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Rüdinger Spedition: Von zehn auf 30 Elektro-Lkw im Zeitraffer

Die Rüdinger Spedition hat zehn E-Lkw in der Flotte und bekommt ab jetzt jede Woche einen neuen hinzu – bis es in einigen Monaten rund 30 Elektro-Trucks sein werden. Parallel hat der Familienbetrieb diese Woche eine knapp 40 Meter lange Overhead-Ladeanlage eröffnet – vermutlich einmalig in Süddeutschland. Wir haben bei Roland Rüdinger nachgefragt, was seine Firma antreibt.

Bei Rüdinger Spedition handelt es sich um einen großen Logistikspezialisten mit Hauptsitz in Krautheim im Nordosten von Baden-Württemberg. Eine Niederlassung betreibt die Spedition auch in Attendorn im südlichen Sauerland, eine weitere Zweigstelle findet sich in Jesteburg bei Hamburg. Rund 650 Mitarbeiter halten bei Rüdinger ein Logistiknetzwerk mit etwa 220 knallorangefarbenen Lkw am Laufen. Die Region Hohenlohe und angrenzende Gegenden bildet dabei das Herzstück des Geschäftsgebiets. Und hier werden aktuell immer häufiger E-Lkw eingesetzt.

Denn die Rüdinger Spedition hat im September 2023 die ersten XXL-Stromer eingeflottet und sich zum Ziel gesetzt, bis 2027 die gesamte Nahverkehrsflotte auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Aktuell sind bereits zehn Elektro-Lkw im Dienst. Bis 2026 sollen 30 der 60 Fahrzeuge im Nahverkehr strombetrieben sein. Ein Jahr später dann alle. Dabei setzt Rüdinger auf verschiedene Modelle von Renault Trucks und Daimler Truck, darunter Batterie-elektrische Sattelzugmaschinen ebenso wie Verteiler-Lkw.

„Weg suchen, der wirtschaftlich tragfähig ist“

Geschäftsführer Roland Rüdinger hat diesen Plan mit seinem Team unter der Prämisse ausgearbeitet, dass sich die Beschaffung und der Einsatz der E-Lkw wirtschaftlich lohnt, „aber der Grad ist sehr schmal“. Rüdinger gehört nicht zum Typus euphorischer Pionier oder Technik-Freak, sondern eher zur Sorte vorausschauender Pragmatiker. Die Antriebswende kommentiert er mit den Worten: „Wir kommen ja nicht drumherum, also machen wir’s rechtzeitig. Wichtig ist, einen Weg zu finden, der wirtschaftlich tragfähig ist. Das ist nicht trivial, eher ziemlich mühsam.“ Das macht er beispielsweise daran fest, dass die Vorteile der Maut-Ersparnis bei E-Lkw nur greifen, wenn man möglichst viel fährt. „Viel fahren ist bei E-Lkw mit ihrer limitierten Reichweite aber schwierig – ein klassischer Zielkonflikt.“

Die Spedition legt nun deshalb mit Einsatzprofilen los, die E-Trucks gemeinhin liegen: Also Distanzen in den angrenzenden Regionen wie Schwäbisch Hall, Hohenlohe, Neckar-Odenwald oder Main-Tauber – gekoppelt mit einer Ladestrategie, die das Laden ausschließlich auf dem Firmengelände vorsieht. Dafür hat das Unternehmen jetzt die Voraussetzungen geschaffen. Mit einer neuen Overhead-Ladeanlage mit sieben Ladepunkten à 50 kW, die weitere sieben konventionelle HPC-Ladepunkte an Säulen (mit Ladeleistungen bis 400 kW) ergänzen.

Die Kombination aus Boden- und Überkopf-Ladeinfrastruktur ist dabei speziell auf die Anforderungen der logistischen Abläufe von Rüdinger zugeschnitten. „Sie sorgt dafür, dass wir das Bestandsgelände optimal nutzen und keine Parkplätze wegfallen“, merkt der Geschäftsführer an. Die Overhead-Lader werden bei dieser Art der Installation von einer knapp 40 Meter langen Traverse herabgezogen. Die klassischen Ladesäulen mit den insgesamt sieben weiteren Anschlüssen stammen von Kempower, Alpitronic und Ekoenergetyka.

Verschiedene Ladeleistung – je nach Verweildauer

Die Lkw aus dem Zweischicht-Betrieb dürfen tagsüber zwischendurch an die Lader mit hohen Leistungen über 200 kW, für alle die nur eine Schicht fahren, stehen allen voran die Lader mit 50 kW zur Verfügung. „Alle Fahrzeuge ab 19 Tonnen abwärts laden bei uns auch schon mal an einen unserer zwölf Pkw-Normallladern“, schildert Roland Rüdinger. Da seien auch in zehn Stunden 220 kWh nachgeladen. Jedenfalls bei den Renault Trucks, die für ihre starke AC-Ladeleistung bekannt sind (fahrzeugseitig 43 kW AC, an den Ladern bei Rüdinger ziehen sie die säulenseitig möglichen 22 kW AC).

Grundsätzlich gibt der Stromanschluss auf dem Krautheimer Gelände einen Megawatt Leistung her. Damit muss die Spedition laut ihrem Chef auskommen. Eine Photovoltaikanlage auf den Hallendächern speist bei Sonnenschein zwar zusätzlich lokal generierten Strom ins Standort-Energiesystem ein, dennoch muss Rüdinger Spedition zum weiteren Ausbau der Ladeanlage gut rechnen und künftig mit Pufferspeichern arbeiten. Dass es weitere Ladepunkte braucht, steht außer Frage: Bei bald 30 E-Lkw muss die Ladeinfrastruktur des Standorts weiter mitwachsen. Wichtig werden wird dabei laut Roland Rüdinger ein Lademanagmentsystem , das das Unternehmen aktuell einführt.

Auch E-Lkw mit 500 km Reichweite in der Beschaffung

Zurzeit besteht der strombetriebene Fuhrpark im Einzelnen aus zwei Mercedes-Benz eActros 300 und zwei Renault Trucks D mit 19 Tonnen zulässiger Gesamtmasse sowie sechs Renault-Sattelzugmaschinen („Renault Trucks T“). Hinzukommt ein elektrischer Transporter der 3,5-Tonnen-Klasse. Die Reichweiten dieser Fahrzeuge liegen nach Schätzung der Verantwortlichen zwischen 250 und 400 Kilometern. Erweitert wird die Flotte in den kommenden Monaten um 20 E-Lkw von Daimler Truck, darunter weitere eActros 300, aber auch größere eActros 600 mit 500 Kilometer Reichweite sowie ein kleinerer Fuso eCanter mit 7,5 Tonnen.

Den Aufbau des gesamten eMobility-Ökosystems bezeichnet Roland Rüdinger als Kraftakt, der zum normalen Kerngeschäft gestemmt werden muss. „Zum Glück hat mein Sohn eine Bachelor-Thesis zu dem Thema geschrieben“, äußert der Geschäftsführer. So habe zumindest einer in der Familie Zeit gehabt, sich richtig in die Thematik zu vertiefen. Rüdinger selbst kommentiert schmunzelnd, dass er durch Learning-by-Doing jetzt maximal auf der Stufe des dritten Semesters Elektrotechnik angekommen sei. Was er aber definitiv schon sagen kann: „Ein gelungener Einsteig in die E-Mobilität setzt ein gutes Doppelpass-Spiel zwischen Fuhrpark und Ladeinfrastruktur voraus.“

Technikpartnerschaft mit der Netze BW

Know-how aufgebaut hat die Geschäftsleitung aber nicht nur Führungs- und Familien-intern. Sie hat auch externe Partner ins Boot geholt. Für den nun neu eröffneten Teil der Depot-Ladeanlage (10 der 14 Ladepunkte) allen voran die Dienstleistungssparte der Netze BW, die die Spedition sowohl energiewirtschaftlich beraten, als auch den Ladepark für sie geplant und errichtet hat. Zur Einweihung kam diese Woche denn auch Vorstand Dirk Güsewell von der EnBW, zu der die Netze BW GmbH gehört – begleitet von Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg, der das Projekt würdigte und gleichzeitig die gelungene Förderung betonte („Projekte wie der Depot-Ladepark in Krautheim zeigen, wie durch Zusammenwirken zwischen Herstellern, Logistik- und Energiewirtschaft der notwendige Wandel beschleunigt werden kann“).

In der Tat bezuschusst das Land sowohl die Ladeanlage als auch die E-Lkw-Beschaffung von Rüdinger Spedition mit insgesamt gut einer Million Euro (aus den Landesförderprogrammen BW-e-Trucks und TruckCharge@BW). Denn in Baden-Württemberg gibt es im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern eine eigene Subvention, die u.a. 30 Prozent der Mehrkosten von E-Lkw gegenüber Diesel abdeckt. Roland Rüdinger hält diese Förderung zweifellos für wichtig, betont aber, dass es hier um Mehrkosten geht, die anteilig gedeckt werden. Der Investitionswille und der Mut, sich in die Förder-Bürokratie zu begeben, muss also dennoch von den Firmen aufgebracht werden.

Für die Netze BW ist das Projekt derweil eine Blaupause, wie eine Ladeanlage integriert werden kann, ohne den Betriebsablauf zu stören. „Der Depot-Ladepark in Krautheim setzt neue Maßstäbe für praxisgerechte und skalierbare Ladeinfrastruktur im Schwerlastbereich“,ist das Unternehmen sicher. Solch eine Anlage sei in Süddeutschland bisher einmalig.

netze-bw.de, spedition-ruedinger.de, renault-trucks.de

4 Kommentare

zu „Rüdinger Spedition: Von zehn auf 30 Elektro-Lkw im Zeitraffer“
Andreas V.
04.09.2025 um 13:54
Sehr gut!!
simon
04.09.2025 um 15:30
Deswegen sollte man auch 22kW AC anbieten, es gibt Fälle in denen reicht das aus. Ich finde die LKW Hersteller sollten bei der neuen Technologie nicht immer auf den Cent optimieren sondern eher mehrere Varianten mal auf den Markt werfen. Im Best Case gewinnt man nur wegen der Option auf 22kW AC Kunden, die dann weitere LKWs der Marke kaufen. Toll das Renault das anbietet, andere Hersteller leider nicht.
Josef
04.09.2025 um 15:31
„Viel fahren ist bei E-Lkw mit ihrer limitierten Reichweite aber schwierig – ein klassischer Zielkonflikt.“Er hat sicher noch nichts vom Elektrotrucker gehört...von Ostfriesland nach Anatolien und von dort aus nach Lissabon...in wenigen Tagen. Er kommt auf Tagesleistungen wie ein Diesel LKW auch.
Ulf
04.09.2025 um 16:06
Einfach mal im Artikel lesen, was für Fahrzeuge er gerade in der Flotte hat. Die Fernverkehr-Lkw mit hohen Reichweiten kommen erst noch. Und ein eActros 300 ist im Vergleich zum Diesel in der Reichweite beschränkt und kann aufgrund der Ladezeiten nicht so wie ein Diesel eingesetzt werden. Der Elektrotrucker fährt auch nicht mit 250km Reichweite quer durch Europa. Nicht jeder Spediteur kann sich aus dem Stand so viele eActros 600 oder Vergleichbares leisten. Ich weiß auch nicht, wie Nanno Janssen die ganzen neuen Fahrzeuge bezahlt.

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