Bäckerei-Flotte lädt mit eigenem Wind- und Sonnenstrom

Die Hofbäckerei Wittmaack, ihres Zeichens Biobäckerei aus Bargteheide bei Hamburg, hat nicht nur binnen drei Jahren ihre Lieferflotte fast vollständig elektrifiziert, sondern strebt bereits für kommendes Jahr einen CO2-neutralen Betrieb an – unter anderem dank Solarzellen und einem Kleinwindrad.

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Noch 2017 waren Elektroautos bei der Hofbäckerei Wittmaack kein Thema. Der Demeter-Betrieb stellte seinerzeit seinen Fuhrpark für die Auslieferung der Bio-Backwaren auf Euro-V-Fahrzeuge um. Just zu diesem Zeitpunkt entfaltete sich der Dieselskandal. „Wir haben sofort überlegt, was wir tun können“, sagt Inhaber Andreas Wittmaack. Die Euro-V-Neuwagen ließen sich nicht auf Gasbetrieb umrüsten. Das war also keine Option.

Für Wittmaack war klar, die Alternative lautet Elektroantrieb. „Alle, die ich dazu befragt habe, rieten mir ab, in E-Fahrzeuge zu investieren. Das hat mich angespornt, es erst recht zu versuchen“, fügt er hinzu und schaffte einen Nissan e-NV200 mit einer Batteriekapazität von 24 kWh an, die für rund 80 Kilometer Fahrstrecke reichen sollte. Da die kürzeste Strecke seiner Ausliefertouren hin und zurück 86 Kilometer beträgt, musste er die Tour so umplanen, dass sein Fahrer unterwegs an einer öffentlichen Ladestelle die Batterie aufladen konnte, vor allem im Winter sei das nötig gewesen.

„Ein zweites E-Fahrzeug gibt es nicht, sagte meine Frau, die bei uns für die Finanzen verantwortlich ist“, erzählt er. Ein halbes Jahr später hat Wittmaack einen zweiten e-NV200 gekauft, denn die Rechnung ging trotz aller Skepsis auf. Zwar seien die Anschaffungskosten höher, aber dafür sind die laufenden Kosten sehr gering. Es fallen kaum Verschleiß- oder Reparatur- und keine Wartungskosten an. „Wir bezahlen den Strom, der deutlich weniger kostet als Diesel, und profitieren von der Steuerbefreiung“, sagt Wittmaack.

Also warum nicht alle Lieferfahrzeuge auf Elektroantrieb umstellen, wenn zwei Touren gut funktionieren? Inzwischen umfasst die Flotte der Hofbäckerei fünf Nissan e-NV200 mit mittlerweile 40 kWh Batteriekapazität, die für etwa 200 Kilometer reicht, drei Transporter des chinesischen Herstellers Shanghai Automotive Industry Corporation (Saic) Maxus EV80 mit Akkus, die über 68 kWh und rund 180 Kilometer Reichweite verfügen, einen Tesla Model X, einen Tesla Model S, ein Nissan Leaf sowie Niu-Elektroroller.

„Jetzt haben wir nur noch einen Ford Transit mit Dieselantrieb für längere Strecken“, sagt Wittmaack. Ziel sei es, diesen bis Ende des Jahres gegen einen weiteren Transporter mit E-Antrieb zu ersetzen – voraussichtlich wird es ein Maxus e-Deliver 3, den der chinesische Hersteller SAIC in Kürze mit 58 kWh für rund 300 Kilometer Reichweite auf den Markt bringt.

Die Fahrvorteile des Elektroantriebs liegen nach Ansicht von Wittmaack auf der Hand: Die Fahrzeuge haben ein viel besseres Drehmoment und fahren daher viel kraftvoller an. Das käme dem Betrieb vor allem dann zugute, wenn er seine Marktanhänger mit 1,8 Tonnen Gewicht zu den Verkaufsorten ziehen müsse. Seine Fahrer seien zudem begeistert und wollen gar nicht mehr herkömmlich fahren. Ihren Aussagen zufolge sei die Straßenlage viel besser und das nahezu geräuschlose Fahren mache ebenso Spaß. „Einige sind jetzt sogar auch privat mit E-Autos unterwegs“, erzählt der Bio-Bäcker.

Den Strom für den Betrieb der Flotte produziert Wittmaack zum Teil selbst. „Vor einigen Jahren habe ich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert, um die Bäckerei über Solarstrom versorgen zu können.“ Die Anlage sei zu 98 Prozent ausgelastet. Alle E-Autos werden mit dem grünen Strom aus Sonnenenergie versorgt. Dazu hat Wittmaack vier 3,7-kW-Ladegeräte sowie eine 7,4-kW-, eine 8,4-kW- und eine 11-kW-Ladestation entsprechend der Akkugröße der Fahrzeuge installiert. Es sind mobile Anlagen, die im Gegensatz zur Wallbox wesentlich weniger kosten und dazu ohne Genehmigung betrieben werden dürfen.

„Die Transporter laden tagsüber während ihrer Standzeiten, wenn die PV-Anlage Strom produziert“, erläutert er. Das heißt, die E-Fahrzeuge sind rund vier Stunden täglich auf Tour, das Beladen mit Waren dauert etwa eine Stunde, so dass etwa 19 Stunden bleiben, um die Akkus zu laden. „Wir haben ein ausgeklügeltes Steuerungssystem entwickelt, das in Kürze komplett digital funktioniert, so dass immer die Fahrzeuge mit Strom versorgt werden, die ihn brauchen“, sagt Wittmaack.

Derzeit erweitert die Hofbäckerei ihre PV-Anlage. Eigens dafür hat sie Carports gebaut, um weitere Dachflächen zu generieren. Außerdem will Wittmaack in Kürze eine eigene Windkraftanlage an sein Stromsystem anschließen. Da seine Bäckerei energieintensiv überwiegend nachts arbeite, soll das Windrad auf dem Hof künftig bei Dunkelheit grünen Strom liefern.

Gerne hätte das Unternehmen im Bargteheider Gewerbegebiet ein 30 Meter hohes Windrad aufgestellt, um mehr Wind nutzen zu können. Der dafür nötigen Änderung des Bebauungsplans hat die Kommunalpolitik allerdings nicht zugestimmt. Daher hat Wittmaack nun mit Unterstützung unter anderem des Landes Schleswig-Holstein ein Kleinwindrad mit 2,5 kW Leistung des Unternehmens Braun Windturbinen angeschafft, das in Kürze den Betrieb aufnehmen soll. Durch Corona habe sich leider einiges verzögert.

„Es wird die PV-Anlage auf dem Dach perfekt ergänzen, denn im Winter gibt es mehr Wind und im Sommer scheint die Sonne“, sagt er. Und so sei es möglich, dass er ab dem kommenden Jahr komplett CO2-neutral produzieren kann. Die Hofbäckerei Wittmaack, die 36 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit beschäftigt, beliefert mit seinen elektrischen Transportern morgens Kindergärten, Bio-Läden und Öko-Lieferanten in der Elbmetropole Hamburg und Umland mit seinen Bio-und Demeter-Backwaren.

1 Kommentar

zu „Bäckerei-Flotte lädt mit eigenem Wind- und Sonnenstrom“
rabo
02.11.2020 um 12:03
Brav,brav, brav... Bei dem derzeitigen Tarif- und Karten-Chaos lade ich meine Smart EQ ausschliesslich per "Schnarchladung" und Schuko "Ziegelkabel" zu Hause (€0,26 für Ökostrom). Bei täglich ca. 30km 1X/Woche. Für seltene Langfahrten behalte ich meine treue C-Klasse bis ein FCEV - Honda Clarity, Mirai (kein SUV!) etwas günstiger wird.

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