eActros LongHaul: Daimler Trucks Hoffnungsträger im Fernverkehr

Daimler Truck hat zur IAA Transportation einen Konzept-Prototyp des eActros LongHaul mitgebracht und weitere technische Details rund um den Batterie-elektrischen Fernverkehrs-Lkw enthüllt. Das Wichtigste: Der 40-Tonner wird mit bis zu 600 kWh Batteriekapazität und gut 600 kW Spitzenleistung vorfahren.

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Bereits bekannt war, dass der eActros LongHaul im Jahr 2024 mit einer Reichweite von etwa 500 Kilometern serienreif sein und dann in Wörth am Rhein vom Band laufen soll. Außerdem hatte Daimler Truck im Vorfeld bekannt gemacht, dass der Schwer-Lkw den künftigen Lkw-Ladestandard MCS (Megawatt Charging System) unterstützen wird. Beides bestätigt der Vorstand in der Präsentation des Prototypen – ergänzt um einige weitere interessante Fakten.

So wird der eActros LongHaul ebenso wie der klassische eActros (mit dem Beinamen 300 oder 400) auf einer elektrischen Starrachse mit zwei integrierten Elektromotoren aufbauen. Diese generieren eine Dauerleistung von 400 kW sowie eine Spitzenleistung „von über 600 kW“. Zum Vergleich: Die beiden kleineren Modelle eActros 300 und eActros 400 für den Verteilerverkehr kommen auf 330 kW Dauer- und 400 kW Spitzenleistung. Zur Energiespeicherung hat die LongHaul-Variante drei Lithium-Eisenphosphat-Batteriepakete mit einer installierten Gesamtkapazität von über 600 kWh an Bord. Bei den Standard-eActros‘, die auf maximal 27 Tonnen kommen und seit Ende Februar 2022 ausgeliefert werden, sind es 315 bzw. 420 kWh und eine maximale Reichweite von rund 400 Kilometern.

Die Batterien des eActros LongHaul sollen sich später in der Serie mit etwa einem Megawatt in deutlich unter 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent aufladen lassen. Interessant: Daimler Truck ist bei seinem Elektro-Schwergewicht erstmals auf die Lithium-Eisenphosphat-Zelltechnologie umgestiegen. Laut Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks, wegen der hohen Lebensdauer und mehr nutzbarer Energie. Das Fahrzeug soll 1,2 Millionen Kilometer Laufleistung in zehn Betriebsjahren schaffen.

Vor Journalisten ergänzt Rådström in einer Zusammenkunft am gestrigen Mittag, dass auch die neue Generation des Fuso eCanter mit LFP-Batterien arbeiten wird und das Sortiment aus kleineren und mittleren E-Lkw auf längere Sicht ebenfalls auf LFP umschwenken werde. Das dürfte den eActros 300/400 mit einschließen, dessen Zellen eine Nickel-Mangan-Kobalt-Chemie (NMC) enthalten. Die aktuell verbauten Batteriezellen stammen wie berichtet von CATL, vor eineinhalb Jahren wurde die Vereinbarung aber auch auf den eActros LongHaul ausgeweitet. CATL dürfte also zumindest vorübergehend Batteriezellen mit verschiedenen Zellchemien liefern.

Doch zurück zum Gesamteindruck des eActros LongHaul: Der auf der IAA gezeigte Prototyp wartet weiterhin mit einer geschlossenen und glatten Frontfläche auf, die Scheinwerfer erinnern aber stärker an den bekannten Actros als bei den ersten Renderings aus dem Jahr 2020. Auffällig ist ein LED-Leuchtstreifen im Frontbereich der „einen Ausblick auf die Designsprache des Serienfahrzeugs“ geben soll. Zum Vergleich: Der klassische eActros ist optisch kaum vom bekannten Actros mit Dieselmotor zu unterscheiden.

Zusätzlich zur Sattelzugmaschine will Mercedes-Benz Trucks direkt ab Marktstart auch Pritschenfahrgestell-Varianten des eActros LongHaul produzieren. Und zwar im Lkw-Werk in Wörth am Rhein. Dort soll der 40-Tonner als erstes vollelektrisches Serienfahrzeug von Mercedes-Benz Trucks komplett – also samt Einbau aller E-Komponenten – auf der bestehenden Montagelinie gefertigt werden. „Dies ermöglicht hohe Produktionskapazitäten und eine komplett parallele Fertigung sowohl von konventionellen als auch vollelektrischen Lkw auf demselben Band“, teilt das Unternehmen mit. Der eActros 300/400 und der eEconic (bekanntlich eine Variante des eActros für den Kommunaleinsatz) erhalten ihre E-Komponenten bislang in einem separaten Prozess im Future Truck Center in Wörth.

Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks, äußerte im Rahmenprogramm der IAA, dass Kunden aus dem Fernverkehrsssegment merklich bei der Elektrifizierung zögerten. „Sie fürchten unzureichende Reichweiten, die hohe Anfangsinvestiton und eine mangelnde Ebenbürtigkeit mit Diesel-Trucks.“ Um den eActros LongHaul kreiere ihr Unternehmen deshalb ein Ökosystem mit Beratung, Service-Paketen zum eMobility-Einstieg, dem neu gegründeten Geschäftszweig Financial Services und dem Aufbau öffentlichter Ladeinfrastruktur mit Volvo und Traton.

Weiter betont Rådström, dass 60 Prozent der Fernverkehre in Europe 500 Kilometer oder kürzer ausfielen, womit beim eActros LongHaul sogar Depot- statt öffentliches Laden die Regel sein könnte. Außerdem sollen die Total Costs of Ownership (TCO) des Modells unter denen eines vergleichbaren Diesel-Modells liegen.

Erste Prototypen von Daimlers Fernverkehr-Hoffungsträger durchlaufen aktuell Tests – noch vor Jahresende soll es dafür auch auf öffentliche Straßen gehen. Amazon und Rhenus werden den eActros LongHaul dann ab 2023 im Realbetrieb erproben. Die beiden Unternehmen haben dazu vor wenigen Tagen jeweils eine Absichtserklärung mit Mercedes-Benz Trucks unterzeichnet.

Daimler Truck – auf der diesjährigen IAA erstmals als eigenständiges DAX-Unternehmen präsent – bezeichnet den eActros LongHaul als sehr bedeutenden Produktanlauf in einem wichtigen Segment. Am IAA-Stand des Herstellers wird das Modell die zentrale Rolle spielen, daneben präsentiert Daimler Truck aber weitere Neuheiten, etwa den eActros 300 als Sattelzugmaschine.

Diese neue Modellvariante des eActros 300 kann laut Daimler Truck unter Berücksichtigung der maximal zulässigen Gesamtzuglänge alle gängigen europäischen Auflieger ziehen. Die verbaute Technik ist aus dem Standard-eActros bekannt: Drei Batteriepakete mit jeweils 112 kWh installierter Batteriekapazität ermöglichen eine Reichweite von bis zu 220 km. Der Serienstart ist für die zweite Jahreshälfte 2023 vorgesehen.

Und die E-Lkw-Familie soll weiter wachsen: So stellt die Daimler-Truck-Tochter Fuso in Hannover wie berichtet die nächste Generation des vollelektrischen Leicht-Lkw eCanter vor. Außerdem kündigt die Konzernmutter an, einen Batterie-elektrischen Mercedes-Benz eAtego auf den Markt bringen zu wollen. Das Fahrzeug soll im mittelschweren Segment antreten. Weitere Details gibt es noch nicht.

Grundsätzlich strebt Daimler Truck an, bis 2039 in Europa, Japan und Nordamerika nur noch Neufahrzeuge anzubieten, die im Fahrbetrieb („tank-to-wheel“) CO2-neutral sind. Als Zwischenetappe sollen bereits 2030 im Fahrbetrieb CO2-neutrale Nutzfahrzeuge bis zu 60 Prozent der Verkäufe von Daimler Truck in den EU30-Märkten ausmachen. Ab der zweiten Hälfte der Dekade will das Unternehmen sein elektrifiziertes Fahrzeugangebot dann auch um Serienfahrzeuge mit wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb ergänzen. Erste Prototypen des Mercedes-Benz GenH2 Truck sind vor diesem Hintergrund bereits im Testeinsatz.

„Seit der letzten IAA vor vier Jahren haben wir den Wandel zum CO2-neutralen Transport mit voller Kraft weiter vorangetrieben“, betont Martin Daum, CEO Daimler Truck. „Dieses Jahr haben wir bereits acht rein Batterie-elektrische Serienfahrzeuge in unserem Portfolio.“ Jedoch reiche es nicht aus, nur die richtigen Fahrzeuge im Angebot zu haben. „Unsere Kunden benötigen zudem die passende Infrastruktur“, so Daum. „Wir sind hier selbst auf den unterschiedlichsten Ebenen aktiv. Für einen zügigen Aufbau ist es essentiell, dass die gesamte Branche und die Politik an einem Strang ziehen.“
Quelle: Infos per E-Mail, Online-Roundtable, Online-Pressekonferenz

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