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Nio-Deutschlandchef Sultzer: „2025 wird für uns ein Jahr der Konsolidierung“

2024 war für Nio in Deutschland ein schwieriges Jahr, der chinesische Hersteller konnte nicht einmal 400 E-Autos absetzen. Deutschlandchef David Sultzer gibt Einblicke in die Planungen für das laufende Jahr und darüber hinaus – sowie zur Deutschland-Premiere des E-Kleinwagens von Firefly.

„2025 wird für uns ein Jahr der Konsolidierung“, sagt David Sultzer, Nio General Manager für Deutschland bei einem Pressegespräch in Hamburg. Aufbruch hört sich anders an: Nio bringt in diesem Jahr kein neues Modell auf den Markt. Das Flaggschiff ET 9 kommt vorerst nicht nach Europa. Eine Zahl zum weiteren Ausbau der Wechselstationen in Deutschland wird nicht genannt und die Expansion in weitere europäische Länder findet nicht statt.

„Wir sind 2022 zum Höhepunkt des E-Auto-Hypes in Deutschland gestartet, nun erleben wir ein Tal der Tränen“, sagt Sultzer. Er ist seit Marktstart der dritte Manager auf dieser Position. Die Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) gingen für E-Autos im Jahresvergleich 2024 um 27 Prozent zurück. Bei Nio fiel das Minus mit 69 Prozent deutlich höher aus. Im vergangenen Jahr gab es laut KBA 398 Nio-Zulassungen. 2023 waren es noch 1.263 Fahrzeuge. Ein enttäuschendes Ergebnis für das Engagement mit hohen Investitionen: Heute arbeiten 450 Menschen in Deutschland für die Marke. Neben den Nio Houses und Hubs betreibt Nio ein Design-Zentrum in München, Software-Entwicklung in Berlin sowie ein Zentrum für Assistenzsysteme in Schönefeld bei Berlin.

In zwei Jahren baut man keine Marke auf

Immerhin will Nio die Preise für seine E-Autos trotz Strafzöllen konstant halten. Man habe vor in Kraft treten der neuen Regelung entsprechend viele Modelle nach Europa gebracht. Mit seinen sechs Modellen bewegt sich der Hersteller im Premiumsegment. Doch als neue Marke wissen potenzielle Kunden nicht, wofür die Nio steht. „Es dauert länger als zwei Jahre, eine Premiummarke aufzubauen. Unsere Wettbewerber hatten dafür 70 und mehr Jahre Zeit“, so Sultzer.

Veranstaltungen in den Nio-Häusern, Engagement im Segel-Sport sowie der Musiker Cro als Testimonial sollen Kunden für die Marke begeistern. „Wir werden demnächst noch eine weitere Kooperation mit einem bekannten Musiker öffentlich machen“, sagt Sultzer. Die Nio Houses in Europa zählten im vergangenen Jahr 600.000 Besucher. In Deutschland gibt es vier Häuser in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg. Das Haus in Alsternähe in Hamburg ist mit bis zu 8.000 Besuchern pro Woche die am besten besuchte Niederlassung.

Aufbau einer Service-Organisation

Ein solider After-Sales-Service zählt als schlagkräftiges Verkaufsargument. Inspektionen und Reparaturen übernehmen die drei Nio Hubs in Köln, Weiterstadt (Frankfurt) und München. Darüber hinaus gibt es einen mobilen Werkstatt-Service von Nio. Zusätzlich hat man 22 Werkstätten als lizensierte Partner ausgewiesen. Ein weiterer Anlaufpunkt sind die bundesweit 150 Vergölst-Niederlassungen, beispielsweise für einen Reifenwechsel. 

Konzentration auf gewerbliche Kunden

Nio legt beim Vertrieb seinen Schwerpunkt auf das B2B-Geschäft. So entfallen über 80 Prozent der Zulassungen der Limousine ET7 auf gewerbliche Zulassungen. Dabei sind für Sultzer die Flottenanbieter der Schlüssel zum Markt. Mit Freenow bearbeite man den Taximarkt. In Hamburg sieht man bereits die Ergebnisse einer Kooperation mit Taxibetrieben. Für die Fahrer der Nio-Limousinen werde man in Flughafennähe eine Wechselstation errichten, damit sie keine Zeit mit Ladevorgängen verlieren.

Neue Modelle darf man von Nio in diesem Jahr nicht erwarten. Der ET 9, das neue Flaggschiff der Marke, hatte seine Premiere im Dezember 2024 beim Nio Day in Guangzhou. Doch dieses E-Auto wird erst mal nicht nach Deutschland kommen, auch wenn Nio im Video den ehemaligen Volkswagen-CEO Herbert Diess als Testimonial für die Luftfederung des Fahrzeugs auftreten lässt. 

Kleinwagen Firefly kommt nach Deutschland

Nio erweitert seine Produktpalette um zwei Submarken: Onvo und Firefly. Damit bewegt sich der chinesische Hersteller in den Massenmarkt. Allerdings kommt das Mittelklasse-Fahrzeug Onvo L60 in diesem Jahr nicht nach Europa. Eventuell wird es 2026 etwas. Dafür hat der elektrische Kleinwagen Firefly (auf Deutsch: Glühwürmchen), der in München designt wurde, in diesem Jahr seine Europa-Premiere. 

Auch der Firefly kommt mit einem Batteriewechselsystem. Allerdings haben die Batterien eine kleineres Format und erfordern somit andere Tauschstationen. „Die werden wir zum Start nicht nach Deutschland bringen“, sagt Sultzer. Bei einem Kleinwagen wie dem Firefly dürften Langstreckenfahrten eher die Ausnahme bilden. Wie der Firefly in Deutschland vertrieben wird, lässt Sultzer offen. Ob man den Kleinwagen in den Nio-Häusern oder eher bei externen Händlern sehen wird, sei noch nicht entschieden.

Immerhin konnten die chinesischen Ingenieure die Kosten für eine Firefly-Tauschstation um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu den aktuellen Stationen senken. Während in China bereits die vierte Generation der Nio-Wechselstationen installiert wird, die auch für die Onvo-Modellen kompatibel sind, stehen in Deutschland Tauschstationen der dritten Generation. Aktuell sind 19 Standorte für einen Batterietausch aktiv – einen Erfahrungsbericht auf der Langstrecke können Sie hier nachlesen. „Über Skaleneffekte und unsere Erfahrung mit den Wechselstationen konnten wir die Herstellungskosten pro Station um rund 50 Prozent senken“, so Sultzer. In Deutschland testet Nio bei ersten Stationen die Teilnahme am Regelenergiemarkt. Dabei dienen die ungenutzten Batterien im so genannten Batteriehotel als Pufferspeicher für die Netzstabilisierung. 

Batteriewechsel von 75 auf 100 kWh

Nio hat eine Sondergenehmigung auf Bundesebene erzielt, um endlich unterschiedliche Batteriekapazitäten in einem Fahrzeug verwenden zu dürfen. Der große Vorteil des Wechselsystems ist seine Flexibilität: Der Nutzer mietet dauerhaft eine 75-kWh-Batterie (169 Euro/Monat), doch für die Fahrt in den Urlaub mietet er für vier Wochen eine 100-kWh-Batterie (für 120 Euro Zuzahlung). Bislang scheiterte dieser Wechsel an regulatorischen Hürden, da ein wesentliches Bauteil des Fahrzeugs ausgetauscht wird und somit die Angaben im Fahrzeugschein nicht mehr stimmen. „Hierfür konnten wir nun eine Lösung aushandeln, so dass der Wechsel unterschiedlicher Kapazitäten möglich ist“, sagt Sultzer. Den Wechsel sollte man mindestens einen Tag vorher in der App für seine Wunschstation anmelden. Noch muss die größere Batterie monatsweise gemietet werden. Laut Sultzer arbeite man an einer Lösung für tageweises Anmieten der größeren Batterie. Bei der monatlichen Batteriemiete sind zwei Akku-Wechsel inklusive. Weitere Wechsel kosten zehn Euro. Der geladene Strom wird mit 0,39 Euro pro kWh berechnet.

600.000 Fahrzeuge auf der Straße

Weltweit hat Nio inzwischen 600.000 Fahrzeuge auf den Straßen. Der überwiegende Teil fährt im Heimatmarkt China, wo es rund 3.000 Wechselstationen gibt. Hersteller wie Geely, Changan und GAC werden demnächst Modelle präsentieren, die ihre Batterien ebenfalls in den Stationen von Nio tauschen können. 

Am europäischen Engagement von Nio lässt Sultzer keinen Zweifel aufkommen: „Die beiden Gründer William Li und Lihong Qin betonen immer wieder, dass sie sich hier langfristig engagieren wollen.“ Der Wettbewerb im Kernmarkt der Premium-Hersteller sei ein Ausdruck ihrer Hochachtung.

Autor: Dirk Kunde

6 Kommentare

zu „Nio-Deutschlandchef Sultzer: „2025 wird für uns ein Jahr der Konsolidierung““
Norman, Bruxelles
30.01.2025 um 20:37
„Eine Zahl zum weiteren Ausbau der Wechselstationen in Deutschland wird nicht genannt und die Expansion in weitere europäische Länder findet nicht statt.“ und weiter: „Auch der Firefly kommt mit einem Batteriewechselsystem. Allerdings haben die Batterien eine kleineres Format und erfordern somit andere Tauschstationen. „Die werden wir zum Start nicht nach Deutschland bringen“.“ …… Herr Gruber, Sie lesen aufmerksam mit? Ihre Batterie-Swapping-Vision scheint nach ein paar von Nio gebauten Wechselstationen zu klemmen. Schade.
Manfred
31.01.2025 um 07:51
Die chinesischen Hersteller glauben, dass man in Deutschland zu hohen Preisen verkaufen kann. Für das Geld bekommt man Autos aus Stuttgart oder München. Nio und auch BYD mögen gute Autos bauen, aber es ist dumm zu glauben, dass man diese für hohe Preise hier verkaufen kann. Auch ist doch so gut wie keine Privatperon bereit den Akku zu mieten. Renault ist vor Jahren damit gescheitert. Auch ist das Thema Akkutausch inzwischen kaum noch von Bedeutung. Die Anzahl der Hypercharger steigt, die Reichweite bei den Langstrecken steigt, die Schnelladefähigkeit auch. Zudem sind die möglichen Käufer eines Luxusautos in der Regel Eigenheimbesitzer die sich eine Wallbox leisten können. Genau wie deutsche Unternehmen in China, glauben die Chinesischen Hersteller , dass man den Kundengeschmack des heimatlandes exportieren kann. Nein, dem ist nicht so.
Christian
31.01.2025 um 09:34
Warum nicht. Die Asiatischen Autos sehen oft besser aus und nicht so altmodisch. Ein Mercedes selbst die neuen würde ich immer noch Rentner Fahrzeug nennen. mit dem Hit hinten. Wurde als Kind schon so gesagt. VW ist noch schlimmer und schon von Design her ein Abbild Deutschlands. Zurück in die Vergangenheit. Klar ist der Heimatmarkt eine anderer und der Geschmack. Aber genau darum verkaufen wir ja keine Autos mehr. Wir sind halt reaktionär. In Gesellschaft und Industrie.
Ian
31.01.2025 um 15:45
Das Konzept e-Mobilität muss dringend günstiger sein, als Verbrennertechnologie. Ein E-Auto für 65.000€ (inkl. Akku) in einer Fahrzeugklasse, in der Verbrenner von VW, Merchedes und BMW in der gleichen Ausstattung unter 50.000€ kosten, kann in Deutschland nur scheitern.Die Alternative? 40.000€ und 289€ Akkumiete pro Monat. Dazu kommen 10€ pro Akkutausch, und der Strom ist natürlich dabei auch nicht inklusive. So viel Steuern kann ich mit einem E-Auto gar nicht sparen, dass sich das lohnt.Ein chinesisches Produkt als Premiummarke etablieren ist schon unter den besten Bedingung eine Herausforderung. In einer angespannten wirtschaftlichen Lage, wenn gerade durch den VW-Datenskandal (https://media.ccc.de/v/38c3-wir-wissen-wo-dein-auto-steht-volksdaten-von-volkswagen) klar wird, welche Daten E-Auto-Anbieter eigentlich so sammeln, und dann auch noch ein chinesisches Auto, dem grundsätzlich weniger zu trauen ist? "Mutig" ist noch viel zu kurz gegriffen...
Daniel Feussner
31.01.2025 um 10:14
Tja, NIO bietet in China ein Auto mit 150 kWh-Batterie an, und genau sowas würde ich sofort kaufen, um von Bayern nach Kroatien zu meinem Segelboot ohne Ladestopp (auch wenn die Klimaanlage an ist) durchfahren zu können.Blöderweise bietet NIO den 150 kWh-Akku aber in Europa nicht an, es ist zum Aus-der-Haut-fahren...
ThomasT
02.02.2025 um 07:51
Es scheitert doch schon am Vertrieb. Wer nicht in der nähe einer Großstadt lebt die ein Nio House hat, weiß vermutlich nicht einmal, dass es die Marke überhaupt gibt. Spontan mal Probesitzen? Nicht bei Nio. Bei Polestar, BYD, Xpeng jedoch auch nicht. Von den Chinesischen Marken macht es MG momentan am besten.

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