Bild: Einride

Fraunhofer-Studie: Smarte Einbindung ist für E-Lkw essenziell

Wer Diesel-Lkw 1:1 durch Elektro-Lkw ersetzt, kann häufig nicht den kompletten Einsatzbereich des Diesel abdecken. Kompensieren lässt sich das aber durch eine Anpassung der Touren und Betriebsabläufe innerhalb der gesamten Flotte. So das Ergebnis einer neuen Fraunhofer-Studie.

Aus ihrer Analyse schlussfolgern die Fraunhofer-Forscher, dass eine optimierte Einsatzplanung die Potenziale von Elektro-Lkw deutlich erhöhen und Kosten senken kann. Dazu hat das Fraunhofer-Institut ISI zusammen mit dem Technologie- und Transportunternehmen Einride über 38.000 Lkw-Lieferungen des Lebensmittelkonzerns Rewe analysiert. „Dabei zeigt sich, dass eine digitalisierte und optimierte Einsatzplanung eine höhere Elektrifizierung ermöglicht als der reine Austausch von dieselbetriebenen Fahrzeugen durch Elektro-Lkw – und zusätzlich die Gesamtkosten senken kann“, so die Autoren.

Während es sich bei Einride um ein Unternehmen handelt, das mit solchen optimierten Einsatzplanungen für E-Lkw sein Geld verdient, handelt es sich beim federführenden Fraunhofer-Institut um eine unabhängige Forschungseinrichtung. Die Studie veröffentlichte das Institut jüngst unter dem Titel „Beyond replacing diesel trucks: how optimized fleet planning increases electrification and lowers transportation costs“ (zu deutsch: „Mehr als nur Diesel-Lkw ersetzen: Wie optimierte Flottenplanung die Elektrifizierung fördert und Transportkosten senkt“).

Ihrer Analyse voran stellen die Fraunhofer-Wissenschaftler die Feststellung, dass die Inbetriebnahme von E-Lkw vielerorts nur langsam erfolgt, obwohl sie in vielen Fällen schon einsetzbar wären – „und wenn, dann werden Diesel-Lkw oft 1:1 durch Elektro-Lkw ersetzt, ohne aber bestehende Touren und Betriebsabläufe grundlegend anzupassen“. Vor diesem Hintergrund hat die Studie untersucht, welche Potenziale durch eine Elektrifizierung von Lkw-Flotten entstehen, wenn gleichzeitig Touren neu geplant und die spezifischen Besonderheiten von Elektro-Lkw berücksichtigt werden.

Daten von über 200 Diesel-Lkw und 38.000 Lieferungen

Die Untersuchung basiert auf Logistikdaten des Lebensmitteleinzelhändlers Rewe aus dem Jahr 2021. Diese umfassen mehr als 38.000 Lieferungen von zwei Verteilzentren zu gut 500 Filialen – durchgeführt von über 200 dieselbetriebenen Lkw in einem Umkreis von 230 Kilometern. Die Studie vergleicht zwei Szenarien: den direkten Austausch der dieselbetriebenen Fahrzeuge durch ein Batterie-elektrisches Pendant sowie eine KI- und softwaregestützte, optimierende Neuplanung bei der Einsatz- und Ladeplanung – nicht für jedes Fahrzeug separat, sondern auf Flottenebene koordiniert.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass die optimierende Neuplanung von Touren und Einsatzplänen im Vergleich zum simplen Fahrzeugtausch zu deutlich höheren Elektrifizierungsanteilen führt: So konnten laut den Autoren bis zu 85 Prozent der Gesamtnutzlast und 54 Prozent der Gesamtkilometerleistung der vorher eingesetzten Diesel-Lkw durch Elektro-Lkw bewältigt werden. Stellt man diesen Resultaten das Szenario eines reinen 1:1-Fahrzeugtausches gegenüber, schafften die eingesetzten Elektro-Lkw ohne Anpassung der Touren nur 57 Prozent der Gesamtnutzlast beziehungsweise 32 Prozent der Gesamtkilometerleistung im Vergleich zu den Diesel-Lkw.

Die ökonomische Dimension

Darüber hinaus zahlt sich die integrierte Betrachtung von Elektro-Lkw in Kombination mit einer Neuplanung der Touren den Studienmachern zufolge auch ökonomisch aus: „In beiden Szenarien sinken die Gesamtkosten im Vergleich zu einer rein dieselbetriebenen Flotte, doch durch die gezielte Tourenoptimierung reduzieren sich die Betriebskosten auf Flottenebene um acht Prozent mehr gegenüber reinen Diesel-Flotten.“ Werden Diesel-Lkw hingegen einfach durch Elektro-Lkw ersetzt, liege die Kosteneinsparung bei lediglich drei Prozent – und sei stark von den Anschaffungskosten und Investitionszuschüssen abhängig.

Patrick Plötz, der am Fraunhofer ISI das Geschäftsfeld Energiewirtschaft leitet und die Forschungsarbeit des Instituts in der Studie koordinierte, betont: „Die Ergebnisse unserer Studie verdeutlichen: Wenn Flottenbetreiber ganz oder teilweise auf Elektro-Lkw umsteigen, sollten sie auch ihre Touren optimieren, um Kosten zu sparen und den Betrieb der Lkw-Flotte möglichst effizient zu gestalten.“ Eine entsprechende Planung, die Routen- und Ladeplanung auf Flottenebene integriert, habe eine größere Wirkung als etwa die Erhöhung der Batteriegrößen oder der unkoordinierte Ausbau von Ladeinfrastruktur. „Entsprechende Softwaresysteme sollten weiterentwickelt und implementiert werden, um in Zukunft den Betrieb großer gemischter Lkw-Flotten besser bewältigen zu können.“

Kompetenzaufbau bei Logistikunternehmen erforderlich

Die Auswertung unterstreicht laut den Experten zudem den notwendigen Kompetenzaufbau bei Logistikunternehmen. Denn die Planung und Steuerung gemischter Flotten mit Batterie- und Diesel-betriebenen Fahrzeugen erfordere neue Ansätze und Tools. Gleichzeitig gelte es, bestehende Kennzahlen zur Flottenbewertung zu ergänzen, um der Dynamik und den spezifischen Anforderungen elektrischer Antriebe gerecht zu werden.

Roozbeh Charli, CEO von Einride, resümiert: „Mit dieser Studie sagen wir nicht nur, dass KI den Güterverkehr verändern wird – wir belegen es mit Daten. Die quantifizierbare Wirkung KI-gesteuerter Planung ist ein entscheidender Fortschritt für die Branche. Indem wir diese Erkenntnisse schon heute gewinnen, schaffen wir die Grundlage für zukünftige Entwicklungen, die das nächste Kapitel des nachhaltigen Güterverkehrs prägen werden.“

Rewe hat in der Zwischenzeit zusätzliche E-Lkw beschafft und kooperiert dabei etwa im Raum Berlin auch weiter mit Einride. So flottete der Händler 2023 im Rahmen der Partnerschaft sieben vollelektrischen Lkw ein, die von den Logistikzentren in Oranienburg und Berlin-Mariendorf aus rund 306 Supermärkte in Berlin und Brandenburg beliefern. Die sieben eActros 300 haben jeweils ein zulässiges Gesamtgewicht von 27 Tonnen, 18 Europaletten-Stellplätze und dank 336 kWh Batteriekapazität eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern.

Die Beschaffung und der Betrieb der E-Lkw über Einride steht in direktem Zusammenhang mit dem 2021 vollzogenen Pilotprojekt, über das wir seinerzeit auch berichtet hatten und das nun die Daten für die Studie geliefert hat. Laut einem früheren Statement von Sven Wallisch, Leiter Transportlogistik Region Ost, war die Teilnahme an dem Forschungsprojekt sehr hilfreich und motivierend: „Die Studie hat gezeigt, dass die aktuell verfügbaren Reichweiten von Batterie-Lkw heute schon oft ausreichen, um die in der Studie analysierten städtischen Lkw-Touren und fast die Hälfte der betrachteten regionalen Touren mit E-Lkw zu schaffen.“

Der Lebensmittelhändler führte daraufhin diverse Tests zu alternativen Antriebsformen durch. 2023 berichteten wir etwa über die Erprobung eines Wasserstoff-Lkw vom Typ Hyundai Xcient Fuel Cell am Logistikzentrum der Rewe Region West in Köln-Langel. Bei solchen Tests werden „unter anderem prozessuale Auswirkungen und Verbrauchskennziffern analysiert. Die Ergebnisse bilden die Basis für die zukünftigen Entscheidungen bei den Flottenbeschaffungen“, teilte Rewe seinerzeit mit.

isi.fraunhofer.de

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