firmengelände nachgeladen werden: Drei Viertel der E-Autos in der Flotte sind solche Poolfahrzeuge, mit denen tagsüber drei bis vier Mitarbeitende samt Prüf-Equipment zu den Kunden fahren – Größe und Stauraum der Fahrzeuge sind also auch ein wichtiges Kriterium.

2024 geht der letzte Verbrenner aus der OMS-Flotte

2022 fällt dann die Entscheidung der Geschäftsführer: Bis 2025 wird die Flotte komplett elektrisch. Es werden also keine neuen Verbrenner mehr beschafft, im Fuhrpark sind 290 Verbrenner und 150 E-Autos. „Rückblickend war es eine richtige und gute Entscheidung, so früh damit anzufangen“, sagt Baur bei electrive LIVE. Denn 2023 erfolgt bereits der Wendepunkt: Mit 157 zu 398 sind die E-Autos nun in der Mehrheit. Übrigens reichen 185 Unternehmens-eigene Ladepunkte und 90 @Home-Lösungen bei Dienstwagen-Berechtigten aus.

Anfang 2024 sind noch 155 Verbrenner in der Flotte, bei gleichzeitig 401 E-Autos. Der Auftrag für die noch ausstehenden 155 Elektroautos ist vergeben, bis Ende des Jahres sind alle Verbrenner aussortiert – auch wenn einige Leasingverträge noch darüber hinaus gelaufen wären, hat OMS diese vorzeitig beendet. Man hat es bereits an den Zahlen gesehen: OMS hat nicht nur die Flotte umgebaut. „Wir sind im selben Zeitraum auch 30 Prozent pro Jahr gewachsen“, sagt Manrique. Und obwohl die Flotte gewachsen ist, sind laut vorläufigen Zahlen die CO2-Emissionen des Fuhrparks von 2022 auf 2023 um 43 Prozent gesunken.

Und das wichtigste Kriterium für einen Flottenmanager: Auch die Kosten sind niedriger. Baur rechnet vor, dass ein Skoda Octavia Diesel pro Monat 996,42 Euro kostet. Die Leasingrate ist zwar niedriger und auch der Reifenverschleiß ist gemäß der Erfahrung von OMS geringer, aber die Kraftstoffkosten liegen einfach über dem Elektroauto. Der Skoda Enyaq kostet zwar im Leasing mehr, bleibt mit 981,49 Euro pro Monat aber schon jetzt leicht unter dem Verbrenner – eben wegen der Energiekosten. Bei der TCO gilt also: Elektro schlägt Diesel.

Lerneffekte sorgen für geringere Kosten

Aber auch beim Ladestrom gibt es noch Potenzial. „Am Anfang musste man den Mitarbeitenden freie Hand lassen, wenn sie unterwegs eine Ladesäule benötigt haben“, berichtet Baur. „Wenn sie etwas Erfahrung haben, kann man sie auch an optimale und günstigere Ladestandorte ‚lenken‘. Damit konnten wir die Energiekosten bereits etwas optimieren.“ An den Unternehmens-eigenen Ladepunkten gab es im Vorjahr übrigens mehr als 37.000 Ladevorgänge, bei denen knapp 1,7 Million Kilowattstunden in die Autos geflossen sind.

Dass er jetzt SUV-Modelle wie einen VW ID.4 oder den Skoda Enyaq in der Flotte hat, schmeckt Baur übrigens nur bedingt. „Die SUV sind etwas zu groß und jedes Ersatzteil kostet mehr. Für uns wäre ein Golf Variant Elektro oder Sokda Octavia Elektro optimal gewesen. Das gab es auf dem Markt nicht, also mussten wir Kompromisse eingehen“, so der Flottenmanager. „Daher haben wir die Fahrprofile der Mitarbeiter geclustert und so die bestmöglichen Modelle für den Einsatz gefunden.“ Und günstiger ist selbst der größere SUV, wie er selbst gezeigt hat.

Bei der Ladeinfrastruktur rät Baur den Zuschauern von electrive LIVE, bereits früh an den Ausbau zu denken und die entsprechenden Vorrichtungen gleich mit aufzubauen. Und – ganz ähnlich wie chargeBIG-CSO Kreimeier – hält er den Netzanschluss mit einem passenden Lastmanagement nicht für einen Flaschenhals. Baur selbst ist aus einem Gebäude in Hannover zugeschaltet, an dem zehn Ladepunkte über einen normalen Hausanschluss betrieben werden. „Die verbreitete Meinung war, dass das nie klappt und die Autos nicht für den nächsten Tag geladen werden können. Heute wissen wir: Die Akkus sind um 22 Uhr wieder voll – viel früher, als wir es benötigen.“

„OMS ist ein super Beispiel, wie man es vorantrieben kann“

In der abschließenden Diskussionsrunde unserer 36. Online-Konferenz war das Best-Practice-Beispiel von OMS Prüfservice das vorherrschende Thema. „OMS ist ein super Beispiel, wie man es vorantrieben kann“, sagt Dataforce-Experte Gergen, merkt aber auch an: „Es gibt genügend kleine Unternehmen, wo der Fuhrpark mal eben nebenbei gemanagt wird. Das ‚Kümmer dich mal eben drum‘ war vor ein paar Jahren noch sehr einfach, ist heute aber viel komplexer geworden. Wenn es so professionell gemanagt wird, wie bei OMS, macht es absolut Mut, was mit etwas Entschlossenheit machbar ist!“

electrive live februar alle 2024 01 min

Auch OMS-Flottenmanager Baur stimmt dem zu und erzählt, wie sich die Aufgaben eines Flottenmanagers verändert haben. „Beim Laden gibt es so viele unterschiedliche Konstellationen, die aber dennoch zentral verwaltet werden müssen“, so Baur. „Wir haben nicht mehr Leute eingestellt, es aber auf mehr Schultern verteilt – die Ladeinfrastruktur macht zum Teil der Einkauf.“

Die Erfahrung eines Verkäufers wie chargeBIG-CSO Kreimeier zeigt aber, dass nicht überall so viel Erfahrung vorhanden ist wie bei OMS. „Einige Kunden haben enorme Erfahrung mit vielen Herstellern bei Fahrzeugen und Ladeinfrasturktur. Auf der anderen Seite gibt es viele Unternehmen, die jetzt erst mit den ersten E-Fahrzeugen und Ladepunkten anfangen“, so Kreimeier. „Hier ist je nach Kunde eine ganz andere Beratung im Vertrieb nötig. Es muss für den Nutzer – den Fahrer und den Flottenmanager – am Ende funktionieren.“

Modellwunsch: Ein bezahlbarer E-Kombi mit viel Platz

Das Heimladen von Dienstwagen, oft auf den ersten Blick eine simple Lösung, ist dabei aber nicht immer der beste Weg – denn der zu Hause geladene Strom muss irgendwie erfasst und abgerechnet werden. Und das sollte in einer modernen und effizienten Buchhaltung automatisiert erfolgen. „Wenn Mitarbeiter zu Hause laden, klingt das zunächst einfach, bedarf aber einer hohen Integrationstiefe“, sagt EcoG-Manager Lucae. „Es muss ein enormer Datenaustausch stattfinden, dass die Abrechnung einfach und automatisiert erfolgen kann.“

Und die Technik muss auch mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen funktionieren, denn laut Lucae „sprechen alle Autos zwar die gleiche Sprache, aber immer einen anderen Akzent“. Und OMS zeigt, dass man sich von einem langjährigen BMW-Kunden zu einem Käufer vieler Autos des VW-Konzerns entwickelt hat. „Wir haben auf dem Weg einige Marken getestet und haben diese Fahrzeuge auch noch im Fuhrpark, so Baur. „Unsere Anforderung ist einfach, dass wir ein technisch zuverlässiges Fahrzeug mit entsprechendem Platz im Innenraum brauchen. Dazu ist auch das Feedback der Mitarbeiter gekommen, welche Fahrzeuge sie bevorzugen.“

Während in der Branche und der Gesellschaft viel über E-Autos chinesischer Hersteller diskutiert wird, tauchen diese in Flotten nur vereinzelt auf. „Tesla war Privatkunden-lastig, hat mit dem Model Y aber große Erfolge im Flottenmarkt erreicht. Es ist inzwischen weniger das Fahrzeug, sondern mehr das Drumherum“, sagt Gergen. „Die europäischen Hersteller haben eben den Vorteil, dass sie ein etabliertes Servicenetz haben. Für Flottenkunden reicht es nicht aus, wenn es einen fancy Showroom in Deutschland gibt, aber ansonsten keine Standorte. Bei Leasing und Service sehe ich die europäischen Marken gerade im Flottenbereich noch vorne.“

OMS-Flottenmanager Baur nickt zustimmend. Auch bei der Ladeinfrastruktur sind für ihn lokale Partner vor Ort wichtig, die schnell zu einer Reparatur anrücken können. Und bei den Autos erneuert er seine Forderung nach mehr Modellen und mehr Elektro-Kombis – den jüngst enthüllten ID.7 Tourer sieht er aufgrund des Preises eher bei der Geschäftsführung als im Fahrzeugpool. „Die SUV sind Kompromisse, die wir eingehen. Die Mitarbeiter mögen es, aber sie sind eigentlich etwas zu groß und teuer“, sagt er abschließend. „Ein bezahlbarer Kompakt-Kombi mit Elektroantrieb wäre für uns ideal.“

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