Bild: Daimler Truck

Stuttgart: SSB sattelt im großen Stil auf E-Busse um

In der Stuttgarter Innenstadt sollen ab 2027 nur noch emissionsfreie Busse im Linienbetrieb eingesetzt werden. Die SSB macht deshalb Tempo bei der Integration von Elektrobussen. Eine Schlüsselrolle spielen ihre Depots in Gaisburg und Möhringen. Die großen Ladeanlagen für beide Standorte verantwortet ein Stuttgarter Nachbar: Daimler Buses. Die erste Anlage ist jetzt in Betrieb gegangen.

Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) packt seit mehreren Jahren neben ihrer Kerntätigkeit die Antriebswende ihrer Flotte an – mit allen Herausforderungen, die damit verbunden sind. „Für die SSB ist die Umstellung auf lokal emissionsfreie Busse der größte Transformationsprozess in fast hundert Jahren Linienbusverkehr in Stuttgart“, unterstreicht Thomas Moser, Vorstandssprecher und Technischer Vorstand der SSB. Die baden-württembergische Landeshauptstadt hat verfügt, dass bis 2027 die Buslinien in der Innenstadt im regulären Linienverkehr auf emissionsfreie Busse umgestellt werden sollen. Dazu muss die SSB bis zu 80 Dieselbusse durch neue Fahrzeuge ersetzen.

Spätesten seit diesem Jahr ist das ÖPNV-Unternehmen von der Planungs- und Testphase in die Realisierungsphase eingetaucht. 20 Gelenkbusse vom Typ Mercedes-Benz eCitaro G und eCitaro G fuel cell fahren bereits in Stuttgart, 43 weitere eCitaro Solo- und Gelenkbusse folgen sukzessive bis Oktober 2026. Parallel hat die SSB dieser Tage auf dem Busbetriebhof in Möhringen eine Ladeanlage mit 28 Ladepunkten in den Regelbetrieb überführt. Die Overhead-Anlage arbeitet mit Pantografen, die bis zu 180 kW Strom übertragen können.

Daimler Buses als Depot-Elektrifizierer

Als Technikpartner für den Bau der Ladeanlagen hat die SSB Daimler Buses in der Rolle des Generalunternehmers engagiert. Zwischen Möhringen und dem Firmensitz des Busherstellers in Leinfelden-Echterdingen liegen gerade einmal zehn Autominuten. Man kennt sich in den Stuttgarter Vororten. Daimler Buses schnürte für die SSB also ein Komplettpaket aus Ladepunkten, E-Bussen und Service- bzw. Wartungsleistungen. Als Generalunternehmer verantwortete der Hersteller dabei auch die gesamten Stahlarbeiten, die vollständige Elektroinstallation oder die Installation des Lademanagementsystems (der Firma Sinos).

Was die Anlage in Stuttgart-Möhringen angeht, lieferte Power Electronics wesentliche Elemente der elektrischen Ausstattung zu, teilen die Verantwortlichen mit. Außerdem musste zur Stromversorgung der Ladeanlage die Übertragungsmöglichkeit aus dem Netz des öffentlichen Energieversorgers erweitert werden. Dazu wurde auf dem Gelände der SSB ein Trafo gebaut, so dass nun eine Leistung von vier Megawatt zur Verfügung steht. „Das Unterwerk mit seinen Schaltanlagen für die Mittel- und Niederspannung wird direkt aus der Ringleitung aus dem Netz des Stromversorgers mit zehn Kilovolt (10 kV) gespeist. Die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach der Netzstation sowie auf der Stahlkonstruktion der Busaufstellfläche ist bereits vorgesehen“, führt der Busbetreiber aus.

Neben Möhringen wird auch im Depot Gaisburg an der Elektrifizierung gearbeitet. Die Ladeanlage an ersterem Standort ist seit vergangener Woche regulär in Betrieb, nachdem der Probebetrieb Mitte Juni 2025 begann. Die Ladeanlage in Gaisburg soll im Spätherbst 2025 in der ersten Baustufe ihren Betrieb aufnehmen. Dort sind ebenfalls in Verantwortung von Daimler Buses 37 Ladepunkte geplant (33 auf einer Overhead-Anlage und 4 kabelgebundene Lader), sodass beide Depots zusammen bald 65 Anschlüsse bieten. Das allein wird für die ambitionierten Pläne des Stuttgarter ÖPNV-Betreibers aber nicht reichen. So ist zusätzlich der Bau von Ladern entlang einzelner Innenstadtlinien geplant, um künftig auch während des Linienbetriebs zwischenladen zu können. „Die Realisierung gestaltet sich sehr anspruchsvoll“, betonen die Initiatoren. Denn es gebe vielseitige Anforderungen etwa an die Stromversorgung, den Platzbedarf und die Stadtplanung, die es zu berücksichtigen gilt.

Bei der neuen Ladeanlage in Möhringen hat sich die SSB für eine Overhead-Anlage entschieden, die die Busse in der nächtlichen Betriebspause aufladen soll. Die mechanische und elektrische Verbindung zwischen Ladepunkt und Bus stellt dabei je ein Pantograf her, der sich vom Gerüst der Ladeanlage auf das Dach des Busses absenkt. „Es wird mit einer Ladespannung von bis zu 720 Volt gearbeitet und eine Ladeleistung bis zu 180 Kilowatt übertragen, je nach Ladezustand der Batterie“, teilt das Unternehmen mit. Für die Anlage habe man sich entschieden, weil die Lademöglichkeit via den absenkbaren Pantograf pro Standplatz Fläche spare und gegenüber Ladekabeln unfallsicherer sei.

E-Busse rücken gestaffelt zum Laden an

An ihre Lader kommen die Busse dabei zeitlich versetzt, um nicht zu viel Energie auf einmal zu ziehen. Das passt laut der SSB auch gut in den Betriebsablauf, da die Busse ohnehin nach ihrem täglichen Einsatz peu-à-peu erst gereinigt und technisch überprüft werden. Laut den Verantwortlichen ist eine zeitliche Staffelung des Ladebeginns über einen Zeitraum von gut fünf Stunden vorgesehen, sodass „jeweils nur für einen relativ kleinen Teil der Flotte gleichzeitig Ladestrom abgerufen werden muss“. Das digitale Lademangement erstelle dabei automatisch jeweils das optimale Ladeprofil pro Fahrzeug. Auf dieser technischen Grundlage ist es laut SSB in Möhringen und in Gaisburg in einer weiteren Ausbaustufe möglich, zusätzliche Ladepunkte einzurichten.

Das Land Baden-Württemberg unterstützt die Antriebswende des Stuttgarter ÖPNV-Betreibers mit satten Zuschüssen: Die Erstellung der Ladeanlage in Möhringen allein wird mit einem Zuschuss von rund 13 Millionen Euro gefördert, beide Depot-Elektrifizierungen zusammen erhalten rund 24,3 Millionen Euro an Zuschüssen. Für die Beschaffung von insgesamt 49 Batterie-elektrischen Bussen stellte das Land für die Jahre 2024 und 2025 zudem eine Förderung von insgesamt rund 14,2 Millionen Euro bereit.

Wachsende E-Busflotte mit Stern

Die SSB geht dabei schon mit einem gewissen Erfahrungsschatz in die Umsetzungsphase: Erste Batterie-Busse betreibt sie seit 2020, lädt diese aber noch per kabelgebundenen Ladern auf dem Betriebshof. Daimler Buses hat nach eigenen Angaben bis Ende April bereits zehn Batterie-elektrische eCitaro G Gelenkbusse und zehn eCitaro G fuel cell mit drei Türen und modernen Assistenz- und Sicherheitssystemen an die SSB ausgeliefert. Sie alle verfügen über die aktuelle Batteriegeneration NMC3. Die eCitaro G fuel cell sind zusätzlich mit einer Brennstoffzelle als Range Extender und der neuen Möglichkeit eines reinen Wasserstoff‑Betriebs als Antriebsalternative ausgestattet. Für diesen Wasserstoff-Antriebsmodus namens „H2-Mode“ war die SSB die Entwicklungspartnerin für Daimler Buses. Mit H2 betankt werden diese Busse über eine Wasserstofftankstelle in Gaisburg, die aktuell mit Trailern betrieben wird, künftig aber über eine Pipeline angebunden werden soll.

Weitere 43 Solo- und Gelenkbusse der Bustypen Mercedes‑Benz eCitaro, eCitaro G und eCitaro G fuel cell, die teilweise schon mit der neuen Batteriegeneration NMC4 ausgerüstet sind, liefert Daimler Buses sukzessive bis Oktober 2026 an die SSB aus. Wichtig ist dem ÖPNV-Betreiber dabei, dass die E-Busse grundsätzlich auf allen eigenen Stadtlinien in Stuttgart eingesetzt werden können. Die Batterie der Gelenkbusse speichert eine Ladung von nominal bis zu 700 kWh und sichert im Betrieb eine Laufleistung von bis zu 200 Kilometern. Entsprechend passt die SSB die Lauf- und Einsatzpläne der Busse an. Der Umsatz an Strom und damit die Reichweite hängen aber natürlich von der Jahreszeit ab, da im Winterhalbjahr bei Kälte zusätzliche Energie für die Heizung des Busses benötigt wird. „Daher wird noch eine weitere Verfeinerung der Umlaufpläne nötig“, weiß das Verkehrsunternehmen.

ssb-ag.de, daimlertruck.com, e-mobilbw.de

3 Kommentare

zu „Stuttgart: SSB sattelt im großen Stil auf E-Busse um“
Peet
11.09.2025 um 12:59
Was passiert mit den fuel cell Bussen, wenn ab 2027 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge in die Innenstadt sollen. Kommen die dann auf Umlandstrecken?
xfh
11.09.2025 um 14:26
Fuel cell zählt doch als emissionsfrei
Jack
11.09.2025 um 14:26
Die Brennstoffzelle (fuel cell) erzeugt keine Abgase. Der Wasserstoff wird zusammen mit Luftsauerstoff direkt in elektrischen Strom umgesetzt. Dabei entsteht nur Waser(dampf).

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