
Volkswagen will’s wissen: Das sind die bezahlbaren Elektroautos bis 2028
Krise, welche Krise? Volkswagen dominiert den Markt der Elektroautos: Von den Top 10 im ersten Quartal kommen sieben aus dem gleichnamigen Konzern. Der ID.7 Tourer ist ganz oben und zu einem Phänomen geworden – in Europa werden inzwischen mehr ID.7 als Passat verkauft. Aktionsangebote wie beim ID.3 im Februar haben eine Folge, die Volkswagen bei Elektroautos bisher unbekannt war: Es gibt Bestellbücher, die über Monate abgearbeitet werden müssen. Aus Wolfsburger Perspektive kann es gerne so weitergehen. Und tatsächlich kommen bis 2028 etliche Neuheiten, die für den Durchschnittskunden wichtig sind: Volkswagen bringt eine Reihe bezahlbarer Elektroautos – und der Höhepunkt wird der Golf.
Die Stimmung ist entsprechend gelöst. Vor einem halben Jahr war das anders. Ganz anders. Zur Erinnerung: Volkswagen hat harte Verhandlungen mit der IG Metall geführt und wird bis Ende des Jahrzehnts 35.000 Stellen abbauen. Eigentlich sollen die Werke alle bestehen bleiben, aber jeder weiß, dass das kaum möglich ist. Es gibt Überkapazitäten. Die Kosten müssen gesenkt werden. Dass ausgerechnet die Elektroautos in dieser Gemengelage zu einem Positivfaktor werden, hätten die üblichen internen Skeptiker nicht vermutet.
Die Strategie, die Herbert Diess mit dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) auf den Weg gebracht hat, beginnt jetzt erst so richtig zu wirken. Das liegt einerseits an den Verbesserungen bei der Software und dem Antriebsstrang: Die Elektroautos sind nach teilweise üblen Anfangsproblemen gut. So ist eine manuelle oder automatische Vorkonditionierung serienmäßig, und der Elektromotor APP550 ist effizienter als die Konkurrenz. Andererseits sind die Rahmenbedingungen in vielen europäischen Nationalstaaten günstiger als 2020; besonders in Skandinavien gibt es Förderungen.
Wenn Volkswagen Elektroautos fürs Volk wagen will, muss das Angebot im A-, B- und C-Segment dringend größer werden. Diese Fahrzeugklassen lassen sich am leichtesten mit Up, Polo und Golf übersetzen. Und natürlich muss es heute zu jedem Pkw eine Ableitung als SUV geben. Die Kunden wollen das so.
Das ist die Übersicht der wichtigsten Elektroautos von VW (und auch ein bisschen Skoda und Cupra) bis 2028:
2025
Auf der IAA im September feiert die Serienversion des Cupra Raval Premiere, und zusätzlich zeigt Volkswagen die Studie ID.2X als SUV-Pendant zum ID.2. Der Bestellstart des Cupra Raval ist noch in diesem Jahr. Beide werden in Spanien produziert, wobei der Cupra Raval zusammen mit dem ID.2 im Seat-Werk Martorell (nahe Barcelona) vom Band läuft und die kleinen E-SUV ID.2X und Skoda Epiq gemeinsam im Werk Navarra bei Pamplona gefertigt werden.
Die insgesamt fünf kommenden Kleinwagen auf Basis des MEB Small haben Front- statt Heckantrieb, und die Ladeklappe ist vorne seitlich hinter dem Vorderrad montiert. In den Basisversionen kommen kostengünstige und robuste LFP-Zellen in der Traktionsbatterie zum Einsatz, darüber gibt es die bewährte und leistungsstarke NMC-Zellchemie.

Die Kleinwagenfamilie markiert zugleich den Start des MEB+, der Überarbeitung des Modularen Elektrifizierungsbaukastens. Der MEB Small ist also die Kurzversion des MEB+ mit Frontantrieb, während es für ID.3, ID.4 und ID.7 beim Heckantrieb bleibt.
Auch die größeren MEB-Elektroautos bekommen wie die fünf Kleinwagen in der Basisversion LFP-Zellen, die ohne die sowieso verzichtbare Modulebene direkt ins Crashgehäuse integriert werden (Cell-to-Pack). Darüber bleibt es bei der NMC-Chemie, die sich durch einen immer höheren Nickelanteil an der Kathode auszeichnet.
Anders als die Wettbewerber zum Beispiel von Stellantis haben sämtliche Elektroautos aus dem Volkswagen-Konzern eine Vorkonditionierung, um auch bei Kälte die Ladeperformance der LFP-Zellen zu garantieren. Außerdem verhindert eine ideale Temperatur beim Laden das gefürchtete Lithium-Plating, das die Dauerhaltbarkeit ruiniert.
2026
Zum Jahresanfang, spätestens aber im März feiert der Volkswagen ID.2 in der Serienversion seine Weltpremiere. Er soll noch vor Ostern zu den Händlern und auf die Straßen rollen. Die Maße sind von der Studie ID.2all (2023) bekannt: Der ID.2 wird 4,05 Meter lang, 1,81 Meter breit und 1,53 Meter hoch. Der Radstand liegt bei 2,60 Meter.
Die Studie des ID.2 hatte ein riesiges Fach unter dem Ladeboden, welches das Kofferraumvolumen auf insgesamt 490 Liter vergrößert. Das kommt tatsächlich exakt so. Verzichten müssen die Kunden dagegen auf den umklappbaren Beifahrersitz, den VW gezeigt hatte. Immerhin soll die Stützlast der Anhängekupplung für zwei ausgewachsene E-Bikes ausreichen; Insider berichten, dass die Händler bei der internen Vorstellung darüber in Jubel ausgebrochen sind.








Der ID.2 wird der erste Volkswagen, der die Handschrift des Designers Andreas Mindt trägt: Back to the roots, zurück zu dem, was die Marke ausmacht. Eine klare Formensprache und keine Experimente.
Bei der Reichweite ist mit 300 Kilometern in der Basisversion für circa 25.000 Euro und 450 Kilometern in der Topversion zu rechnen. Der ID.2 GTI wird ab etwa 35.000 Euro kosten und 166 kW (262 PS) Motorleistung haben.
Nach dem Cupra Raval und dem Volkswagen ID.2 starten im Jahresverlauf auch die SUVs ID.2X und Skoda Epiq. Machen wir uns nichts vor: Dem wiederholten Klagen über den SUV-Boom in allen Fahrzeugsegmenten steht eine sehr große Kaufbereitschaft gegenüber. In der Reihe der MEB-Small-Elektroautos wird der ID.2X der mutmaßliche Topseller.
Der Skoda Epiq soll wie der ID.2 490 Liter Kofferraumvolumen haben und mit 4,10 Meter minimal länger sein. Angeblich soll der Einstiegspreis bei rund 25.000 Euro liegen. Es bleibt abzuwarten, wie der Konzern das Preisgefüge innerhalb der MEB Small-Baureihe gestaltet.
2026 bringt aber noch mehr: So startet in der 24. Kalenderwoche die Produktion der großen Produktaufwertung des ID.3 auf Basis des MEB+. Die Front wird beim Design normalisiert, und der Innenraum wird nochmals deutlich überarbeitet: Die Slider zum Beispiel verschwinden.
Bei den Traktionsbatterien wird es erstmals eine Basisversion mit LFP-Zellen geben, siehe oben. Der Elektromotor APP310 bekommt einen Nachfolger, der wie der APP550 sparsamer sein wird. Das wiederum ist gut für die Reichweite.
Ein Elektroauto, das vermutlich nicht jeder auf dem Zettel hat, erscheint zum Jahresende: Bei Volkswagen debütiert der komplett neue ID.4 mit nochmals mehr Energieinhalt in der Traktionsbatterie. Das Design soll, schöne Grüße von Andreas Mindt, dem europäischen Normalkundenwunsch entsprechen. Und im Fahrwasser des ID.4 ist 2027 auch die Ablösung des Skoda Enyaq zu erwarten.
2027
Rollout und Ramp-Up: 2027 wird Volkswagen die vielen Neuheiten des Jahres 2026 in die Breite bringen; es wird mehr Versionen und vor allem mehr Stückzahl geben.
Die wichtigste Neuerung startet im Spätsommer: Der Volkswagen ID.1 kommt.
Der ID.1 wird ein Elektroauto, das nur für den europäischen Markt gedacht ist. Er nutzt als fünftes Elektroauto die MEB Small und bleibt trotzdem ein Solitär; ein Cupra oder Skoda ist nicht geplant.











Bei der Vorstellung der Studie ID.EVERY1 im März war die Abgrenzung der Formensprache klar erkennbar: Während der ID.2 gefällig und eher Polo-artig ist, wird der ID.1 eine kantige Mischung aus Golf 1 und Golf 4. So mögen es die Fans der Marke, ein Stück Giorgio Giugiaro und ein Stück Hartmut Warkuß, bitte.
Der ID.1 wird 3,83 Meter lang und wie der ID.2 1,81 Meter breit. Schmal genug für die gewachsenen Städte Europas, breit genug für großzügigen Sitzkomfort. Zum Vergleich: Ein Renault 5 ist 1,74 Meter breit. Der Radstand ist mit 2,5 Meter zehn Zentimeter kürzer als im ID.2.
Mindestens genauso wichtig ist, dass der ID.1 der erste Volkswagen sein wird, der die Software aus dem Joint-Venture von Rivian nutzt. Aus Wolfsburg heißt es immer wieder, dass die Zusammenarbeit sehr angenehm wäre, weil Entscheidungen dank flacherer Hierarchien schneller und verbindlicher getroffen werden könnten. Und schneller als bisher muss sie sein, die Software.
Was noch? Entwicklungsvorstand Kai Grünitz hat mit seinem Team 34 Merkmale festgelegt, die alle Volkswagen haben müssen, also auch der kleine ID.1: Einen haptischen Drehregler für die Lautstärke zum Beispiel. Ein Zentraldisplay mit Touchbedienung wird es anders als bei Stellantis auch bei sämtlichen ID.1 geben. So lassen sich Googles Android Auto oder Apple CarPlay nutzen, und eine Rückfahrkamera ist präziser und günstiger als Ultraschallsensoren. Eins von beiden ist seit Juli 2024 in der EU verpflichtend, um Unfälle beim Einparken zu vermeiden.
Im ID.1 kommen keine NMC-, sondern nur LFP-Zellen zum Einsatz. Die Größe der beiden LFP-Pakete steht noch nicht fest, weil die Kosten der limitierende Faktor sind: Wie preisgünstig können LFP-Zellen bis 2027 werden? Das Ziel ist ein Grundpreis von etwa 20.000 Euro für Pendler, Bringdienste und Rentner. Ein Premium-ID.1 mit großer Reichweite könnte durchaus 30.000 Euro kosten und würde wohl einige Freunde finden.
Der Volkswagen ID.1 wird ein Wagnis, weil er die Antwort auf die Frage ist, was ein in Europa produziertes Elektroauto des Konzerns mindestens können muss und höchstens kosten darf. Die Erwartungshaltung gegenüber Volkswagen ist höher als zum Beispiel bei Dacia oder Citroën. Es wird spannend.
2028
Wer mit Entwicklern aus Wolfsburg spricht, sieht das Leuchten in den Augen, wenn vom Golf – vielleicht heißt er auch ID. Golf – die Rede ist. Wahrscheinlich wird der aktuelle Golf 8 nochmals modellgepflegt und mit Verbrennungsmotoren in Puebla (Mexiko) weiterproduziert. Der wahre Golf 9 aber läuft im niedersächsischen Stammwerk vom Band, fährt ausschließlich elektrisch und erstmals auf Basis der Scalable Systems Platform (SSP). Die Premiere ist 2028; vielleicht dauert es bis 2029 bis zur tatsächlichen Auslieferung.
Der Golf soll wieder Maßstäbe setzen. Die SSP löst teilweise den MEB+ ab, und das bedeutet unter anderem ein Batteriesystem mit 800 statt 400 Volt. Diese Spannungsebene dürfte ab dem C-Segment aufwärts in den 30er Jahren ohnehin das Mindestmaß sein. Volkswagen könnte sich so von Wettbewerbern wie Hyundai und Kia absetzen, die in dieser Fahrzeugklasse zumindest heute noch auf 400 Volt setzen.
Wenn es mit Rivian weiter gut läuft, kommt die Software der SSP aus dem gemeinsamen Joint Venture. Um zukunftsfähig zu sein, muss die SSP auch Steer-by-wire können: Eine digitale Lenkung ohne mechanische Verbindung ist ein Muss für das autonome Fahren nach Level 4.
Zum Abschluss noch eine plausible Spekulation zu den Batteriezellen: Das Beratungsunternehmen P3 prognostiziert unabhängig vom Kathodenmaterial einen starken Anstieg von Anoden mit Siliziumbeimischung. 2030 soll laut P3 bereits ein Drittel der Batteriezellen diese Beimischung haben, die heute nur beim Porsche Taycan, dem baugleichen Audi e-tron GT und demnächst im Mercedes CLA zu finden ist. Der Vorteil einer Anode mit Siliziumbeimischung ist eine höhere Ladegeschwindigkeit, und formal ist eine bessere gravimetrische Energiedichte möglich. Elektroautos könnten also bei gleicher Reichweite leichter werden.
Bis 2028 sind es nur drei Jahre, also ein für die Autoindustrie kurzer Zeitraum. Wenn Volkswagen konsequent das Portfolio der Elektroautos ausbaut, kann die Marktdominanz in Europa gegen chinesische Hersteller verteidigt werden.
Die Produkte müssen überzeugen, das war immer so. Vielleicht steigt auch der frisch gewählte Papst Leo auf einen elektrischen Volkswagen um: Er wurde jüngst in einem Tiguan und einem Multivan gesehen. Dass es für die Bewahrung der Schöpfung besser ist, wenn er elektrisch fährt, wird er hoffentlich bald verstehen.
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