Verkauf geplatzt: Post will StreetScooter-Fertigung einstellen

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Die Deutsche Post will die Produktion der Elektro-Lieferwagen bei ihrer Tochter StreetScooter noch in diesem Jahr einstellen. Wie der Konzern nun mitteilte, wird nicht mehr nach einem Käufer für die Elektroauto-Sparte gesucht. Dabei stand ein Verkauf an den chinesischen OEM Chery offenbar kurz vor dem Abschluss.

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Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur DPA sagte ein Postsprecher: „Neubestellungen wird es keine mehr geben.“ Die bestellten Fahrzeuge würden noch produziert, die Auslieferungen würden sich voraussichtlich noch bis ins nächste Jahr ziehen, so der Sprecher.

Zudem gab er an, dass man die Sondierungen für einen Käufer nicht mehr weiterverfolgen wolle. Damit ist die monatelange Suche nach einem Partner oder Käufer gescheitert. Als Grund gab die Post in einer Mitteilung die „aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheiten“ an. „Wir haben immer gesagt, dass wir kein Autohersteller sein wollen“, so Post-Chef Frank Appel. „Eine weitere Skalierung ohne den richtigen Partner entspricht nicht unserer langfristigen strategischen Zielsetzung.“

Trotz der angekündigten Produktions-Einstellung soll StreetScooter nicht abgewickelt werden, die Konzerntochter werde stattdessen zu einem reinen Betreiber der Bestandsflotte, so die Post. Durch den Schritt seinen „einmalige Anpassungsaufwendungen zwischen 300 Millionen Euro bis 400 Millionen Euro zu erwarten“.

Der für das Frühjahr 2020 angepeilte Markteintritt in die USA ist damit hinfällig. Was aus den Beschäftigten in den StreetScooter-Werken Aachen und Düren wird, ist derzeit noch unklar.

Das lässt auch den Abgang von CEO Jörg Sommer in einem anderen Licht erscheinen. Der 2019 angetretene Sommer hatte die Suche nach einem Käufer stark vorangetrieben und sollte die Post-Tochter für einen Verkauf attraktiv machen. Anfang Februar gab die Post aber bekannt, dass Sommer wegen „unterschiedlichen Auffassungen zur zukünftigen Ausrichtung des Unternehmens“ StreetScooter verlassen habe. Mit dem Scheitern der Verkaufspläne wollte sich der Manager offenbar nicht abfinden.

Verkauf an Chery offenbar auf der Zielgeraden geplatzt

Vor allem, weil Sommer kurz davor war, einen Deal zu erreichen. Nach Informationen von electrive.net stand StreetScooter im Januar kurz vor dem Verkauf an den chinesischen Joint-Venture-Partner Chery. Aus gut informierten Kreisen hieß es, dass die Vereinbarung, sofern sie unterzeichnet werde, im März verkündet werden soll. Auch ein Kaufpreis im niedrigen dreistelligen Millionen-Bereich wurde genannt. Bereits damals gab es aber Stimmen, wonach der Verkauf noch auf der Ziellinie platzen könne – was nun offenbar geschehen ist. Die genauen Gründe für das Scheitern sind aber nicht bekannt.

Ursprünglich hatten Chery und StreetScooter im September angekündigt, ein Joint Venture in China gründen zu wollen. Ziel der Zusammenarbeit sei es, gemeinsam ein elektrisches Nutzfahrzeug speziell für den chinesischen Markt und andere ausgewählte Länder zu entwickeln, teilte die Post damals mit. Die Absichtserklärung sah einen schrittweisen Einstieg in den chinesischen Markt für elektrische Nutzfahrzeuge vor, für 2021 war die Serienproduktion in China mit Produktionskapazitäten von bis zu 100.000 E-Fahrzeugen jährlich geplant.

„Mit der heute verkündeten Entscheidung werden wir auch die geplante Kooperation mit den chinesischen Partnern nicht fortführen“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage von electrive.net und fügte hinzu: „Ob Chery in China Elektrofahrzeuge bauen wird, entzieht sich unser Kenntnis.“

Post-Chef Appel wollte eigentlich Verkauf bis Ende 2019

StreetScooter hat in Deutschland zwei eigene Werke in Aachen und Düren sowie eine Fertigung des auf dem Ford Transit basierenden Work XL bei Ford in Köln. Gegenüber electrive.net teilte ein Sprecher der Post mit, dass man mit Ford dazu Gespräche führen wird, „eine Fortsetzung der Produktion des Work XL“ jedoch „unter den jetzigen Umständen nicht vorgesehen“ ist. Die zwei Fabriken mit Zulieferer-Struktur sowie den etablierten Kundenstamm mit Groß-Abnehmern wie eben der Deutschen Post und neuerdings Amazon wären wohl für Chery die interessanteren Punkte des Deals gewesen. Über ausreichend Erfahrungen beim Bau von E-Fahrzeugen verfügt Chery selbst, denn der Hersteller kommt unter den etablierten chinesischen OEM auf eine verhältnismäßig hohe E-Quote.

Dass es zwischen der Post-Zentrale in Bonn und der StreetScooter-Führung nicht allzu gut steht, hatte sich bereits im Herbst abgezeichnet. Kurz vor der für StreetScooter extrem wichtigen Premiere der zweiten Generation des Work L setzte Post-Chef Frank Appel öffentlich eine Deadline indem er in einem Interview sagte, er peile den Verkauf bis Ende 2019 an. „Unsere Investoren wollen ein Logistikunternehmen, keinen Autokonzern“, so Appel. Zudem musste er einräumen, dass bei StreetScooter für 2019 ein Verlust mit einem „signifikanten zweistelligen Millionenbetrag“ anfallen werde.

Update 05.03.2020: Günther Schuh erwägt, die Elektrotransporter-Firma StreetScooter nach dem angekündigten Ende der Produktion von der Deutschen Post zurückkaufen. „Unter den richtigen Konditionen könnte ich es mir vorstellen, StreetScooter wieder zu übernehmen“, sagte Schuh der „WirtschaftsWoche“. Er habe sich laut eigener Aussage bei der Post gemeldet und gefragt, ob er etwas tun könne, „um den Schaden zu begrenzen“. „Wir sprechen jetzt“, so Schuh.

Update 21.03.2020: Das Aus für den StreetScooter Work und Work L bedeutete auch das Ende des Baus für den Work XL in Kooperation mit Ford in Köln. Ende Februar hatte ein Sprecher gegenüber electrive.net noch gesagt, dass man Gespräche mit Ford führen wird, „eine Fortsetzung der Produktion des Work XL“ jedoch „unter den jetzigen Umständen nicht vorgesehen“ ist. Laut dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat es unter Berufung auf Ford bislang aber keine Gespräche gegeben. Gestartet war die Produktion 2018, Ende 2019 wurde sie beendet. Man habe die von der Post rund 2.500 georderten E-Transporter zwar gebaut. Ursprünglich sollten allerdings 3.500 Exemplare pro Jahr gefertigt werden. Für den Auftrag waren 180 Ford-Mitarbeiter aus anderen Bereichen abgezogen worden, sie kehrten mittlerweile wieder an ihre ursprünglichen Arbeitsplätze zurück. Das Ende der StreetScooter-Produktion beschäftigt derweil auch die Landespolitik in Düsseldorf. Offenbar wollen die Grünen-Abgeordneten Horst Becker und Arndt Klocke im Rahmen einer Kleinen Anfrage wissen, in welchem Umfang oder ob überhaupt Unterstützung für die Post-Tochter angeboten wird. Auch gehörte dazu, ob es eigene Möglichkeiten zur Rettung des Unternehmens in NRW geben werde.
handelsblatt.com, car-it.com, dpdhl.com, wiwo.de, wiwo.de (beide Update I), ksta.de, energyload.eu (beide Update II)

6 Kommentare

zu „Verkauf geplatzt: Post will StreetScooter-Fertigung einstellen“
Arno Seitzinger
28.02.2020 um 17:46
Tja schade, ich fahre so einen, wir haben zwei Stück davon in der Firma... Bin mit dem Auto sehr zufrieden... Und ich habe noch das alte Modell, mit 2 Kilowatt Lader. Die neuen sollten ja 11 Kilowatt haben...
Martin Staniek
28.02.2020 um 22:50
@Investoren: zu kurz gedacht
eFahrer
02.03.2020 um 07:55
Punktsieg für die Fossielen : „Unsere Investoren wollen ein Logistikunternehmen, keinen Autokonzern“, und schon gar keinen e-Nutzfahrzeuge Hersteller, der weltweit aktiv werden wollte. Tja, wer sich mit dem großen Geld anlegt.... Kommt nun vor dem Semi, der „Posti“ - Elon hilf -
Lrac
02.03.2020 um 12:50
Was ist ein „signifikant zweistelliger Millionenbetrag“, fuer eine gute Sache, die an einer anderen Stelle fuer nonsense einfach nur verschleudert wird. Ich verstehe die Welt nicht mehr.
gerd
06.03.2020 um 08:22
Söder hat ja Mio.s angekündigt für die Autoindustrie. und für Investitionen in die Zukunft. ...
Nightrainer
22.11.2020 um 09:34
Wieviel soll das Unternehmen denn kosten, wenn man es kaufen will?Wäre ja eine interessante Information.

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