
Unabhängig von Erdöl und Co: Das Elektroauto ist Freiheit
Wie viele Kriege wurden und werden ums Erdöl geführt? Das schwarze Gold ist vielfach zur schwarzen Pest geworden. Außerdem ist das massenhafte Verbrennen fossiler Ressourcen der Antrieb für den Klimawandel. Das ist die bekannte, aber gerne vergessene Wirklichkeit. Das Schöne: Wir leben in einer Ära, in der die Welt das Erdöl überwindet. Und hier leistet das Elektroauto einen elementaren Beitrag.
Und der Strom kommt aus der Steckdose? Ja. Wie er hinein kommt, ist eine andere Frage. Betrachten wir zu Beginn die Ist-Situation bei Erzeugung in Deutschland: Die Datenlage des Fraunhofer ISE weist in den Energy Charts – der wohl besten Statistik, die unter Leitung von Professor Bruno Burger aufgebaut wurde und erweitert wird – zum Redaktionsschluss einen Anteil der erneuerbaren Energien von 62,2 Prozent für das laufende Jahr aus.
Noch ist die Onshore-Windkraft am wichtigsten (22,5 Prozent), gefolgt von der stark wachsenden Fotovoltaik (119,8 Prozent), Biomasse (8,7 Prozent), Offshore-Windkraft (5,4 Prozent) und Laufwasserkraftwerken (4,2 Prozent) sowie weiteren Quellen.

Kritiker monieren, dass es zwar bei der Stromerzeugung gut laufe, aber eben nicht alles mit elektrischer Energie arbeite. Stimmt: Die AG Energiebilanzen stellt fest, dass der Anteil der Erneuerbaren 2024 lediglich 20 Prozent des gesamten deutschen Primärenergiebedarfs gedeckt hat. Mineralöl, das zum Fahren, Fliegen und Heizen eingesetzt wird, kam auf 36,4 Prozent. Erdgas, das für Prozesswärme und fürs Heizen verbrannt wird, lag bei 25,9 Prozent.
Die Sektorkopplung kommt
Was logischerweise gebraucht wird, um voranzukommen und international konkurrenzfähig zu bleiben, ist die Sektorkopplung, also die Nutzung von Strom für alles, was damit funktioniert – und das sind vor allem der Straßenverkehr und die Gebäudewärme. Positiv ist, dass die physikalischen Energiemengen der fossilen Ressourcen nicht eins zu eins umgerechnet werden müssen, weil Elektroautos und Wärmepumpen ungleich effizienter sind als Verbrennungsmotoren und Gasheizungen.
Der Zubau der erneuerbaren Energien und allen voran der Fotovoltaik und der Windkraft folgen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen: Nichts ist so preisgünstig wie der Strom aus diesen Anlagen, und speziell die Solarenergie verspricht noch billiger zu werden, als sie es schon ist.
Das hat die Industrienation mit dem zweitgrößten Bruttosozialprodukt der Welt (Deutschland ist übrigens auf Platz drei) begriffen: China baut massiv zu. Und warum? Weil sie’s können, und zwar aus den eigenen Fabriken. Zugegeben, mit 32,3 Prozent Renewables-Anteil der Stromproduktion hat China noch Nachholbedarf; das Tempo, mit der das Riesenland unterwegs ist, sollte aber nicht unterschätzt werden. Der Hochlauf der Renewables in China ist steiler als der aus anderen Kraftwerken, und der Treiber ist zuerst die Ökonomie. Weil es schlichtweg günstiger ist.
Peak CO2 bis 2030
Die Ökologie folgt: Das Wachstum der jährlichen CO2-Emissionen auf der Erde hat sich stark verlangsamt. Bis 2030 könnte der Peak erreicht und der Rückgang eingeleitet sein. Die CO2-Emissionen brauchen rund zehn Jahre, um in der Atmosphäre wirksam zu sein. Ab 2040 ist also mit einer veränderten Dynamik im Klimasystem zu rechnen.
Der Klimaschutz ist politisch zurzeit nicht hip. Das kann sich aber mittelfristig und durch Einzelereignisse leicht ändern; Sturzfluten wie im Juli in Texas (USA) mit weit mehr als 120 Toten, darunter vielen Kindern, oder im November im spanischen Valencia mit 211 Opfern sind jederzeit auch in Deutschland vorstellbar. Die Erinnerungen an das Ahrtal sind noch sehr präsent.
Im Verhältnis zu den ganz großen Maßstäben scheint das eigene Elektroauto eine nur geringe Bedeutung zu haben. Trotzdem: Die Masse macht’s.
Stop burning stuff, klar, das ist bei jedem Elektroauto direkt so und indirekt über die Stromquelle zu einem immer höheren Prozentsatz. Worauf es jetzt ankommt, ist die Integration ins Energiesystem. Und die kommt zweistufig.
Netzdienliches Laden entlastet alle Stromkunden
Die erste Stufe ist schon da, nämlich das netzdienliche Laden in Abhängigkeit der Stromproduktion. Was das bedeutet, erklärt Marcus Fendt, Geschäftsführer von The Mobility House. Das Technologieunternehmen bietet konkrete Ladelösungen an: „Ein intelligent geladenes Elektroauto verursacht nur ein Drittel der Kosten im Stromsystem im Vergleich zu einem unflexibel betriebenen Fahrzeug. Es kann mehr günstige erneuerbare Energie ins System integriert werden, es müssen weniger Netze ausgebaut werden und es braucht auch weniger fossile Kraftwerke.“ Damit, so Fendt, senken Elektroautos die Stromkosten für alle Kundinnen und Kunden.
Das hat auch der Staat erkannt, der das netzdienliche Laden über zeitbasiert reduzierte Netzentgelte fördert. Stichwort: Paragraph 14 des Energiewirtschaftsgesetzes. Wie das geht, erfahren Sie hier. Der zähe Rollout von intelligenten Messsystemen in Deutschland verhindert, dass die Integration schneller vorankommt.
Eigentlich ist darüber hinaus das bidirektionale Laden als Stufe zwei fertig. Etliche Elektroautos, zum Beispiel fast alle Volkswagen mit 77-Kilowattstunden-Batterie, sind dafür vorbereitet. Was fehlt, ist die gesetzliche Gleichstellung.
Das Elektroauto als Teilnehmer am Strommarkt
Hierzu sagt Marcus Fendt von The Mobility House: „Die Bundesnetzagentur fördert lieber Finanzinvestoren von Großspeichern statt der heimischen Automobilindustrie und belastet bidirektionale Elektroautos mit doppelten Netzentgelten.“ Übersetzt: Sobald die mobilen Speicher = Elektroautos den stationären Großspeichern rechtlich gleichgestellt sind, hebt das bidirektionale Laden wirtschaftlich und real ab.
Wie das geht, ist in Frankreich zu sehen, wo Renault-5-Fahrer praktisch mehrere Tausend Kilometer pro Jahr kostenfrei fahren können. Sie erhalten unter bestimmten Voraussetzungen zehn Cent für jede Stunde, die ihr Elektroauto am Kabel hängt und so fürs Trading an der Strombörse zur Verfügung steht.
Auch andere europäische Nationen sind innovativ. In Schweden zum Beispiel testet Volkswagen in Kooperation mit Vattenfall und Ambibox aus Deutschland das bidirektionale Laden. Ambibox hat mit dem schrittweisen Hochlauf der Serienproduktion von DC-Wallboxes begonnen.
Solche Projekte stehen als Teil fürs Ganze. Und das Ganze heißt: Elektroautos verdrängen jene mit Verbrennungsmotor. Die Frage ist nicht, ob das passiert, sondern in welcher Geschwindigkeit. Die Integration ins Energiesystem beschleunigt diesen Prozess und macht ihn preisgünstiger.
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