elexon ladestation charging station wallbox 2024 01 min
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HintergrundInfrastruktur

Paragraf 14a: Warum im Depot Lade-Abbrüche per Gesetz drohen

Wenn eine Netzüberlastung droht, dürfen Verteilnetzbetreiber private Ladestationen „dimmen“. Das regelt der neue §14a EnWG. Auch bei Spediteuren und Flottenbetreibern könnten die Ladeleistungen im Fall der Fälle heruntergeschraubt werden. „Das gefährdet deren Betriebsabläufe“, warnt der Ladeinfrastruktur-Spezialist Elexon – und untermauert das mit einem einleuchtenden Szenario.

Die Aachener Elexon GmbH hat ein Policy Paper veröffentlicht, um ein Bewusstsein für die detaillierten Auswirkungen des zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes zu schaffen und „dringend notwendige Lösungsansätze in Gang zu bringen“, wie das Unternehmen selbst schreibt. Der in der Branche oft nur kurz „14a“ oder auch „Spitzenglättungs-Paragraf“ genannte Gesetzesabschnitt räumt Verteilnetzbetreibern die Möglichkeit ein, „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ wie etwa Wallboxen oder Wärmepumpen zeitweise ferngesteuert zu „dimmen“, falls ansonsten eine Überlastung des Stromnetzes droht.

Die Regelung gilt nicht für öffentliche, sondern nur für nicht-öffentliche Ladepunkte (bzw. andere Verbraucher) im Niederspannungsnetz – und auch nur verpflichtend für Anlagen, die nach dem 1. Januar 2024 in Betrieb genommen wurden. Auch Unternehmensareale fallen daher unter §14a EnWG. Spediteure und Flottenbetreiber sind aber darauf angewiesen, dass ihre Fahrzeuge planmäßig laden, um ihr Geschäft am Laufen zu halten. Elexons Geschäftsführer Marcus Scholz warnt deshalb, dass Anpassungen an dem Gesetzestext geboten seien, um „die positiven Absichten des Gesetzes in vollem Umfang zu realisieren“.

Kurz ausgeholt: Die Novellierung von „14a“ geht noch auf das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium unter Peter Altmaier zurück. Anfangs stand noch die vollständige Abschaltung der Verbraucher im Raum, was aber enormen Widerstand provozierte und Altmaier den Entwurf zurückziehen ließ. Bewegung in die Sache kam abermals Mitte 2022 mit einem Entwurf, der die vollständige Abschaltung verwarf, im weiteren Verlauf wurde eine garantierte Mindestbezugsleistung von erst 3,7 kW und inzwischen 4,2 kW fixiert.

Die Leistung von Ladestationen darf nach aktuellem Recht also nicht auf weniger als 4,2 kW gedrosselt werden. Es sei denn, man betreibt mehr als neun steuerbare Verbrauchseinrichtungen über einen Anschluss, beispielsweise mehrere 22-kW-Ladestationen auf dem Firmenareal. Dann greift ein „Gleichzeitigkeitsfaktor“ von 0,45. Sprich: Die Ladestationen können dann nur noch mit 1,89 kW laden.

Mit solchen 22 kW-Ladestationen kann beim Depotladen über Nacht auch durchaus eine Lkw-Flotte versorgt werden. Vielleicht nicht die schweren Exemplare mit Batterien von 600 kWh oder mehr. Aber 16-Tonner für den städtischen und regionalen Einsatz können in zehn Stunden so 220 kWh nachladen – wenn eben nicht gedimmt wird.

elexon beispiel
Bild: Elexon

„Für größere Betriebe, die über zahlreiche Ladestationen verfügen, bedeutet dies, dass jede Ladestation erheblich weniger Leistung liefern kann als erwartet. Die Folge sind unverhältnismäßig lange Ladezeiten, die Betriebsabläufe erheblich stören können“, folgert Scholz. „Ein E-Lkw hat eine durchschnittliche Batteriekapazität von rund 400 kWh. Die Reduzierung der Ladeleistung auf 4,2 kW würde den Ladevorgang von wenigen Stunden auf mehrere Tage verlängern.“

Und: „Die Gesetzgeber haben sich nicht genug Gedanken gemacht. Denn bei 1,89 kW erfolgt keine Kommunikation mit dem Fahrzeug.“ Je nach Modell kann es dann zu einer Fehlermeldung kommen – und zu einem Ladeabbruch. Nach einem solchen Abbruch wird das Laden nicht mehr automatisch neu gestartet. Sollte es also dazu kommen, wäre das beim nächtlichen Laden auf dem Firmenareal höchst unpraktikabel. Denn neu gestartet werden müsste dann manuell.

Noch ist das ein theoretisches Szenario, da es seit Jahresanfang noch nicht zu einem derartigen Netzengpass gekommen ist, der den Eingriff von Verteilnetzbetreibern gemäß „14a“ erforderlich gemacht hat. „Aber was spielt es für das Business-Modell eines Unternehmens für eine Rolle, dass die Gefahr theoretisch gering ist? Die Sicherheit muss einfach vorhanden sein“, äußert Scholz.

Er und sein Team haben den §14a-Anwendungsfall für ein Unternehmen mit 40 AC-Wallboxen à 22 kW und dynamischem Lastmanagement durchgerechnet. Bei einer Runterregulierung auf 4,2 kW pro Ladepunkt und aktivierten Gleichzeitigkeitsfaktor liefern die Ladepunkte je 1,89 kW. Das dynamische Lastmanagement sorgt dafür, dass die Hälfte der Ladepunkte mit 4,2 kW laden, die anderen fallen komplett aus. Am Folgetag käme unter den 40 Flottenfahrzeugen die Hälfte auf einen Batteriestand von 40%, der Rest auf 5%.

Neben der Veröffentlichung seines Policy Paper zu diesem Thema sucht Elexon auch das Gespräch mit Parlamentariern. Auf unsere Frage, warum sich die Aachener als privatwirtschaftliches Unternehmen dieser Problematik annehmen, äußert Scholz, dass im Kontext von „14a“ nur der politische Weg bleibe, um das Thema noch einmal aufzubrechen. In der Tat ist Elexon auf das Laden von Logistikflotten spezialisiert und zählt etliche Logistik- und KEP-Branchenakteure zu seinen Kunden. Die Problematik kann das Unternehmen also mit dem Blick aus der Praxis in Gänze erfassen. Was Scholz umtreibt, ist unter anderem die falsche Vorstellung, dass die Gewerbekunden bei ihren Ladeanlagen vor allem auf Mittelspannung setzen, die in diesem Fall ebenso wie öffentliche Lader von „14a“ ausgenommen wären.

„Es wurde von der Beschlusskammer argumentiert, die für Gewerbetreibende notwendige Ladeinfrastruktur sei ohnehin mit den dort nötigen hohen Leistungen in der Regel ans Mittelspannungsnetz anzuschließen. Dem können wir nur widersprechen. Unsere Erfahrung aus mehr als 30.000 aufgebauten Ladepunkten im AC- und DC-Bereich zeigt, mehr als 90 % der Ladeparks der Logistiker sind ans Niederspannungsnetz angeschlossen.“

Aus der aktuellen Regelung ergeben sich aus Scholz‘ Sicht mehrere unerwünschte Effekte. Allen voran reduziere die unzureichende Verlässlichkeit das Vertrauen in die Technologie und die Investitionsbereitschaft. Außerdem könnten Unternehmen überdimensionierte Mittelspannungs-Anschlüsse bevorzugen – quasi als einzigen Ausweg, um der Gefahr der Leistungsbegrenzung im Niederspannungsnetz und dem damit einhergehenden Risiko für den eigenen Betriebsablauf zu entgehen. Die Alternative ist mit dem Bewusstsein zu leben, dass „14a“ irgendwann eintritt – und die Flotte eines Tages ohne oder nur mit unzureichend aufgeladenen Batterien dasteht.

Über einen Lösungsansatz hat Scholz mit seinem Team bereits nachgedacht – und zwar in Form einer „vernünftigen Ausnahmeregelung“. Ausgenommen sind bereits heute u.a. Feuerwehr, Polizei und THW. Scholz plädiert dafür, dass sich künftig Gewerbetreibende zwischen einer Drosselung und einem pauschalen Zuschuss zum Netzausbau entscheiden können sollen. „So wird jeder Betrieb in die Lage versetzt, selbst die Auswirkungen einer möglichen Drosselung vorab abzuwägen“, so Scholz. Wer sich „14a“ entzieht, soll aus Scholz‘ Sicht neben einem monetären Beitrag („zum Beispiel +10% zu den regulären Kosten der Leistungsbereitstellung“) auch zur Wahl eines variablen Stromtarif verpflichtet werden, der bei Spitzenbezug teurer ist. Denn auch das entfalte eine netzentlastende Lenkfunktion.

Scholz und sein Unternehmen betonen, dass sie die zum Jahreswechsel in Kraft getretene Gesetzesnovelle grundsätzlich begrüßen („es braucht Eingriffe ins Netz“), aber vor allem für entscheidende Akteure in der Mobilitätswende – zu denen er Logistiker, aber auch Handwerker und sonstige Flottenbetreiber zählt – nochmal nachgebessert werden müsse. Bei einem politischen Frühstück mit 21 Parlamentariern in Berlin sowie Vertretern von DPD und GLS machte Elexon jüngst auf das Dilemma aufmerksam. „Wir haben verdeutlicht, dass nicht die 4,2 kW das Problem sind, sondern dass bei eintretenden Gleichzeitigkeitsfaktor und den folgenden 1,89 kW die Ladevorgänge abbrechen können – und auch nicht mehr automatisch neu starten. Dessen waren sich die politischen Vertreter nicht bewusst, was ja verständlich ist. Sie sind ja keine Fachexperten“, so Scholz. Wichtig sei deshalb, dass bei solchen Gesetzen im Vorfeld künftig nicht nur Fahrzeughersteller, sondern auch Ladeinfrastrukturanbieter mit ihrer Praxiserfahrung angehört werden.

Quelle: Infos per E-Mail

9 Kommentare

zu „Paragraf 14a: Warum im Depot Lade-Abbrüche per Gesetz drohen“
Stefan
14.03.2024 um 12:50
Größere LKW-Fuhrparks sollten auf jeden Fall an das Mittelspannungsnetz oder eine eigene Trafostation in der Nähe bekommen, die am Mittelspannungsnetz hängt. Sonst nimmt nämlich diese Fuhrparks die Quelle der Überlastsituation oder haben zumindest einen großen Anteil an einer möglichen Überlastsituation.
Bernhard
15.03.2024 um 09:39
Also ich würde erstmal doppelt soviele Ladestationen hinbauen, wie ich grade brauche und/oder die kleineren Firmen/Mitarbeiterfahrzeuge dort verorten. Die Gesamtanlage darf nämlich laut "Festlegung zur Durchführung der netzorientierten Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a " die Formel "Pmin, 14a = 4,2 kW + (nsteuVE – 1) x GZF x 4,2 kW" nicht überschreiten. Heisst: 9 Elektro-LKW kaufen, und 20 Ladepunkte aufstellen, damit die Mitarbeiter auch am nächsten Tag anstecken können. Diese Ladungen können aber niedriger priorisiert werden. Heisst, die Reduktion auf die befürchteten 1,89 kW findet für die "Flotte" nicht statt. Innerhalb der Flotte kann auch der Batterieladestand ausgelesen werden, und die Ladung entsprechend der Disposition der Aufträge des nächsten Tages auf dem jeweiligen Fahrzeug priorisiert werden. Wenn die Verfügbare Leistung für externe zur Verfügung gestellt wird, fällt man aber komplett aus der Regelung des ENWG 14a raus. :-)
Schlaues Käpsele
14.03.2024 um 19:52
@Stefan endlich mal einer mor Licht am Fahrrad. Da hat ein "Experte" ja mal wieder recherchiert. Der sollte mal nachlesen wie lange da gedimmt werden darf. Eine Fuhrpark mit 22 kW zu über Nacht zu laden. Fragwürdig. Wenn man mal die Zeit abzieht, in der gedrosselt sein darf, dann ist das über Nacht auch kein Problem. Abgesehen dass das hier dargestellte Szenario eh Schwachsinn ist. Im weiteren werde die Netzbetreiber vermutlich nie dimmen. Für die wird es besser sein, das die Kerzen aus gehen. Wenn die einmal dimmen, dann müssen die innerhalb 2 Jahren die Leitungen ertüchtigen. Somit wird es nicht vorkommen das da in jeder Nacht gedimmt wird. Bitte erst mal den 14a durchlesen und verstehen. So eine Panikmache ohne Sinn und Verstand. Ich habe auch eine Wallbox. Ich lade meist aber nur mit 4,2 kW. Das ist im übrigen der Wert auf den gedimmt werden darf. Das ist mit dem Solarüberschuss für mich absolut ausreichend. Ich will auch in das Modell 1 wechseln. Da bekomme ich nun auf die Netze ntgelte ca 160 abgezogen. Das mache ich freiwillig. Für mich ist das ein kleines Sparschwein. Und wenn ich eine Flotte habe, dann ist ein Niederspannungsanschluss ggf. Der Falsche Anschluss, wenn man alle Fahrzeuge gleichzeitig laden will.
Gregor
14.03.2024 um 14:05
Ganz schön viel ??? wozu der Text nun dienen soll. Lustig fand ich die Quellenangabe "Quelle: Infos per E-Mail"Soweit ich 14a verstanden habe, ist die "Dimmung" möglich, zieht aber auch den Focus auf das Netzsegment und der NB kann das Dimmen nicht wahllos dauerhaft anwenden." auch in der Zukunft zu rechnen ist, müssen die Netzbetreiber diese in der Netzausbau- und Netzertüchtigungsplanung berücksichtigen.""Wenn die netzorientierte Steuerung oder die präventive Steuerung in einem bestimmten Netzbereich angewandt werden müssen und mit den entsprechenden Maßnahmen für diesen Bereich auch in der Zukunft zu rechnen ist, müssen die Netzbetreiber diese in der Netzausbau- und Netzertüchtigungsplanung berücksichtigen. Diesen Punkt gab es auch schon im Eckpunktepapier, auch wenn der Wortlaut etwas anders war.Neu dazu gekommen ist die explizite Vorgabe, bei der Netzausbauplanung die Maßnahmen der Abhilfe zur Vermeidung künftiger Steuerungseingriffe zu „prüfen“. Außerdem ist die Umsetzbarkeit der netzorientierten Steuerung bei der Netzausbauplanung nach §14a Ziffer 6.1 nun grundsätzlich berücksichtigt werden muss. Desweiteren müssen diese im Einklang mit den Regionalszenarien nach §14d EnWG geschehen."Quelle: https://envelio.com/de/paragraph-14a-enwg-ueberblick/
Gregor
14.03.2024 um 14:07
Mal abgesehen davon, das wir in DE ziemlich doof sind, das wir einen dauerhaften Strompreis als normal empfinden. In vielen anderen Ländern kann man das EAuto Nachts für nen Appel und nen Ei aufladen. Muss sollte sich dafür zu den Spitzenzeiten zurück halten.Ladesäulen in Neiderlande (die ja mehr und mehr Probleme haben den PV Strom abzutransportieren) die billig Fahrstrom bieten UND damit das Netz entlasten sind geil. Warum höre ich davon in DE noch nix? Autos stehen doch ehe 95% des Tages in der gegen herum.
Herrmann, Pablo
14.03.2024 um 14:29
Das kann man auch mit einem Speicher lösen, denn dann wird nicht das Laden der Autos gedimmt, sondern das Laden des Speichers. Der Speicher muss nur so groß sein, dass ich auf 80 % Ladekaperzität komme. Oder was man auch machen könnte, ist Ladepunkt mal 10, also 11kw = 110 kWh pro Stellplatz. Und Der Speicher sollte netz dinlich geladen werden, Wenn viel Strom im Netz zur verfügung steht. (bei günstigen bösen Strom Preis) Denn dann braucht kein Ladepunkt gedimmt werden
Sebastian Ewert
14.03.2024 um 15:52
Aus meiner Sicht findet §14a EnWG für Spediteure und Flottenbetreiber gar keine Anwendung. Der Paragraph gilt für Kunden im SLP (Standardlastprofil, 100.000kWh/a), damit greift der Paragraph nicht mehr. Warum nicht? Weil im Gesetz steht: "Dabei kann die netzorientierte Steuerung über wirtschaftliche Anreize, über Vereinbarungen zu Netzanschlussleistungen und über die Steuerung einzelner steuerbarer Verbrauchseinrichtungen erfolgen." Bei einem eigene Trafo oder RLM greifen die ersten beiden Punkte. Ja, die BnetzA spricht auch vom RLM, vermutlich, weil man sich den auch freiwillig bei kleineren Verbräuchen einbauen kann. Die BnetzA adressiert ausdrücklich nur das Niederspannungsnetz. Hier wird die nächste Kuh durchs Dorf getrieben, was nur die Unsicherheit der Kunden erhöht und der Elektromobilität schadet.
Gregor
15.03.2024 um 08:56
Genau so kommt mir der Artikel vor. Reine Panikmache und Fehlinformation zu 14a.
rag
14.03.2024 um 19:05
"Denn bei 1,89 kW erfolgt keine Kommunikation mit dem Fahrzeug.“ Je nach Modell kann es dann zu einer Fehlermeldung kommen – und zu einem Ladeabbruch. Nach einem solchen Abbruch wird das Laden nicht mehr automatisch neu gestartet."Das sind einfach Fahrzeuge mit einer dummen Software. Es gibt keinen Grund dafür, den Ladevorgang nicht automatisch neuzustarten, da es genug Autos gibt, die das können. Das kann durch ein Software-Update seitens Fahrzeughersteller behoben werden. Dazu braucht es keine Einmischung aus der Politik.

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