EU-Großprojekt zu grenzüberschreitenden Lade-Korridoren für E-Lkw

Die EU-Kommission und neun EU-Staaten schieben offiziell die angekündigte Initiative „Clean Transport Corridor“ an, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw entlang wichtiger Güterverkehrskorridore zu beschleunigen. Zunächst im Fokus: eine Nordsee-Ostsee-Route und ein Skandinavien-Mittelmeer-Korridor.

Bild: Milence

EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas hat den Startschuss für das im Frühjahr angekündigte Großprojekt „Clean Transport Corridor“ gegeben. Ziel ist es, die Elektrifizierung zentraler Strecken des Transeuropäischen Verkehrsnetzwerkes (TEN-V) voranzutreiben. Im Rahmen der Initiative haben sich inzwischen neun EU-Mitgliedstaaten darauf verständigt, ihre Kräfte beim Aufbau schneller Ladeinfrastruktur für E-Lkw zu bündeln – im Einzelnen Belgien, Dänemark, Deutschland, Litauen, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen und Schweden.

Die Initiative fußt auf einem Aktionsplan, den die EU-Kommission im März für die Automobilbranche vorgelegt hatte. Darin widmete sie mehrere Passagen der Marktunterstützung für emissionsfreie Nutzfahrzeuge. Die Vorschläge reichten von einer weiteren Mautbefreiung bis zu harmonisierten Typgenehmigungen. Und eine recht konkrete Maßnahme in dem Dokument war die European Clean Transport Corridor Initiative, die die Kommission schon damals fix für das dritte Quartal 2025 ankündigte.

Kern der Idee ist, dass Kommission und Mitgliedstaaten zusammen an einem europäischen Vorstoß für saubere Verkehrskorridore arbeiten, allen voran entlang wichtiger Logistikkorridore. Im Fokus der Initiative steht dabei nicht nur der (technische) Aufbau der Lader an sich, sondern auch die Rationalisierung der Genehmigungsverfahren, die Mobilisierung von Finanzmitteln und die Durchsetzung eines vorrangigen Netzausbaus.

Denn: Mit Blick auf das Netz ermächtigt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU die Mitgliedstaaten zwar bereits heute, die Stromnetze für spezielle Erneuerbare-Energien-Projekten über beschleunigte Genehmigungs- und Planungsverfahren zu ertüchtigen. Die Kommission strebt nun aber an, auch Vorhaben in Regie der European Clean Transport Corridor diesen Status zu verleihen – und den trägen Netzausbau zu beschleunigen. Außerdem sagt die Kommission zu, die Genehmigung von Ladestationen für schwere Nutzfahrzeuge auch an anderen Engstellen erleichtern zu wollen, etwa durch Änderung von Bebauungsvorschriften.

Die nun primär behandelten Korridore verlaufen wie folgt: Die Nordsee-Ostsee-Route entspringt in Rotterdam und durchquert die Niederlande (oder Belgien), Deutschland sowie Polen und teilt sich dann in zwei Routen: eine führt in den Osten der Ukraine, der andere bis ins Baltikum und weiter über die Ostsee nach Finnland. Der Skandinavien-Mittelmeer-Korridor erstreckt sich vom Norden Skandinaviens (mit Anbindung an die Hauptstädte Helsinki, Oslo, Stockholm und Kopenhagen) über Deutschland und Österreich bis in die Südspitze Italiens. In der Bundesrepublik verläuft die Hauptachse über Hamburg, Frankfurt, Nürnberg und München. Es gibt aber auch eine Verzweigung ab Nürnberg über Berlin bis zur deutschen Ostseeküste. Hier die entsprechende Karte:

In einer Ministererklärung bekennen sich die neun genannten EU-Staaten zu den Herausforderungen und dem gemeinsamen Ziel, die Korridore in einem gemeinsamen Kraftakt aufzubauen. „Wir, die unterzeichnenden Ministerinnen und Minister für Verkehrs- und Infrastrukturpolitik aus neun EU-Ländern […] verabschieden hiermit diese Ministererklärung, um den Übergang zu emissionsfreiem Güterverkehr entlang des TEN-V-Netzes voranzutreiben“, heißt es in dem Dokument.

In den folgenden Passagen des Papiers benennen die Länder die bisherigen Hindernisse detailliert. So halten sie die AFIR-Vorgaben der EU für einen Mindestausbau für sinnvoll, sehen aber dringenden zusätzlichen Bedarf. Als große Schwachstelle wird dabei das Stromnetz identifiziert („langsamer Ausbau, ausbleibende Modernisierung, mangelnde Kooperation mit Verteilnetzbetreibern, Wartezeit für Netzanschlüsse, national und lokal sehr unterschiedliche Genehmigungsverfahren“). In mindestens der Hälfte der Mitgliedstaaten soll es Rückstände und somit Wartezeiten beim Netzanschluss geben. Weitere Bremsblöcke beim Umstieg auf E-Lkw sind nach Ansicht der Staaten die potenziell mangelnde Wirtschaftlichkeit (von Fahrzeugen und Ladeinfrastruktur) und Engpässe beim Zugang zu Finanzmitteln.

Die nun angekündigte Anstrengung der Europäischen Kommission auf dem Feld des öffentlichen Lkw-Ladens betrachten die neun Länder als große Chance, um ihre politischen Maßnahmen abzustimmen. „Im Sinne eines grenzüberschreitenden, nahtlosen und emissionsfreien Güterverkehrs bekunden wir unser Engagement, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Herausforderungen des Sektors zu bewältigen und den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen, damit bis 2030 emissionsfreie Korridore für schwere Nutzfahrzeuge entlang des TEN-V-Kernnetzes geschaffen werden können.“

Die Länder verpflichten sich daher, Ladeinfrastruktur als strategische Priorität bei der Planung ihrer Verkehrspolitik (unter Einbeziehung der Energiepolitik) zu behandeln und ihre Fortschritte datengetrieben und regelmäßig auszutauschen. Dadurch rücken sie zur Bewältigung zentraler Herausforderungen näher zusammen, darunter besagte langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren, die begrenzte Standortverfügbarkeit oder die fragmentierte Finanzierung.

Die Initiative stellt sowohl eine gemeinsame politische Verpflichtung als auch einen strategischen Leitfaden für aktuelle und zukünftige Strategien zur Ladeinfrastruktur für Lkw dar. Im nächsten Schritt soll nun bis März 2026 über ein Maßnahmenpaket entschieden, bewährte Verfahren ausgetauscht und national entwickelte Plattformen übergreifend genutzt werden. Außerdem wollen die Länder Überwachungsmechanismen für die Verwirklichung der Ziele implementieren.

transport.ec.europa.eu, transport.ec.europa.eu(Ministererklärung, PDF), transport.ec.europa.eu (Korridor-Karte, PDF) via trucker.de

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