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Renault Trucks zählt Countdown zur CO2-freien Mobilität herunter

Bis 2030 will Renault Trucks alle Neufahrzeuge elektrisch oder anderweitig CO2-neutral betreiben. Über den Weg dorthin haben wir uns mit Tassilo von Domarus, Manager E-Mobility bei Renault Trucks, unterhalten. Klar ist: Wenn schon bei der Förderung keine Planungssicherheit herrscht, will das französische Unternehmen durch Technikdetails und Garantien Vertrauen säen.

Dieser Tage hat Renault Trucks seine komplette vollelektrische Produktpalette nach München geschafft – vom Transporter bis zum 44-Tonner. Der zur Volvo Group gehörende Lkw-Bauer präsentierte das Sextett in der Münchner Motorworld – einer von mehreren Werbe-Stopps in Europa. Präsident Bruno Blin brachte eine klare Message mit: Sein Unternehmen will die Dekarbonisierung – und ist bereit voranzugehen.

Grund genug, die Linse auf Renault Trucks scharf zu stellen: Wo das Unternehmen allen voran in Deutschland aktuell steht und wo es hin will – das haben wir mit Tassilo von Domarus, Manager E-Mobility bei Renault Trucks, besprochen. Vorneweg zur Einordnung ein paar Worte zum Hersteller selbst: Renault Trucks firmiert zusammen mit seiner Konzernschwester Volvo Trucks unter der Muttergesellschaft Volvo Group. In Deutschland ist Renault Trucks seit über 45 Jahren aktiv. Ihren Sitz hat die deutsche Marktgesellschaft in Ismaning bei München. Deutschlandweit verfügt sie als Teil der Volvo Group über ein Vertriebs- und Servicenetz von 20 eigenen und mehr als 130 Partnerbetrieben.

Seit 2021 hat Renault Trucks mit den Baureihen D und D Wide elektrische Light- und Medium-Trucks auf dem Markt. Im Transporter-Segment ergänzen der E-Tech Trafic und der E-Tech Master das Sortiment – beide gerade in neuester Generation herausgekommen. Im November 2023 lief zudem die Serienfertigung der beiden elektrischen Schwerlaster E-Tech T und E-Tech C an.

Elektro und Verbrenner auf einer Linie

Letztere beiden sind also die „Neuen“ im Portfolio. Die elektrischen 40-Tonner mit Renault-Trucks-Logo sollen laut Tassilo von Domarus noch im ersten Quartal 2024 erstmals ausgeliefert werden. Der E-Tech T ist für den regionalen Verteilerverkehr konzipiert, der E-Tech C für den Baustellenverkehr. Beide Baureihen werden im französischen Werk Bourg-en-Bresse auf einer Linie mit Verbrennerfahrzeugen hergestellt. Nur zum Einbau der E-Komponenten geht es in die sogenannte „Renault Trucks E-Tech Factory“, ehe die E-Lkw wieder in den gewöhnlichen Produktionsprozess – also Endabnahme, Leistungstests und Testfahrten auf der Teststrecke des Werks – integriert werden.

Die Datenblätter beider Modelle ähneln sich, schließlich ist der E-Tech C ein für den Baustellenverkehr kreierter Ableger des E-Tech T. Als Sattelzugmaschine hat das Duo drei E-Motoren mit maximal 490 kW, als Lkw zwei E-Motoren mit bis zu 330 kW an Bord. Die NCA-Batterie mit Zellen von Samsung wartet mit 360 bis 540 kWh auf und lässt sich an Gleichstromladern mit bis zu 250 kW DC und an Wechselstromladern mit bis zu 43 kW AC aufladen. Die Reichweite des E-Tech T gibt Renault Trucks mit 300 Kilometern an, die des E-Tech C mit 250 Kilometern.

Was auffällt: Wie der mittelgroße D bzw. D Wide setzt Renault Trucks bei den Schwergewichten auf 43 kW AC-Ladefähigkeit. Andere Hersteller sparen sich das Gewicht und die Komplexität eines Onboardladers, der für das Wechselstromladen fahrzeugseitig verbaut werden muss, indem sie ihre Fahrzeuge für reines Schnellladen an DC-Ladern positionieren. „Der Trend geht eher in Richtung DC-Laden. Das ist richtig. Aber die 43 kW AC ermöglichen das Aufladen schon bei einfacher Ladeinfrastruktur – das ist uns wichtig“, äußert von Domarus. „Unsere Kunden brauchen nicht zwangsläufig eine Schnellladeinfrastruktur, um nachzuladen. Sie sind auf alle Eventualitäten vorbereitet. Mit 22 kW AC sind Fahrzeuge in dieser Größenordnung nicht mehr über Nacht aufzuladen, mit 43 kW schon.“

Seinen 40-Tonner mit maximal 300 Kilometern Reichweite verortet Renault Trucks weniger im internationalen Fernverkehr, als dort, „wo es eigene Infrastruktur gibt“, also auf Distanzen, die das regelmäßige Aufladen im Depot, bei Niederlassungen oder Kunden erlaubt. Klassischer regionaler Verteilerverkehr könnte man meinen, von Domarus und seine Kollegen sprechen aber lieber von „regionalem Fernverkehr“ – unter anderem mit der Begründung, dass mittels einer einstündigen DC-Zwischenladung bis zu 500 Kilometer Reichweite drin seien.

Das gilt freilich nur in Kombination mit der größten Batterie (540 kWh) und der schnellsten DC-Ladefähigkeit (250 kW). Beim Lkw geht es aber auch um Anschaffungskosten, TCO und Nutzlast. Aus all diesen Parametern gilt es laut von Domarus ein für den individuellen Anwendungsfall beim Kunden passenden Elektro-Truck nebst geeigneter Ladeinfrastruktur zu konfigurieren. Als Basis dient der Anspruch, Planungssicherheit zu vermitteln, erklärt der Fachmann. Neben der hohen AC-Ladeleistung hat Renault Trucks beispielsweise auch eine von Ladezyklen unabhängige Batterie-Leistungsgarantie als vertrauensbildendes Feature etabliert. Denn: „Die Kunden brauchen einfach Sicherheit über die kommenden zehn Jahre“.

„Förder-Unklarheit verunsichert die Kunden“

Zumal das Vertrauen in die staatliche Förderung gerade arg erschüttert ist. Der Füllstand des KsNI-Fördertopfs als Hauptquelle zur Subventionierung der Antriebswende im deutschen Straßengüterverkehr war schon vor dem Auftreten des Haushaltslochs unklar. Inzwischen gilt als höchstwahrscheinlich, dass die KsNI-Bezuschussung gänzlich wegfällt. Noch gibt es dazu keinen neuen Stand.

„Die Unklarheit der Förderung ist für uns aktuell eine große Hürde, weil sie die Kunden verunsichert“, kommentiert von Domarus. Ursprünglich sei im Rahmen des KsNI-Programms von einem Förderaufruf pro Quartal die Rede gewesen. Nun habe es in zwei Jahren zwei Aufrufe gegeben – „und alle verharren im Warten, ob jetzt noch etwas nachgelegt wird oder nicht“. Aus von Domarus Sicht führt die Förderung gerade zum genauen Gegenteil ihres eigentlichen Zwecks. Sie ermutigt nicht, sie verunsichert. Besser sei da die Maut-Novelle, so der Manager: „Die neuen Mautregeln bieten einen klaren Anreiz für BEVs. Sie bieten eine klare Orientierung – auf diese Weise wirken sie als Katalysator.“

Aus Herstellersicht spannend bleibt auch die absehbare Zweispurigkeit der Ladestandards MCS und CCS (Megawatt Charging System und Combined Charging System). Ersterer Standard zum Megawattladen mit bis zu 3,75 MW verspätet sich und soll vermutlich 2025 fertig werden und dem Fernverkehr mit schnellen Aufladezeiten unterwegs einen Schub gegen. Von Domarus betont, dass Renault Trucks über Volvo am Lade-Joint-Venture Milence und somit am Aufbau eines Lkw-Ladenetzes in Europa beteiligt sei. Gerade wurde der erste CCS-Ladepark in Regie von Milence in Venlo eröffnet. Künftig will Milence CCS- und MCS-Lader parallel verbauen. Von Domarus nennt mit Blick auf MCS vor allem die Bereitstellung der benötigten Leistung seitens der Netzbetreiber an Autobahn und Co. als Herausforderung. Im E-Tech T und E-Tech C sind seinen Worten zufolge keine MCS-Ports geplant. Sie werden also auch künftig mit maximal 500 kW – der oberen Grenze des CCS-Standards – laden können.

Renault Trucks‘ Strategie für den internationalen Fernverkehr umfasst zum jetzigen Zeitpunkt mehrere Optionen. Neben einem Batterie-elektrischen Fahrzeug mit nochmals verbesserter Effizienz ist auch die Brennstoffzelle „auf langen Strecken mit viel Verbrauch“ denkbar (Anm. d. Red.: Über Volvo ist Renault Trucks am BZ-Joint-Venture Cellcentric beteiligt). Als mögliche Nische bezeichnet von Domarus zudem Lkw mit Wasserstoffverbrennungsmotor. Wichtig ist dem Renault-Trucks-Manager aber: „Bei allen Anwendungen, die wir mit BEV abdecken können, gehen wir auf BEVs. Darauf liegt ganz klar der Fokus. Auch mit Blick auf die Skaleneffekte in der Produktion.“ Auch die gemeinsame Plattformstrategie der Volvo Group spiele dabei natürlich eine Rolle.

Auch Lkw-Fahrer als Zielgruppe

Die Konzernschwestern Renault Trucks und Volvo Trucks stehen auf den europäischen Märkten gewissermaßen in Konkurrenz zueinander. Von Domarus erläutert, dass im Konzern Synergien kreiert werden, dass die Positionierung beider Töchter im Markt aber gleichzeitig variiere: „Wir unterscheiden uns in der Kommerzialisierung“. Renault Trucks gibt etwa an, bei der Planung und dem Betrieb von eMobility-Kundenprojekten eine enge Begleitung über einen gänzlich in-house gehaltenen 360-Grad-Ansatz zu gewährleisten. Jedes Unternehmen verfolgt auch seine F&E-Schwerpunkte. Bei Renault Trucks wäre etwa das Oxygen-, das Dolphin– oder ein spezielles Umrüst-Projekt zu nennen. Dabei geht es u.a. um die Entwicklung eines von Grund auf neu gedachten 16-Tonnen-Elektro-Lkw für urbane Logistikeinsätze, um Fernstrecken-taugliche E-Lkw der nächsten Generation und um die Umrüstung von Diesel- zu Elektrofahrzeugen – jeweils mit involvierten Partnern.

Im Alltagsgeschäft zielt Renault Trucks vor allem darauf, zwei Zielgruppen anzusprechen. „Zum einen Unternehmer und Fuhrparkmanager, die vor allem TCO-getrieben sind“, so von Domarus. „Zum anderen die Lkw-Fahrer, die ebenfalls eine hohe Entscheidungskraft haben, bei denen aber emotionale Aspekte, Ergonomie und Fahrerkomfort hoch im Fokus stehen.“ Der Wissenstand zur E-Mobilität variiere in beiden Gruppen stark. Fahrer seien grundsätzlich meist erstmal zögerlich, bis sie das erste Mal einen Elektro-Lkw gefahren seien. „Dann will kaum mehr einer zum Diesel zurück“, so von Domarus‘ Erfahrung.

Übrigens: Offiziell gibt Renault Trucks an, „der einzige europäische Hersteller mit einer Palette von Elektrofahrzeugen zu sein, die den Bereich von 650 Kilogramm bis 44 Tonnen abdeckt“. Die 44 Tonnen (statt 40 Tonnen) erklären sich aus Regeln zum Kombinierten Verkehr und Zulassungsunterschiede im europäischen Ausland. Aber 640 Kilogramm? Richtig, so wenig kann kein herkömmlicher Transporter wiegen. Renault Trucks hat tatsächlich ein E-Lastenrad eingeführt und seinem Sortiment zugeordnet. Erhältlich ist es aber bisher nur in Frankreich und den Niederlande.

renault-trucks.de

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