Eichrechtskonforme DC-Ladeinfrastruktur in greifbarer Nähe

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Die Fachgruppe Recht des BMWi-Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“ hat kürzlich die Ergebnisse einer Umfrage zur Umrüstung des Bestandes von DC-Ladestationen und des geplanten Aufbaus konformitätsbewerteter DC-Ladestationen mit DC-Messgeräten in Deutschland veröffentlicht. Serienreife Produkte sind sehr bald zu erwarten.

An der zweiten Umfrage dieser Art haben sich insgesamt 17 Unternehmen beteiligt. Darunter waren drei Hersteller von Gleichstrom-Messgeräten und 13 Hersteller von DC-Ladeinfrastruktur. Mitte Juni 2019 befanden sich demnach neun der 17 Hersteller in einem Konformitätsbewertungsverfahren (KBV). Sieben weitere Teilnehmer streben ein solches Verfahren noch im laufenden Jahr an. Interessant ist auch, dass immerhin sieben Teilnehmer davon ausgehen, die entsprechende Baumusterprüfbescheinigung noch in diesem Jahr zu erhalten, weitere sieben rechnen damit bis Ende 2020. „Es dauert also noch eine Weile, bis wirklich alle Geräte einen Nachrüstfahrplan haben“, resümierte Dr. Armin Gaul von Innogy im Rahmen eines Workhops der Arbeitsgruppe Mitte Juni.

Die LIS-Hersteller gehen davon aus, dass die Serienreife eichrechtskonformer DC-Ladeinfrastruktur mit dem Abschluss der jeweiligen Konformitätsbewertungsverfahren erreicht wird. Viele Hersteller von DC-Ladesäulen sind bereits entsprechende Kooperationen mit den Messgeräteherstellern eingegangen. Auf dem Workshop der Arbeitsgruppe Recht äußerten die Unternehmen, dass die nachträgliche Umrüstung bestehender DC-Ladeinfrastruktur voraussichtliche Kosten von 1.200 bis 5.000 Euro pro Ladeeinrichtung verursachen wird.

Messgerätehersteller stellen Lösungen vor

Im Hinblick auf die eichrechtskonforme Messung des Ladestroms haben auf dem Workshop drei Unternehmen ihre Lösungen vorgestellt. Dabei handelt es sich erstens um LEM, das mit einem optimierten DC-Zähler als Plug- and Play-Lösung für Ströme bis zu 400 Ampere und Leistungen bis 600 kW ins Rennen geht. Das LEM-System besteht aus zwei Teilen: die Sensoreinheit und die Messeinheit zur Berechnung der Kommunikation nebst Anzeige. Beide Teile werden nach Aussage von Dr. Wolfram Teppan von LEM „eichrechtlich als Einheit angesehen“. Die Anbindung an Zeitserver ist vorgesehen, die Datenübertragung erfolgt nach OCMF und auch die Ladeverluste werden entsprechend gemessen.

Als zweiter Messgerätehersteller hat EasyMeter seine Lösung präsentiert. Der Hersteller von Haushaltsstromzählern setzt auf eine robuste und langlebige Shunt-Messung und hat eine strategische Partnerschaft mit EBG compleo geschlossen, wo das Verfahren bereits bei den AC-Zählern angewendet wird. Geplant ist seitens EasyMeter die Entwicklung von DC-Zählern für 50 kW (D1A) und darüber hinaus bis 500 kW (D1B). Die Messbereiche sollen entsprechend Spannungen von 60 bis 600 Volt und 100 bis 1.000 Volt abdecken. Die DC-Zähler von EasyMeter sind zudem in zwei Ausführungen als Bezugszähler und Zweirichtungszähler geplant. Die Baumusterprüfbescheinigung für den 50-kW-Zähler (D1A) wird noch im August erwartet, woraus EasyMeter eine Lieferfähigkeit noch im Herbst erwartet. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Lösung für höhere Ladeleistungen“, sagte Jörg Püls von EasyMeter im Rahmen des Workshops.

Dritter im Bunde der Messgerätehersteller war Isabellenhütte. Das Unternehmen hat zusammen mit Innogy den ersten shuntbasierten Gleichstromzähler für Schnellladesäulen entwickelt. Die entsprechende Baumusterprüfbescheinigung erwartet Tobias Wolff von Isabellenhütte ebenfalls noch im August. Dank der Integration der Strom- und Spannungsmessung im kompakten und mechanisch manipulationssicheren Gehäuse mit Verplombungsschraube freut sich Isabellenhütte über Anfragen aus der ganzen Welt: „Die Entwicklung auf dem deutschen Markt wird international beobachtet“, sagte Wolff. Über die technischen Details der Lösung von Isabellenhütte haben wir hier bereits berichtet. Im Rahmen des Workshops der Arbeitsgruppe Recht wies er darauf hin, dass die Kooperation mit Innogy nicht exklusiv sei: Jeder Ladeinfrastruktur-Hersteller könne letztlich das bald eichrechtskonforme Messgerät für seine Stationen beziehen. Wolff machte abschließend noch auf einen interessanten Aspekt aufmerksam: Angeblich planen die Ladekabelhersteller eine Vierleitermessung in ihren gekühlten DC-Ladekabeln. Die Entwicklung schreitet also voran.

Weitere Unklarheiten

In der abschießenden Diskussion um die Konformitätsbewertung von DC-Ladestationen wurden noch einige Unsicherheiten angesprochen. Stephan Voit von Innogy fragte etwa, wie lange genau eine „dauerhafte Speicherung“ der Messdaten eigentlich ausgelegt sein müsse. Auch der Umgang mit systematischen Fehlern wie etwa Widerstandsverlusten oder Kontaktkorrosion sei noch unklar. Einen eindringlichen Appell an die Eichbehörden richtete er im Hinblick auf die Roaming-Plattformen: „Ich kann nur davor warnen, diese unter das Eichrecht fallen zu lassen“, sagte Voit im Hinblick auf entsprechende Andeutungen seitens Behörden-Vertretern. Werner Marinelli von ABB verglich die Debatte mit einer „Wanderung mit veralteten Wanderkarten“. Ob die Messdaten vor Kunde an der Säule zu sehen sein müssten oder es auf dem Smartphone ausreiche, sei unklar. „Es könnte auch ein Guckloch sein, aber dann müssten wir neue Türen an 1.000 Säulen einbauen“, bemerkte Marinelli lakonisch. Ende dieses Jahres könnten die ersten Multi-Charger von ABB eichrechtskonform sein, prognostizierte er. Die Umrüstung im Bestand werde dann gewiss „noch eine ganze Weile dauern“. Checrallah Kachouh von EBG compleo stellte in Aussicht, dass die EBG-Ladestationen CITO BM2 500 und CITO BM 240 sehr bald eichrechtskonform sein werden. Hinzu komme dann die neue CITO BM 500. Im Hinblick auf die unklare Dauer der Messdatenspeicherung regte er einen Zeitraum von drei Jahren als Branchen-Standard an, weil danach ohnehin alle Ansprüche aus einem Geschäftsvorgang erlöschen würden. Das könnte die pragmatische Lösung für den Umgang mit der Messdatenspeicherung sein.

Die Eichrechtskonformität erster DC-Ladestationen rückt auf der Zeitachse also in greifbare Nähe. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Umrüstung im Bestand noch viele Monate in Anspruch nehmen wird. Wir von electrive.net werden Sie über die weiteren Entwicklungen natürlich informieren. Alle Beiträge zum Eichrecht finden Sie in der entsprechenden Schlagwort-Übersicht. Zudem können Sie die vollständige Auswertung der Ergebnisse der zweiten Umfrage zur Umrüstung des Bestandes von DC-Ladestationen und des geplanten Aufbaus konformitätsbewerteter DC-Ladestationen mit DC-Messgeräten in Deutschland hier als PDF herunterladen.

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