
„eTrucker“-App: Neues Tool soll E-Lkw probat zu passenden Ladern navigieren
In der Anfangszeit nutzten viele Speditionen Apps für Pkw-Ladeinfrastruktur, so Tobias Wagner, der unter dem Synonym „Elektrotrucker“ bekannt ist und als Fahrer für die Spedition Nanno Janssen arbeitet. Wesentliche Informationen wie Einfahrtsbreiten, Platzverhältnisse oder die grundsätzliche Lkw-Tauglichkeit fehlten jedoch häufig. Als Reaktion begannen laut Wagner viele Unternehmen, eigene Ladepunkt-Listen zu pflegen – etwa über Google My Maps. Erst nach und nach kamen Lade-Angebote auf den Markt, die eine europaweite Übersicht speziell für schwere Nutzfahrzeuge ermöglichen.
So bieten inzwischen Hersteller wie MAN oder Daimler Truck (über UTA Edenred) markenoffene Ladedienste mit Roaming-Funktion an. UTA Edenred hat seine Lösung UTA eCharge zwar kürzlich auf E-Lkw ausgeweitet, ermöglicht aber noch keine gezielte Filterung nach Truck-Ladestandorten. DKV Mobility hingegen meldet rund 1.900 nutzbare Lkw-Ladepunkte in Europa – alle Standorte werden dem Unternehmen zufolge vorab auf ausreichende Platzverhältnisse geprüft.
Auch die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur der bundeseigenen NOW bietet über ein Dashboard zumindest für Deutschland eine Übersicht zur öffentlich zugänglichen Lkw-Ladeinfrastruktur an – inklusive kleinerer Anbieter wie Dettendorfer Energy. Allerdings werden nur noch die Ladestandorte angezeigt, die eine Stellplatzlänge von mindestens 16,5 Metern aufweisen. Die Anzahl der erfassten Ladepunkte ist dadurch gesunken. Ladeplätze, bei denen Auflieger abgesattelt werden müssen, fallen ebenso aus der Anzeige wie Mischnutzungen mit Pkw. Ein entsprechender Filter existiert nicht.
Über 100.000 Kilometer Erfahrung im E-Lkw
In den vergangenen zwölf Monaten hat Tobias Wagner als Fernfahrer mit verschiedenen Elektro-Lkw-Modellen von Volvo Trucks, Scania, Iveco oder auch mit einem von fünf neu in der Spedition Nanno Janssen eingeflotteten Mercedes-Benz eActros 600 europaweit mehr als 100.000 elektrische Kilometer zurückgelegt. Er weiß aus Erfahrung, dass es zwar „in der Theorie viele Multi-Stopp-Routenplanungen gibt oder die Disposition entscheidet“, wo der Lkw aufgeladen werden soll. „Die Realität und die Kraft des Faktischen“ führten jedoch dazu, dass der Lkw-Fahrer als schwächstes Glied in der Kette immer selbst dafür sorgen muss, wo er aufladen kann. Umso wichtiger sei es, Fahrern geeignete Werkzeuge zur Verfügung zu stellen.
Ein Werkzeug von Lkw-Fahrern für Lkw-Fahrer
Ein solches Werkzeug haben Wagner, Michael Clarke und Matthias Brands nun mit „eTrucker“ entwickelt – eine kostenlose App für iOS und Android von Lkw-Fahrern für Lkw-Fahrer. Finanziert wird das Projekt unter anderem über Einnahmen durch Wagners YouTube-Kanal „Elektrotrucker“. Ziel der App ist es nicht, Ladevorgänge zu starten oder abzurechnen, sondern Informationen zu bündeln, zu validieren und nutzbar zu machen. Auch Preise werden nicht angezeigt.
Vor allem geht es den Initiatoren darum, ein Werkzeug bereitzustellen, das Informationen zu Ladestandorten vereinheitlicht, validiert und sie auffindbar macht. Dafür greift das Team auf öffentliche Datenbanken zurück und bezieht zusätzlich Informationen direkt von Ladepunktbetreibern. Diese haben laut Wagner aktiv dazu beigetragen, Daten wie Zugangsmöglichkeiten, Nutzungszeiten oder die generelle Lkw-Tauglichkeit zu erfassen. Herausgekommen sei „Europas größte Datenbank für Lkw-taugliche Ladeparks“.

Die App zeigt sämtliche erfassten Lkw-Ladepunkte an. Zu jedem Standort lassen sich Entfernung, Anfahrtszeit (Stichwort Einhaltung der Lenkzeit) und weitere Standortinfos abrufen – etwa Anzahl der Ladepunkte, maximale Ladeleistung, Öffnungszeiten oder ob ein Abkoppeln des Aufliegers nötig ist. Die Berechnung der Anfahrtszeit basiert übrigens auf der TomTom-API und berücksichtigt eine Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h sowie aktuelle Verkehrsdaten. Eine native Routenplanung ist derzeit nicht integriert. Darüber hinaus können Informationen zur Lade-Hardware (z. B. Ladesäulentyp, gekühlte Kabel) sowie Zusatzangebote wie sanitäre Einrichtungen oder Gastronomieoptionen hinterlegt werden.
Schwächen im Detail – und wie die App damit umgeht
Ein genauerer Blick zeigt, wo es aktuell noch hakt: So bietet Aral am Standort Tornesch zwar zwei Lkw-Ladeplätze mit Durchfahrt, doch im Belegungsstatus ist nicht erkennbar, ob diese Plätze gerade belegt sind. Ein weiteres Beispiel ist der ursprünglich für Pkw konzipierte Schnellladepark von Ionity in Quickborn. Zwar weist die App darauf hin, dass hier ein Abkoppeln erforderlich ist, doch wo der Auflieger abgestellt werden kann, bleibt offen.
Für das möglicherweise entstehende Problem unklarer Belegungsdaten bietet die App derzeit noch keine Lösung. Immerhin lassen sich Ladeparks, die eine Durchfahrt bieten, über einen Schieberegler gezielt herausfiltern. Ein zweiter Filter listet nur noch Ladepunkte, die sich für längere Ruhezeiten eignen – laut Tobias Wagner ein zentraler Punkt, da über 50 Prozent der Ladevorgänge am Ende der Schicht erfolgen. Ein dritter Filter erlaubt die Auswahl nach Ladesäulenbetreibern.
Community-Ansatz: Qualität durch kollektives Wissen
Obwohl das Team um Tobias Wagner zahlreiche Datenquellen zusammengeführt und geprüft hat, ist klar: In der Realität entstehen neue Ladeparks oft schneller, als sie in Apps erscheinen oder Informationen bereitgestellt werden können. Deshalb setzt „eTrucker“ von Beginn an auf einen Community-Ansatz – ähnlich wie man es vom Ladesäulenverzeichnis von GoingElectric oder Lemnet kennt.
Nutzer können über den Community-Feedback-Modus bestehende Ladeparks mit zusätzlichen Informationen versehen. Auch von Eco-Movement bereitgestellte Pkw-Ladestationen sind in der Karte sichtbar – allerdings nur beim starken Hineinzoomen. Solche Stationen lassen sich von der Community nachträglich auf Lkw-Tauglichkeit markieren. Nach Prüfung und Validierung durch das Team erscheinen sie in der App dann gut sichtbar. Gleiches gilt für neue Standorte, die ebenfalls gemeldet werden können.
Ein Ladepunkt gilt als Lkw-tauglich, wenn er mindestens 300 kW Ladeleistung bietet, über ausreichende Platzverhältnisse (inklusive Schleppkurven), genug Dachhöhe und eine barrierefreie Zufahrt verfügt. Auf diese Weise wurde die ursprüngliche Datenbasis von 575 Ladeparks durch die Community bereits um 100 zusätzliche ergänzt. Wagner ruft ausdrücklich auch Ladepunktbetreiber auf, neue oder aktualisierte Daten bereitzustellen.
Ausblick: Live-Daten, Bilder, Troubleshooting
Der Funktionsumfang der App ist bereits beachtlich – dennoch soll es nicht dabei bleiben. Ein Thema aus der Community ist die Einbindung von Live-Daten aus E-Lkw, etwa dem State of Charge (SoC) über Cloud-Anbindung – ähnlich wie man es von Elektroautos kennt. Auch technische Hinweise wie Anleitungen zur Notentriegelung des CCS-Steckers am eActros 600 oder fahrzeugspezifische Einschränkungen könnten künftig in der App Platz finden.
Ein häufig genannter Wunsch sind Fotos oder grafische Darstellungen der Ladeumgebung. Zwar lassen sich Informationen derzeit in Textform hinterlegen, doch perspektivisch wären auch visuelle Layouts denkbar – mit markierten Fahrwegen, Absattelbereichen und Wendemöglichkeiten. Die Pflege soll dann ebenfalls gemeinschaftlich durch die Community erfolgen.
„eTrucker“-Chip für bilaterale Ladevereinbarungen
Bereits konkreter ist der sogenannte „eTrucker“-Chip, mit dem sich Ladefreigaben individuell organisieren lassen sollen. Ziel ist es, dass Speditionen die Chips bei mehreren Ladesäulenbetreibern hinterlegen können. Der Fahrer hätte dann nur noch den Chip bei sich, um Ladevorgänge freizuschalten. In der App lässt sich per Filter einstellen, dass nur Standorte angezeigt werden, an denen der hinterlegte Chip funktioniert.
Tobias Wagner rechnet aber nicht damit, dass große Anbieter wie Aral, Ionity oder Milence den Chip kurzfristig integrieren. Vorerst sollen vor allem kleinere Betreiber profitieren – insbesondere solche, die nicht ans Roaming angebunden sind. Sie könnten den Chip in ihr System einpflegen und die Ladevorgänge im Nachgang über die Spedition abrechnen.
Ein erstes Pilotprojekt für den Chip mit Nanno Janssen als Spedition sowie Energie Südbayern (ESB) und CEC Mobility als Ladesäulenbetreiber steht bereits in den Startlöchern. Sie wollen das System mit dem Chip testen, Interessierte könnten sich jedoch melden, um teilzunehmen.
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