Von E-Flotte bis Solardach: Wie ein IT-Systemhaus seinen CO2-Fußabdruck attackiert

In Laufweite zur Ostsee entfernt, hat sich EDV-Dienstleister M2solutions mit Sitz in Neustadt (Holstein) entschieden, auf E-Flottenautos und ein nachhaltiges Energie-Ökosystem umzuschalten. Dabei hat der IT-Fachbetrieb die Erfahrung gemacht, dass Hindernisse mitunter an ungeahnter Stelle lauern.

* * *

Reiner Matthiessen hat „Go Green“ zum Motto seines Unternehmens erklärt. „Wir wollen unseren CO2-Fußabdruck reduzieren“, macht der Geschäftsführer deutlich. Erster Ansatzpunkt: die Dienstwagen-Flotte. Das Systemhaus für IT-Dienstleistungen ist auf E-Fahrzeuge umgestiegen. „Bei einer durchschnittlichen Jahreslaufleistung von 15.000 Kilometern können wir im Vergleich zu herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen der Kompaktlimousinen- beziehungsweise Mini-Klasse mehr als 61 Tonnen CO2 einsparen“, legt er dar. Das Sparpotenzial ist auch das Stichwort bei den bekannten Anreizen für E-Dienstwagen wie Umweltbonus und Steuererleichterungen. Matthiessen hat das überzeugt.

Bis dato sind bei M2solutions allen voran Plug-in-Hybride im Einsatz, und zwar sowohl E-Dienstwagen mit Benzin- als auch mit Dieselmotor. Dadurch, dass das Unternehmen unter anderem Diesel-Plug-in-Hybride beschaffen wollte, vereinfachte sich die Herstellerwahl radikal: Einzig Mercedes-Benz bot zum Zeitpunkt der Bestellung ebendiese an. Also orderten die Neustädter direkt alle E-Fahrzeuge bei dem Stuttgarter Autokonzern. In Kürze erweitert der IT-Spezialist die Flotte auch um rein elektrische Fahrzeuge. Am Firmenstandort bereitet man sich auf den Empfang von fünf E-Smarts vor, die laut Herstellerangaben bis zu 160 Kilometer weit kommen. „Selbst, wenn sie in der Praxis nur 140 Kilometer Reichweite schaffen, sind sie für unsere Liefer- und Servicefahrten in der Region sehr gut geeignet“, äußert Matthiessen.

Bis dato hat M2solutions zehn Plug-in-Hybride im Einsatz, einen S 560 e (Benziner, 8,7 kWh Akkukapazität), einen E 300 e (Diesel, 14,5 kWh) und acht A 250 e (Benziner, 15,6 kWh). Letztere können im Elektromodus laut Matthiessen rund 70 Kilometer gefahren werden. „Wir haben dabei zwei Monate lang die Fahrten einer Kollegin gemessen, die von Lübeck nach Neustadt und zurück fährt, also täglich knapp 70 Kilometer zurücklegt.“ Das sei genau der Anwendungsfall, den man bei der Flottenentwicklung in Richtung ressourcenschonendere Mobilität im Blick gehabt habe. Der Geschäftsführer und sein Team haben analysiert, dass der durchschnittliche Verbrauch im Zuge des Praxiseinsatzes bei 1,5 Litern auf 100 Kilometer zuzüglich Strom lag. „Wir verbrauchen somit gegenüber dem herkömmlich angetriebenen Modell zirka secht Liter weniger auf 100 Kilometer, die Batterie aufzuladen kostet uns jeweils etwa 3,50 Euro.“

Die Mitarbeiter sind aufgefordert, so viel wie möglich im E-Modus zu fahren und auch bei Pausen unterwegs, wo möglich, Strom zu laden. „Durch die Mercedes-me-App wissen die Mitarbeiter immer, ob die Batterien der Plug-in-Hybride tatsächlich aufladen“, betont Matthiessen. Bereits im Mai 2021 soll sich die Plug-in-Hybrid-Anzahl in der Dienstwagen-Flotte verdoppeln. Dann liefert Mercedes-Benz weitere neun CLA Shooting Brake-Hybrid (Diesel, 15,6 kWh) zu M2solutions in die Ostsee-Kommune.

Die Fahrzeuge werden auf dem Betriebshof geladen. Dazu hat der IT-Dienstleister auf seinem Gelände zwei 11-kW-Wallboxen installiert. „Wir hätten gerne zehn gehabt und haben unser Anliegen beim Netzbetreiber vorgetragen“, erzählt der Geschäftsführer. Denn vonseiten des Energieversorgers hätte zuerst geprüft werden müssen, für wie viele dieser Ladestationen der Stromzugang ausgelegt ist. „Ich habe fünf Monate lang hinterher telefoniert, Mails geschrieben und keine aussagekräftige Antwort gekriegt.“ Matthiessen entschied, es nicht länger zu versuchen, zehn herkömmliche Außensteckdosen verlegen zu lassen und dadurch längere Standzeiten in Kauf zu nehmen. Für jedes Fahrzeug schaffte er gezwungenermaßen Adapterkabel an – 360 Euro pro Stück, wie er rekapituliert.

Und an dieser Stelle hörte der Ärger noch nicht auf: „Die Steckdosen waren gerade montiert, als ich doch noch den Anruf bekam, dass wir vier Wallboxen installieren können“, schildert der Geschäftsführer. Acht Wallboxen wären mit einer Aufrüstung des Stromanschlusses auch möglich gewesen. Kostenpunkt zirka 2.600 Euro. Also lukrativer, doch zu spät für M2solutions. „Wir haben zudem erfahren, dass es einen Spezialtarif für Wallboxen gibt, der aber nicht auf der Website des Energieanbieters zu finden ist“, ärgert sich Matthiessen. Der Tarif für Wallboxen, der grünem Strom aus Wind und Sonne liefert, sei zudem 5 Cent pro Kilowattstunde teurer. „Ich bin fassungslos. Wind haben wir hier an der Ostsee doch mehr als genug. So macht die Zusammenarbeit wahrlich keinen Spaß. Wir haben den Eindruck, dass der lokale Stromversorger überhaupt kein Interesse hat, die Landesstrategie zur E-Mobilität voranzutreiben und sich an den aktuellen Förderthemen zu orientieren.“

All das hat M2solutions veranlasst, selbst noch aktiver zu werden. Auf dem Dach des 2019 neu gebauten Firmensitzes wird im ersten Quartal 2021 eine Photovoltaikanlage installiert, die in Zukunft nicht nur das Unternehmen, sondern auch die elektrifizierte Firmenflotte mit Solarstrom versorgen soll. „So wie es derzeit aussieht, können wir damit im Jahr rund 190.000 kWh Strom produzieren“, erläutert Matthiessen. Damit wird die Anlage voraussichtlich mehr Strom erzeugen, als das Unternehmen verbraucht. Für das Gebäude und die E-Flotte (15 Fahrzeuge) veranschlagt der Geschäftsführer einen Verbrauch von 110.000 kWh pro Jahr. Der selbst produzierte Strom würde also auch für 30 oder mehr Fahrzeuge reichen. „Wir werden in einer einjährigen Testphase sehen, wie sich die Verbräuche tatsächlich darstellen und anschließend in Speicher investieren, um den Strom bevorraten zu können, den wir selbst verbrauchen“, so Matthiessen. Ziel sei, in enger Kooperation mit dem Vermieter zumindest die Stromversorgung betreffend ganz autark zu werden.

3 Kommentare

zu „Von E-Flotte bis Solardach: Wie ein IT-Systemhaus seinen CO2-Fußabdruck attackiert“
notting
26.11.2020 um 13:05
Einige dieser Punkte habe ich als Privatmann so ungefähr auch erlebt. Im Artikel fehlt aber vermutlich ein wichtiges Detail. Diese günstigen Wallbox-Tarifen gelten i.d.R. nur wenn der Stromnetzbetreiber die Wallboxen bei Bedarf deaktivieren kann. Ob man das will, ist eine andere Frage. Wenn man so wenig gefahren ist, dass man von der Wegstrecke her auch fast mit dem Fahrrad hätte fahren können, macht das wahrscheinlich nicht soviel aus. Aber wenn BEV viel gefahren werden und nur mit 11kW oder weniger geladen werden können, können diese Unterbrechungen durch den Stromnetzbetreiber dafür sorgen, dass eben zu wenig Reichweite zur Verfügung steht wenn man sie bräuchte. Desweiteren wird dafür ein deutlich teurerer Stromzähler benötigt und natürlich auch die entspr. Technik zwischen dem Stromzähler und den Wallboxen.notting
sigi
26.11.2020 um 22:54
gratuliere zum Solardach und zur Erkenntniss, daß e-Autos an der Steckdose geladen werden können.
sebigbos
26.11.2020 um 23:05
Die Idee und der Ansatz von Herr Matthiessen ist gut und absolut sinnvoll. Aber dass er dann nur auf PHEV umgestiegen ist, dazu teilweise auch noch Diesel-Hybride, und dann von E-Fahrzeugen spricht, hat mich enttäuscht. Ein Plug-In-Hybrid ist kein Elektroauto, es wird auch herkömmlich angetrieben. Wie die Fahrzeuge der alten Flotte auch. Wer das Thema E-Mobilität voranbringen will, sollte auch voll elektrisch unterwegs sein, sonst ist es aus meiner Sicht nicht glaubhaft. Bleibt für Herr Matthiessen nur zu hoffen, dass es die günstige Dienstwagenbesteuerung noch gibt, wenn die restlichen Fahrzeuge geliefert werden. Sonst möchte die ja niemand mit nach Hause nehmen...

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Lesen Sie auch