Unabhängig vom Stromnetz: Speicherbasierte Schnelllader erobern den Markt

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Immer höhere DC-Ladeleistungen sorgen zwar für mehr Komfort im Elektroauto, fordern aber auch die Stromnetze heraus. Eine Lösung sind Schnelllader mit integrierter Pufferbatterie. Welche Vorteile sie mitbringen und ob sie die Verteilnetze entlasten können, analysiert Michael Nallinger. 

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Kurz hintereinander haben ADS-TEC und Kreisel Electric speicherbasierte Schnellladelösungen auf den Markt gebracht. Erste Stationen sind bei Porsche-Niederlassungen installiert. Allerdings haben die Hersteller nicht nur die Komfortansprüche der Sportwagenfahrer hinsichtlich Ladesicherheit im Blick, sondern auch Zusatzerlöse bei der Stabilisierung des Stromnetzes. Netzbetreiber sind hier allerdings noch skeptisch und verweisen auf die Einzelfallbetrachtung.

Die Strommenge ist nicht das große Problem. Selbst wenn beispielsweise in Berlin jedes fünfte Auto ein Elektrofahrzeuge wäre, würde der Strombedarf nur fünf Prozent der Höchstlast der Hauptstadt ausmachen, so die Berechnungen von Stromnetz Berlin. Allerdings drohen im Niederspannungsnetz überall dort Probleme, wo der Netzausbau oder Verstärkungsmaßnahmen nicht mit den prognostizierten Hochlaufkurven der E-Mobilität mithalten können. Prädestiniert hierfür sind die sogenannten Speckgürtel um die Städte, denn dort erwarten Experten zukünftig als erstes eine größere Dichte an E-Fahrzeugen. Besonders groß sind die Probleme bei Schnellladern, wo der kurzfristig hohe Energiebedarf zu zusätzlichen Netzschwankungen führt. Neben einer automatischen Schieflasterkennung und Phasenvertauschung gelten lokale Energiespeicher in Nieder- und Mittelspannungsnetzen als probates Mittel, um Lastspitzen abzufangen.

Schnelles Laden nach der Probefahrt

Hier setzen die speicherbasierten Schnellladesysteme von ADS-TEC und Kreisel Electric an. „Wo wollen Sie sonst nach einer Probefahrt zeitnah nachladen, ohne den Kunden vertrösten zu müssen?“, lautet die Gegenfrage von ADS-TEC auf die Frage nach potenziellen Einsatzgebieten des gemeinsam mit Porsche entwickelten High Power Chargers. Grundsätzlich sieht man beim Spezialisten aus Nürtingen einen Bedarf überall dort, wo hin und wieder schnell geladen werden soll und nur ein begrenzter Netzzugang vorhanden ist. Die kompakte (1,2 x 1,2 x 1,3 Meter) und 1,8 Tonnen schwere Anlage kann eine Ladeleistung von bis zu 320 kW pro Fahrzeug bereitstellen. Sogar Fahrzeuge mit Hochvoltbatteriesystemen bis 920 Volt lassen sich über den Power Booster superschnell laden.

Bei Vollausstattung beträgt die Kapazität der luft- und flüssigkeitsgekühlten Batterie 140 kWh. Diese Leistungsdaten zeigen, dass die Schwaben damit vorwiegend in der Zukunft liegende Bedarfe adressieren. „Für Autos mit maximal 100 kW Ladeleistung braucht es keine 320 kW und 950 Volt. Wir spüren aber, dass hier ein Wandel ansteht. Batteriespannungen werden höher und Ladeleistungen ebenfalls“, heißt es aus Nürtingen. Entwicklungspartner Porsche zählt hier zu den Vorreitern. Doch dabei wird es nicht bleiben. „Mal sehen, welcher OEM als nächster Fahrzeuge in dieser Liga anbietet“, gibt man sich bei ADS-TEC erwartungsvoll. Die Marktchancen für das neue Produkt werden entsprechend hoch eingeschätzt.

Ladeerlebnis ist Komforterlebnis

Die enge Zusammenarbeit mit dem Automotive-Unternehmen hat zur Folge, dass Tests, Zertifizierungen und Erprobung sehr ernst genommen werden. „Ein Aufwand, wie wir diesen aus anderen Industrieprojekten nicht kennen“, betont ADS-TEC. Verständnis für die Mühen ist jedoch vorhanden: „Das Ladeerlebnis ist ein Kundenerlebnis, das emotional mit dem Fahrzeug verbunden ist. Insofern wird hier sehr viel investiert und abgesichert.“

Beim Power-Charger handelt es sich zunächst um eine rein stationäre Anlage. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit bis ADS-TEC mit einer mobilen Hochleistungsladelösung aufwarten wird. Bereits im Herbst 2019 will man erstmalig entsprechendes präsentieren. Der offizielle Rollout, der bereits 2017 angekündigten Schnellladelösung, findet in 2019 statt. Insbesondere die Erstausrüstung von Porsche-Standorten steht hier im Fokus. Und auch ein Einsatz in der Fläche mit einem noch nicht genannten Energieversorger ist geplant. Bei ADS-TEC gibt man sich selbstbewusst: „Unter hohem Druck entsteht ein Diamant und das erleben wir gerade gemeinsam in einem motivierten Team.“

Pufferbatterie senkt Netzanschlusskosten

Auch beim österreichischen Hersteller Kreisel war das Zusammentreffen von begrenzten Stromnetzkapazitäten mit dem erheblich steigenden Bedarf an flächendeckender Ladeinfrastruktur Triebfeder für die Anfang Dezember vorgestellte speicherbasierte Ladelösung CHIMERO. Als Verkaufsargument adressieren die Österreicher zudem „abschreckend hohe Netzanschlusskosten, die die Anschaffungskosten üblicher Schnellladesäulen bei Weitem übersteigen“.

Der CHIMERO ist mit Abmessungen von 1,2 x 1,0 x 2,3 Metern und einem Gewicht in der Standardausführung von knapp 2 Tonnen ähnlich kompakt wie der Power Charger von ADS-TEC. Allerdings bringt es die einen Meter höhere Batterie lediglich auf eine Ladekapazität von 75 kWh. Geladen werden kann entweder per AC mit 22 kW mittels Typ2-Anschluss oder per DC mit 160 kW via CCS-Stecker und optional CHAdeMO. Zudem verweist Kreisel auf die Integration eines bidirektionalen Speichers, über den sich der Eigenverbrauch etwa über eine angeschlossene Photovoltaik-Anlage optimieren lasse. Das Unternehmen aus Rainbach im Mühlkreis hat für den autonomen Ladespeicher ein „riesiges Potential“ ausgemacht, da speziell in Österreich die Lade- und vor allem Schnellladeinfrastruktur noch zu wünschen übrig lässt. Gerade bei Schnellladern rechnet man mit einer stark steigenden Nachfrage, aufgrund des „klaren Trends in Richtung kleinerer und leichtere Fahrzeugakkus“.

Auf Nachfrage von electrive.net teilt der Hersteller mit, dass die ersten CHIMEROs in Österreich bereits installiert sind. Auftraggeber ist wie bei ADS-TEC der Premiumhersteller Porsche. In diversen Autohäusern des Sportwagenbauers liefen diese Stationen bereits, allerdings sei „die Frequenz der Ladungen zurzeit noch nicht sehr stark“. In den kommenden Wochen sollen auch Stationen in Deutschland folgen. In Planung ist ebenfalls eine Mobilvariante der derzeit noch rein stationären Anlage.

Schnellladestationen als Dienstleister im Verteilnetz

Große Erwartungen hat man sowohl bei Kreisel als auch bei ADS-TEC an die Zusammenarbeit mit der Energiewirtschaft. Deren Herausforderungen wachsen mit einem immer höheren Anteil an fluktuierend einspeisenden erneuerbaren Energien. Bei Kreisel erhofft man sich auch durch das Ein- und Ausspeichern von Netzstrom, stark schwankende, niedrige oder negative Strompreise an den Börsen ausgleichen zu können. Dabei hat man zudem finanzielle Benefits im Blick: „Mit der hohen Ausgangsleistung und den schnellen Reaktionszeiten des CHIMERO können Regelleistungen bereitgestellt und somit auch Umsätze generiert werden.“

Ähnliche Erwartungen äußert man bei ADS-TEC. Der HPC-Booster sei in der Lage mit Netzanschlüssen von 20 bis 110 kW zu arbeiten und damit für den Einsatz im Bereich dezentraler Systemstabilität im Verteilnetz interessant. Die Nürtinger können sich „alles vorstellen, was mit der verfügbaren Leistung und Kapazität im Rahmen der Regulatorik sinnvoll und erlaubt ist“. Das Spektrum reicht von der Anschlussleistungsbegrenzung über Arbitrage, Eigenverbrauchsoptimierung, bis hin zur vernetzten Regelenergie. Allerdings fehlt dafür noch der regulatorische Rahmen. In Nürtingen würde man diese „Potenziale ohne Ende“ gerne ernten. „Wir warten darauf, dass die Politik der Physik folgt und der Energy-Only-Markt eine Alternative bekommt, bei der Flexibilität und Netzdienstleistung vergütet wird.“ Angesichts der verfügbaren Technik würden viele Menschen und Institutionen bereits heute mit den Hufen scharren und darauf warten, endlich von der Leine gelassen zu werden.

Netzbetreiber zwischen Skepsis und Zuversicht

Doch ist die Energiewirtschaft hier genauso optimistisch? Bei Netze BW beispielsweise, wo man erwartungsgemäß noch keine Erfahrung mit diesen speicherbasierten Ladesystemen hat, verweist man auf die jeweilige Einzelfallbetrachtung. Solange es sich um eine Säule mit überschaubarer Nutzung handelt, könnten diese Ladestationen eine Lösung sein, um einen eigenen Niederspannungs- oder gar Mittelspannungsanschluss zu vermeiden, betont der Netzbetreiber. Bei einer Zunahme der Ladefrequenz oder gar einer Anlagenerweiterung, wie dies etwa an Autobahn-Raststätten zu erwarten sei, komme allerdings „früher oder später doch die Frage nach einer Netzverstärkung auf den Tisch“, heißt es aus Stuttgart. Pilotversuche des Netzbetreibers hätten grundsätzlich gezeigt, dass ein smarter Einsatz von Batteriespeichern hilft, Verteilnetze mit Ladestationen zu stabilisieren.

Für den Bereich Regelenergie verweist der Netzbetreiber auf den Feldtest Grid-Control, bei dem unter anderem stationäre, netzdienliche Speicher zum Einsatz kommen. „Dort konnten wir grundsätzlich zeigen, dass sich mögliche Engpässe im Netz durch eine intelligente Koordination steuerbarer Anlagen vermeiden lassen“, sagt die Projektleiterin von Grid Control, Katharina Volk. Die dezentralen Einspeiser und insbesondere die Batteriespeicher ließen sich sogar gebündelt, als eine Art Flächenkraftwerk einsetzen. „Wenn man diesen Weg konsequent weiterverfolgt, sollte man zukünftig auch Regelenergie bereitstellen können“, betont Volk.

5 Kommentare

zu „Unabhängig vom Stromnetz: Speicherbasierte Schnelllader erobern den Markt“
gerd
09.12.2018 um 09:48
Nachtspeicherofen und Zweitarifzähler. Dieses Prinzip wiedererwecken und schon werden Erzeuger und Verbraucher gemeinsam das Netz stabilisieren, auch ohne "Smart"-Meter.
Bartholomäus Steiner
10.01.2019 um 00:27
Haha Nachtspeicheröfen, guter Witz. Mal im Ernst, Unkomfortabler und unflexibler geht eine Heizung kaum.
Friedrich
10.12.2018 um 08:31
Ladeverluste wachsen mit dem Quadrat der Stromstärke, Bei 320 kW und 950 V ergeben sich 150 mal höhere Verluste als bei 22 kW und 800 V, dazu kommen die Klimatisierungskosten und Zyklenverluste der Batterie. Wo bleibt die Energie-Ersparnis und wo die Wirtschaftlichkeit?
Simon
12.12.2018 um 11:07
Dann stellen Sie sich halt 4 Stunden daneben und sehen zu wie das Fahrzeug mit super geringen Kupfer Verlusten (die im Gesamtsystem vernachlässigbar gering sind) auflädt.Die Wirtschaftlichkeit ergibt sich gegenüber konventionellen HPC aufgrund des nicht notwendigen MS Anschlusses, der je nach lokalen Gegebenheiten schnell >100k€ kosten kann.
Michael
30.12.2018 um 18:55
Solange in Deutschland Braunkohleverstromung gefördert wird und die Planwirtschaft der Stromerzeugung nihct beendet wird klappt das alles nicht! Erst wenn ich als Privatperson die Preise der Strombörse bekomme und bei Strommangel eine hohe Einspeisevergütung, wird es genug Strom zu vernünftigen Preisen geben.

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