BMW und E.ON starten V2G-Angebot für Privatkunden
BMW und E.ON kooperieren bereits eine Weile beim intelligenten Laden von Elektroautos, seit April 2024 ist das PV-optimierte Laden in den ersten Märkten verfügbar, seit Oktober 2024 das „kostenoptimierte“ Laden. Aber schon zum Start der Zusammenarbeit im Mai 2023 wurde das bidirektionale Laden als langfristige Perspektive ins Spiel gebracht – nur hat bis dato kein elektrischer BMW diese Funktion unterstützt.
Mit dem Anfang September vorgestellten iX3 und den weiteren Elektroautos auf Basis der Neuen Klasse wird das anders. Durch das bidirektionale Laden, das die Neue-Klasse-Stromer unterstützen, werden Elektroautos „erstmals zu einem aktiven Bestandteil des Energiemarkts“, wie BMW schreibt. Zwar gibt es schon Dutzende Pilotprojekte und in anderen Ländern ist es auch schon für Privatkunden möglich (etwa mit dem Renault 5 in Frankreich), für Deutschland wird das kombinierte E.ON-BMW-Angebot aber eine Premiere. Denn dann können (und dürfen) Elektroautos von Privatkunden nicht nur Strom aus dem Netz beziehen, sondern bei Bedarf auch Energie ins Netz zurück speisen. „Das neue Angebot markiert einen technologischen und marktseitigen Durchbruch, der Elektromobilität und Energiewende intelligent miteinander verknüpft – und damit das Potenzial von Elektrofahrzeugen als flexible Stromspeicher erstmals hierzulande praktisch nutzbar macht“, freut sich BMW.
Um das bidirektionale Laden tatsächlich nutzen zu können, ist neben einem iX3 (ab 68.900 Euro) auch die „BMW Wallbox Professional“ nötig. Dabei handelt es sich um eine DC-Wallbox, da BMW – wie andere deutsche Hersteller – beim bidirektionalen Laden auf Gleichstrom setzt und nicht auf ein AC-System mit bidirektionalen Onboard-Chargern. Über den BMW-Konfigurator für den iX3 kann entweder die (für das bidirektionale Laden nicht geeignete) AC-Wallbox „BMW Wallbox Plus“ für 699 Euro oder eben die „BMW Wallbox Professional“ für 2.094,40 Euro bestellt werden. Diese „ermöglicht bidirektionales Laden mit bis zu 11 kW Leistung und macht Ihren BMW zum Energiespeicher zuhause“, wie es im Konfigurator heißt. „Sie unterstützt Vehicle-to-Home (V2H) und ist vorbereitet für Vehicle-to-Grid (V2G).“
Bonus ermöglicht Strom für bis zu 14.000 km
V2H meint die Versorgung des eigenen Haushalts mit Strom aus der Antriebsbatterie des E-Autos – der Strom wird nicht über den Netzanschlusspunkt hinaus in das Stromnetz eingespeist. Hier bieten sich technisch Gleichstrom-Systeme an, da zum Beispiel auch ein möglicher Heimspeicher und die PV-Anlage auf dem Dach mit Gleichstrom arbeiten. So kann die Energie ohne Wandlungsverluste verteilt werden. Für die Nutzung im Haushalt über die Steckdose reicht es aus, die Energie einmal zu Wechselstrom zu transformieren.
Die Vehicle-to-Grid-Funktion ist laut BMW aber nur „in Verbindung mit dem V2G-Stromtarif unseres Kooperationspartners E.ON“ möglich. Die zugrundeliegende Software haben beide Unternehmen gemeinsam entwickelt. Für die Kunden enthält der Tarif zwei Komponenten. „Kundinnen und Kunden, die ihre Fahrzeugbatterie für das intelligente Laden und Entladen durch Anstecken zur Verfügung stellen, erhalten einen jährlichen Bonus von bis zu 720 Euro“, teilt BMW mit. Zusätzlich zum Bonus gibt es eine Rückspeisevergütung für jede entladene Kilowattstunde zurück ins Netz. Diese Vergütung wird in der Mitteilung aber nicht genannt.
Konkret beträgt der Bonus 24 Cent pro Stunde, ist aber auf maximal 60 Euro im Monat oder die genannten 720 Euro im Jahr gedeckelt – also 250 „Ansteckstunden“ pro Monat. „Mit einem zugrunde gelegten durchschnittlichen Arbeitspreis von 32,97 Cent /kWh, deckt der Bonus bis zu 2.184 geladene kWh pro Jahr. Damit können abhängig von der Fahrzeugkonfiguration des BMW iX3 50 xDrive kalkulatorisch ca. 12.000 bis 14.000 km jährliche Fahrleistung (WLTP) abgedeckt werden“, rechnet BMW vor.
Der Autobauer betont, dass durch die zusätzlichen Entlade-Vorgänge die Lebensdauer der Fahrzeugbatterie nicht beeinträchtigt werde. „Intelligente Schutzfunktionen sorgen dafür, dass die Hochvoltbatterie immer in einem Optimum für die Lebensdauer gehalten wird“, so BMW. In der Praxis sollen die Vorteile überwiegen: „Hochvoltspeicher der Fahrzeuge unterstützen das Energiesystem bei einem Überangebot von Strom oder Erzeugungslücken. V2G unterstützt die Nutzung erneuerbarer Energien und senkt langfristig die Kosten des Energiesystems.“ Und über die MyBMW-App können die Kunden das Ladeziel flexibel so einstellen, dass „ihr Mobilitätsbedürfnis jederzeit sichergestellt ist“.
„Was unsere Kundinnen und Kunden brauchen, ist ein verlässlich geladenes Fahrzeug – einfach, komfortabel und zu attraktiven Kosten. Genau das bieten wir und noch mehr“, sagt Marc Spieker, Vorstand für Kundenlösungen bei E.ON. „Gemeinsam mit BMW bringt E.ON Vehicle-to-Grid direkt zu den Menschen. Neue Klasse trifft Neue Energie! So entfesseln wir die Kraft des Fahrzeugs auch für ihre ganz persönliche Energiezukunft. Wir verbinden Ladekomfort mit spürbarem wirtschaftlichem Nutzen. Und ganz nebenbei kann jedes angeschlossene Fahrzeug dabei helfen, die Kosten des gesamten Energiesystems zu dämpfen – zum Vorteil aller.“
BMW-Entwicklungsvorstand Joachim Post ergänzt: „Mit der Neuen Klasse machen wir als BMW Group das Elektroauto zum aktiven Teil der Energiewirtschaft mit einem greifbaren Kundenmehrwert. Vehicle-to-Grid reduziert die Energiekosten unserer Kundinnen und Kunden, während sie gleichzeitig zur stabilen Energieversorgung beitragen.“
Bidi-Autos könnten Millionen Haushalte versorgen
Der potenzielle Nutzen bidirektional ladender E-Autos ist groß – nicht nur mit Ersparnissen für die Besitzer des Autos, sondern auch für das Stromnetz. Eine zuvor veröffentlichte Analyse von E.ON hat ergeben, dass bidirektional ladende E-Autos bis zu 2,5 Millionen Haushalte von abends bis morgens mit Strom versorgen könnten, wenn ihr Potenzial genutzt wird. Die bidi-ready E-Autos in Deutschland haben im Schnitt eine Akkukapazität von knapp 65 Kilowattstunden, wie E.ON auf Basis der Daten des Kraftfahrtbundesamts analysiert hat. Mit der Annahme, dass 60 Prozent dieser Kapazität zur Verfügung stünden, könnte ein einzelnes Auto über Abend und Nacht durchschnittlich elf Haushalte mit Energie beliefern. Über einen kürzeren Zeitraum von fünf Stunden (17:30-22:30 Uhr), könnte ein einziges Auto rechnerisch sogar fast 19 Haushalte in dieser Zeit komplett versorgen – und das, obwohl die Abendstunden oftmals zum Kochen genutzt werden und energieintensive Geräte wie Geschirrspül- und Waschmaschine laufen.
„In Deutschland haben bereits mehr als 225.000 der zugelassenen E-Autos die technischen Voraussetzungen für bidirektionales Laden. Das Potenzial der verbauten Akkus als Stromspeicher ist riesig: Würden 60 Prozent der Batteriekapazitäten nachts flexibel zur Verfügung stehen, hätten wir fast 8.000 Megawattstunden Energie, die kurzfristig und dezentral nutzbar wären“, sagt Filip Thon, CEO von E.ON Energie Deutschland. „Das ist genug Strom, um zweieinhalb Millionen Haushalte von 17:30 Uhr abends bis 5:30 Uhr am Morgen zu versorgen, also beispielsweise genau dann, wenn viele Geräte laufen, aber weniger Solarenergie zur Verfügung steht. Diese Leistung entspricht der von knapp zweieinhalb großen Gaskraftwerken, die in dieser Zeit stillstehen könnten.“
bmwgroup.com, bmw.de (BMW Wallbox Professional im Konfigurator), eon.de (Analyse)





17 Kommentare