Van Hool enthüllt vollelektrischen Doppeldecker-Reisebus

Fernbusse mit Batterie-elektrischen Antrieben sind noch Exoten. Der belgische Nutzfahrzeug-Hersteller Van Hool hat nun sogar einen Doppelstock-Reisebus mit reinem Elektroantrieb vorgestellt. Der TDX25E soll bis zu 500 Kilometer weit kommen, ist aber für den nordamerikanischen Markt bestimmt.

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Das Geschäft jenseits des Atlantiks hat Van Hool über Jahrzehnte aufgebaut. Im Schulterschluss mit Vertriebspartner ABC Bus Companies sind nach Angaben des im belgischen Koningshooikt ansässigen Unternehmens in den USA und Kanada aktuell 11.000 Reise- und Linienbusse der eigenen Marke unterwegs. Unternehmenschef Filip Van Hool zufolge ist es der Nachfrage einiger Kunden vor Ort geschuldet, dass neben dem bestehenden Verbrenner-Portfolio nun bereits das zweite Batterie-elektrische Fernbusmodell vor dem Debüt in Nordamerika steht. Auf den einstöckigen Van Hool CX45E, der vergangenes Jahr gelauncht wurde, folgt nun der doppelstöckige TDX25E. Auf Anfrage von electrive.net teilen die Belgier mit, dass der Elektroantrieb beider Modelle dabei identisch ist.

So fährt sowohl der Solo- als auch der Doppeldeckerbus mit einem Siemens-Motor („Siemens ELFA II“) vor, der 310 kW Dauer-, 360 kW Spitzenleistung und 4.242 Nm Drehmoment aufbietet. Die Höchstgeschwindigkeit gibt der Hersteller mit 114 km/h an. Gespeist wird der Motor aus einem 676-kWh-Batteriepaket von Proterra („E2“), konkret einem Lithium-Titanat-Pack (LTO), das eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern gewährleisten soll – „abhängig von der Art des Geländes und den Wetterbedingungen“, wie es aus der Firmenzentrale relativierend heißt.

Die DC-Ladeleistung des CX45E liegt bei 125 kW, die Ladezeit soll etwa fünf Stunden (von 5 auf 95 Prozent SoC) betragen. Für den TDX25E gibt es noch nicht die analogen Werte. Sie dürften aber aller Wahrscheinlichkeit nach ähnlich ausfallen. Klar ist: Der Steckertyp ist mit CCS Type 1 auf den nordamerikanischen Markt ausgelegt.

Unterschiede gibt es freilich bei den Dimensionen und der Sitzplatzanzahl. Der CX45E, der erstmals bei der Busworld Europe im Oktober 2019 zu sehen war, kommt bei Maßen von 13.895 mm Länge, 3.505 mm Höhe, 2.590 mm Breite und einem Radstand von 7.735 mm auf 56 Sitzplätze. Sein Doppeldecker-Pendant ist bei gleicher Breite knapp einen halben Meter höher (3.990 mm) und knapp 40 Zentimeter kürzer (13.520 mm). Die Sitzplatzanzahl gibt Van Hool mit 69 an – darunter sind 18 Sitze in der unteren und 51 Sitze in der oberen Etage. Gegenüber dem Diesel-betriebenen Schwestermodell TDX25, das über identische Außenmaße verfügt, sind dies zwölf Sitzplätze weniger.

Van Hool schwebt vor, den TDX25E in Nordamerika in erster Linie als Fahrzeug für den beruflichen Pendelverkehr und den regelmäßigen Personentransport zu positionieren. „Die amerikanischen Kunden waren vom Fahrerlebnis in unserem ersten Batterie-elektrischen Reisebus, dem CX45E, sehr begeistert“, kommentiert Filip Van Hool. Also habe man sich schnell an die Arbeit gemacht und einen Batterie-elektrischen Doppeldecker entwickelt, der eine höhere Fahrgastkapazität hat. „Die Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit mit Elektroantrieben und kürzlich mit dem CX45E gesammelt haben, haben uns bei der schnellen Entwicklung und den umfangreichen Tests des neuesten Van-Hool-Doppeldeckers sehr geholfen“, führt der Unternehmenschef aus.

Vom CX45E sind bislang 22 Exemplare in die USA ausgeliefert worden. Laut einem Statement von Vertriebspartner ABC Bus Companies vom Juni allen voran in und um die San Francisco Bay Area. Das deckt sich mit der Aussage von Van Hool, dass eigene Busse unter anderem für eine Reihe großer Unternehmen im Silicon Valley im Einsatz sind, die Shuttle-Services für eigene Mitarbeiter anbieten. Damit wird klarer, was das Unternehmen unter dem genannten Pendelverkehr als Einsatzzweck seiner Elektrobusse versteht. Bei der oben zitierten „Nachfrage einiger Kunden vor Ort“ zur Elektrifizierung der Busse dürfte es sich ergo mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls um Wünsche von Silicon-Valley-Konzernen handeln.

Verschiedenen Medienberichten zufolge machen Van-Hool-Busse aktuell einen großen Teil der Flotte von Technologieunternehmen wie Google und Facebook aus. Der Privatbus-Markt im Silicon Valley soll ein erhebliches Geschäftspotenzial haben. Vor der Corona-Pandemie gab es in der San Francisco Bay Area dem Portal „Green Biz“ zufolge mehr als 1.000 private Busse zur Beförderung von Mitarbeitern zwischen deren Wohn- und Arbeitsorten – im Kontrast zu 3.000 Bussen im öffentlichen Nahverkehr.

Die BEV-Busse von Van Hool werden aus dem belgischen Werk in Koningshooikt nach Zeebrugge gefahren und von dort in die USA verschifft. Dazu, ob das vollelektrische Fernbus-Duo in absehbarer Zeit auch in Europa angeboten werden könnte, äußert sich Van Hool in der aktuellen Mitteilung zur Vorstellung des TDX25E nicht. Allerdings ließ CEO Filip Van Hool anlässlich der ersten Verschiffung von CX45E-Exemplaren im Dezember 2020 verlauten, dass man auch in Europa ein wachsendes Interesse an einer europäischen Version des CX45E sehe – wenn auch nicht so ausgeprägt wie in Nordamerika. Und: „Mit der Erfahrung, die wir bei der Entwicklung des CX45E gesammelt haben, sind wir fest davon überzeugt, dass wir in der Lage sind, schnell eine Lösung für Kunden zu liefern, die nach einem solchen Produkt suchen, wenn das Interesse in Europa stärker wird.“

Was die Nachfrage nach doppelstöckigen Bussen angeht, attestieren die Belgier dem nordamerikanischen Markt jedoch die Vorreiterschaft. „Nirgendwo ist die Nachfrage so groß wie in den USA“, so der Hersteller. Bei Van Hool lief der erste Doppeldecker 1982 vom Band, seit 2007 erfolgt auch deren Export in die USA. Weltweit habe man inzwischen mehr als 3.500 Exemplare in 19 verschiedenen Ländern verkauft, so der Hersteller. Künftig soll der TDX25E als emissionsfreie Alternative angeboten werden.

Van Hool will sich bei der Elektrifizierung seines Portfolios grundsätzlich breit aufstellen. Die Belgier haben hybride und vollelektrische Nutzfahrzeuge ebenso im Programm wie Oberleitungs- und Wasserstoff-Fahrzeuge. Nach eigenen Angaben hat Van Hool bislang gut 1.200 E-Fahrzeuge dieser verschiedenen Antriebstypen gefertigt. Erst diesen Sommer schloss das Unternehmen vor diesem Hintergrund unter anderem einen Batterie-Rahmenvertrag mit dem Darmstädter Batteriesystem-Hersteller Akasol. Die Brennstoffzellen-Module zum Einbau in seine Wasserstoff-Fahrzeuge bezieht der Hersteller von Ballard Power Systems.

Im kommenden Jahr feiert Van Hool übrigens 75-jähriges Unternehmensjubiläum. Der Hersteller beschäftigt weltweit gut 3.500 Mitarbeiter, darunter die meisten an den Produktionsstandorten in Koningshooikt in Belgien und in Skopje in Nordmazedonien. Der überwiegende Teil der Nutzfahrzeug-Produktion ist für Europa und Nordamerika bestimmt.
vanhool.be

6 Kommentare

zu „Van Hool enthüllt vollelektrischen Doppeldecker-Reisebus“
Jakob Sperling
23.11.2021 um 20:26
Eine 676kWh-Batterie ist schon ein gewaltiger Brocken. Sowohl was Gewicht und Platzbedarf betrifft, aber auch vom Preis und den benötigten Ressourcen her. Ich schätze mal so gut 6 Tonnen Gewicht und etwa 100'000.- Euro Preis. Die hier angegebene Ladezeit scheint mir bei den ebenfalls angegebenen Parametern auch unrealistisch. Daher auch die 12 Sitzplätze weniger im Vergleich zur Dieselvariante. Rein von da her ist ein Sitzplatz schon 15% teurer.
Sebastian
01.01.2022 um 01:14
Jakobsolche Busse kosten locker 800.00 bis eine Million. Da juckt der Akku kaum noch. Selbst gebrauchte Diesel Busse mit 1 Mio. KM kosten noch 300.000 Euro.
Max
24.11.2021 um 13:18
Warum soll die Ladezeit unrealistisch sein? Die "Ladekurve" dürfte angesichts der großen Kapazität fast im ganzen SoC-Bereich eine 125-kW-Waagerechte sein, damit ist die Berechnung der Ladezeit einfacher Dreisatz. Sicherlich ein sehr geeignetes Fahrzeug für den Silicon-Valley-Pendlerverkehr als eine Art 1.-Klasse-Regionalexpress-Ersatz.
Hans Gnann
24.11.2021 um 13:12
...mich hätten ergänzend die Verbrauchsdaten im Vergleich elektrisch zu Diesel interessiert.
Sebastian
06.01.2022 um 14:51
Was versteht man bei"675 kWh und 500 KM Reichweite"nicht?
MK
02.05.2022 um 10:05
Welcher Verbrauch lässt sich daraus für die Dieselvariante ermitteln?

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