Die THG-Quote: Potenzial und Baustellen eines aufstrebenden Fördermittels

Im Handel mit THG-Quoten ist zurzeit viel Bewegung. Der Markt selbst unterliegt starken Dynamiken, die Regierung setzt neue Regulierungen obendrauf. Wir haben den frisch gegründeten Bundesverband THG-Quote gebeten, uns in sein Geschäftsfeld mitzunehmen und aufzuzeigen, warum die Quote so starken Schwankungen unterliegt, welches Potenzial sie hätte und wo aktuell die größten Baustellen sind.

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Den meisten E-Auto-Fahrern ist die Treibhausgasminderungsquote (kurz THG-Quote) als jährlich wiederkehrender Erlösbringer ein Begriff. Im vergangenen Jahr gab es pro Fahrzeug rund 300 bis 400 Euro. Maximilian Stein äußert, dass 2022 für etwa 800.000 Elektro-Fahrzeuge eine Quote beantragt wurde. Bei einem Bestand von rund 1,1 Millionen aus seiner Sicht ein signifikanter Marktanteil. „Aber für 300.000 Fahrzeuge da draußen wurde sie nicht beantragt. Sicherlich, weil das Prinzip nicht verstanden oder nicht ausreichend darüber informiert wurde. Also Potenzial nach oben ist definitiv da – auch für den Bereich Flotten“, folgert Stein, der sich als Leiter des Arbeitskreises Kommunikation und PR beim Bundesverband THG-Quote engagiert.

Von was reden wir genau? Die THG-Quote ist ein Klimaschutz-Instrument, um Treibhausgase im Verkehr  – darunter CO2 – zu verringern, indem Emittenten von Treibhausgasen andere Akteure, die Kraftstoffe mit geringen Emissionen in den Verkehr bringen, querfinanzieren. Halter privater E-Autos, E-Flottenbetreiber und Betreiber von Ladesäulen können seit 2022 mithandeln und sich so recht unkompliziert Erlöse sichern – in der Praxis durch die Übertragung ihrer Ladestrom-Mengen (bei Elektroautos ist das nicht die reale Menge, sondern eine Pauschale) an Dritte, die diese gebündelt handeln, denn für die quotenverpflichteten Unternehmen am anderen Ende des Verhandlungstischs – das sind vor allem Mineralölkonzerne – wäre der Aufwand beträchtlich, sich die benötigten Quoten von einzelnen Personen oder Unternehmen zusammenzukaufen.

Hier kommen also Poolingdienstleister und -plattformen ins Spiel, die durch die Bündelung der Quoten zu einer größeren Menge höhere Preise erzielen können. Denn Abnehmer haben laut Stein Interesse an effizienten Transaktionen und „sind daher bereit, bei beispielsweise 100.000 Tonnen CO2 einen höheren Preis zu zahlen als bei 200 bis 300 Tonnen“. Zur Relation: Ein E-Fahrzeug entspricht im Kalenderjahr 2023 einem Äquivalent von 0,704 Tonnen CO2.

Doch der Reihe nach: Innerhalb kürzester Zeit hat sich somit ein Markt für Vermittler aufgetan, die die Quoten sammeln und handeln, die Erlöse ausschütten und häufig von Provisionen leben. Das Geschäft hat etliche Akteure angezogen, auch unseriöse und solche, die Grauzonen in dem noch jungen Feld ausnutzen. Der sich gerade bildende Bundesverband will nach außen und innen wirken. „Nach außen wollen wir eine Stimme aus der Praxis bieten, die eine starke politische Vertretung für den Bereich THG-Quotenhandel bildet, nach innen haben wir den Verbraucherschutz in unsere Satzung verankert. Unsere Mitglieder verpflichten sich, keine regulatorischen Grauzonen auszunutzen und nach den maßgeblichen Werten des Verbraucherschutzes zu agieren“, so Stein.

Bemerkenswerte Kooperation unter Konkurrenten

Im Vorstand des neuen Verbands engagiert sich auch Manuela Hotop, die es bezeichnend findet, dass „wir gemeinsam an einem Strang ziehen, obwohl wir alle starke Wettbewerber untereinander sind“. Dabei gehe es nicht darum, Absprachen über Marktbewegungen zu treffen, sondern sich Gehör zu verschaffen, was einer Marke allein in dieser Form nicht gelingen könne.

Sowohl Stein als auch Hotop schätzen, dass es rund zehn ernst zu nehmende Vermittler gibt. „Die fünf Gründungsmitglieder des Verbands – und noch einmal eine Handvoll“. Anbieter gibt es aber etliche, denn die Einstiegshürden sind gering. Viele verschwinden aber so schnell, wie sie auftauchen. „Darunter sind etliche Jung-Unternehmer, die denken, dass sie schnelles Geld verdienen können – und die dann realisieren, dass es doch nicht so einfach ist.“

Der Knackpunkt: „Das Portfolio-Management“, wie es Manuela Hotop ausdrückt. Man sichere seinen Kunden vertraglich einen gewissen Erlös zu. Bis zur Bescheinigung durch das Umweltbundesamt vergingen aber in der Regel drei bis fünf Monate. „Die THG-Quoten erst zu den dann aktuellen Marktpreisen tatsächlich zu vermarkten, birgt neben der Chance auf steigende Marktpreise mit Spekulationsgewinnen eben auch enorme Risiken eines starken Preisverfalls wie dieses Jahr geschehen. Dies lässt sich nur durch entsprechend flexible, direkt bei Kundenunterschrift abgeschlossene back-to-back-Geschäfte mit quotenverpflichteten Käufern absichern.“ Dass dieses Wirtschaften durchaus seine Tücken hat, zeigt die vorläufige Insolvenz von eQuota – einem eher großen Anbieter in der Szene.

Zu den Anliegen des Verbands, Aufklärungsarbeit zu leisten und Kohärenz in einige Aspekte der THG-Quote zu bringen, ist unterdessen relativ unverhofft noch ein weiteres Anliegen hinzukommen, nämlich „die THG-Quote als nachhaltiges Klimaschutz-Instrument zu erhalten“, wie es Maximilian Stein ausdrückt. Denn die Bundesregierung ist dabei, den Markt zu regulieren. Aus Sicht des Bundesverbands werden die angestoßen Änderungen aber auch zu einer enormen Unsicherheit beitragen. Dazu gleich mehr.

Erlös sinkt 2023 auf grob die Hälfte des Vorjahreswerts

Schauen wir zunächst auf die Relevanz der THG-Quote für Flotten. Manuela Hotop zufolge ist diese hoch einzuordnen, denn die Quote kann aus ihrer Sicht als Hebel dienen, um auf Elektromobilität umzustellen, indem sie die Kostendifferenz zwischen Verbrennern und Elektroautos reduziert. Denn „Elektroautos – auch im Leasing – sind bisher per se noch teurer“. Bei den oben genannten bis zu 400 Euro im vergangenen Jahr komme bei einer Flotte von beispielsweise 100 Elektro-Pkw eine schöne Summe zusammen, so die Fachfrau. Und: „Wir merken durch unsere Beratungen auch, der Erlös wird von den Unternehmen oft wieder sinnvoll investiert – etwa in den Ausbau der Ladeinfrastruktur oder in weitere Elektrofahrzeuge.“

Doch viele werden schon gehört haben: Die THG-Quote für dieses Jahr wird deutlich weniger pro Elektro-Pkw einbringen als vergangenes Jahr – grob etwa die Hälfte des 2022er Erlöses. Dafür gibt es laut Maximilian Stein im Wesentlichen zwei Gründe. „Erstens schwanken von Jahr zu Jahr je nach gültigem Strommix die anzurechenbaren CO2-Äquivalente pro E-Fahrzeug. Das heißt: Der Strommix, den wir mit dem Elektroauto geladen haben, ist 2022 sauberer gewesen als 2023.“ Heruntergerechnet auf das einzelne E-Auto – Klasse M1 – seien vergangenes Jahr pauschal 862 Kilo zertifiziert worden, dieses Jahr nur die oben bereits genannten 704 Kilo. Da die Vermittlerfirmen die Quoten in Tonnen CO2 handeln, erhalten sie also von der Mineralölwirtschaft weniger pro Fahrzeug. Kurzum: eine reguläre Marktschwankung.

Der zweite Grund ist alles andere als regulär: Die Öl-Multis können ihre CO2-Emissionen auch senken, indem sie ihren Kraftstoffen ein umweltfreundlicheres Komplementärprodukt beimischen. Dies ist in diesem Jahr laut Stein exorbitant geschehen, wobei es Hinweise darauf gibt, dass „fälschlicherweise ein Kraftstoff als fortschrittlich klassifiziert wurde, der nicht fortschrittlich ist, umgangssprachlich Palmöl. Massenweise angeliefert aus China.“ Die Ermittlungen in dieser Sache laufen. Das Resultat ist aber fürs Erste: Die CO2-Emittenten brauchen weniger Quotenhandel, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Die geringere Nachfrage schlägt sich in niedrigeren Handelspreisen nieder.

„40-Tonner spart auf dem Papier so viel CO2 wie ein Smart“

Von derartigen Marktmechanismen zu den der THG-Quote selbst innewohnenden Baustellen. Da wäre einmal die Intransparenz, die sich aus der unterschiedlichen Behandlung verschiedener Fahrzeugklassen ergibt. Einem Pkw (M1) wird vom Bundesumweltministerium ein Äquivalent von 2.000 Kilowattstunden attestiert, Transportern (N1) das 1,5-fache, also 3.000 kWh, und Busse das 36-fache, also 72.000 kWh. Elektro-Lkw sind jedoch noch nicht berücksichtigt. Da sie noch keinen Referenzwert haben, werden sie wie Pkw behandelt. „Der große 40-Tonner spart also auf dem Papier genauso viel CO2 ein wie der kleine Smart“, kritisiert der THG-Quoten-Verband. Immerhin sieht auch das Ministerium Handlungsbedarf und hat bereits angekündigt, an dieser Stelle nachzubessern.

Noch nicht ausgereift ist die Situation auch bei der Anrechenbarkeit von Ladeinfrastruktur. Bisher können nur Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladesäulen den Ladestrom anrechnen lassen. In diesem Fall gilt die reale Menge und entsprechend ein Erlös pro Kilowattstunde. Eine Grauzonen-Praktik, von der sich die Verbandsmitglieder distanzieren, ist es, auch private Ladestationen bei der Bundesnetzagentur anzumelden und sie zum Schein zu bestimmten Zeiten als öffentlich zu deklarieren. In der Folge sahnen die Antragsteller doppelt ab: über ihr E-Auto und über die Ladestation.

Stein und Hotop befürchten, dass solche Praktiken dazu führen, dass das ganze System THG-Quote in Frage gestellt werden könnte: „Das ließ sich in der Vergangenheit schon oft beobachten: Ein Instrument ist eigentlich gut, aber irgendwer überdreht das System – und anschließend wird das Ganze komplett eingestellt. Deshalb verpflichten wir uns in diesem Punkt, Ladestrom nur von öffentlichen Ladepunkten von Firmenkunden zu vermarkten – das gilt für alle Gründungsmitglieder.“

Welche Nachweispflichten werden kommen?

Ganz neu positionieren muss sich der Verband auch zu einem Vorstoß der Regierung von Ende Juni, der den THG-Quotenhandel in zweierlei Hinsicht lenken soll – und zwar sowohl inhaltlich mit einer höheren Anrechenbarkeit von öffentlichen Ladern, die lokal produzierten Ökostrom nutzen, als auch formal mit einer neuen Frist zur Einreichung der Anträge beim Bundesumweltamt.

Ersteren Punkt betrachtet der Bundesverband tendenziell wohlwollend, auch wenn Stein betont, erst einmal auf die konkreten Nachweispflichten zu warten, die gefordert werden. Zwar ist bekannt, dass es für Betreiber öffentlicher Ladeinfrastruktur über eine höhere Zertifizierung attraktiver werden soll, Ökostrom direkt an der Ladesäule zu produzieren (etwa über eine lokale Solar- oder Windkraftanlage), aber noch offen ist, welche Nachweise dafür eingereicht werden müssen. Dass dies ein Knackpunkt sein kann, vergegenwärtigt Stein unter Verweis auf sogenannte Insel-Anlagen. „So nennt man Ladeanlagen ohne direkten Netzanschluss und auch wenn wir solche Konstrukte für Kunden gerne geltend machen würden, kann uns bisher keiner sagen, wie die konkrete Nachweispflicht aussieht und wie das Ganze eigentlich dokumentiert werden soll.“ Immerhin: „Die Behörden signalisieren uns hier Änderungen und Konkretisierungen, daher sind wir der festen Überzeugung, dass bald eine verbraucherfreundliche Lösung etabliert werden kann.“

Aus Sicht des Bundesverbands handelt es sich dennoch um „hohe Bürokratie-Hürden“, richtig ärgerlich ist den Mitglieder zufolge aber der zweite Punkt in der Verordnungsnovelle: nämlich die nach vorne gezogene Frist, bis wann die jährlichen THG-Quoten von den Anbietern per Antrag beim Umweltbundesamt eingereicht werden müssen. Dieser Schritt ist zur Auszahlung der Quotenerlöse notwendig. Die Regierung will die Bearbeitung in dem Amt beschleunigen und einen „Antragsstau“ vermeiden. Deshalb wird die Frist vom Stichtag 28. Februar des Folgejahres auf den 15. November des Verpflichtungsjahres vorgezogen.

Stein und seine Verbandskollegen kritisieren, dass dann elektrische Fahrzeuge, die nach dem 15. November bis zum 31. Dezember des jeweiligen Verpflichtungsjahres zugelassen werden, keine Förderung mehr erhielten. In einer ersten Reaktion auf den Vorstoß des Gesetzgebers argumentierte der Verband, „dass dadurch rund 35% der neu zugelassenen Elektrofahrzeuge in Deutschland von der Geltendmachung der THG-Quote für 2023 ausgeschlossen werden.“ Das zumindest ließen die Vergleichszahlen aus der KBA-Zulassungsstatistik 2022 befürchten. Nach Berechnungen des Verbandes entspricht das Handelsminus damit einer Summe von rund 50 Millionen Euro, die von der Zertifikate kaufenden Mineralölindustrie nicht in die Elektromobilität umverteilt werden.

„Ausstattung des Umweltbundesamt ändern, nicht den Marktmechanismus“

„Jetzt, wo wir eigentlich ein sehr effizientes Produkt haben, bekommen wir solche Steine in den Weg gelegt“, kommentiert Stein. Der Bundesverband wendet sich daher gegen diese Pläne und fordert eine „substanzielle Überarbeitung des lang erwarteten und nunmehr kontraproduktiven Entwurfs“. Er vergegenwärtigt auch, dass jeder Eingriff in den Handelsmechanismus ein Eingriff in den Markt sei. „Veränderungen wirken auf bereits geschlossene Verträge und führen zu wirtschaftlichen Risiken vieler Marktteilnehmer (…). Mit dem geplanten Schritt greift die Bundesregierung aktiv in den Markt ein und provoziert sehenden Auges deutliche wirtschaftliche Risiken der THG-Händler, die sowohl bei Verbrauchern als auch Mineralölfirmen Verbindlichkeiten aufgebaut haben.“

Mit Blick auf das Umweltbundesamt konstatiert der Verband, dass der Kabinettsbeschluss deutlich mache, dass das Arbeitsvolumen für die zuständige Aufsichtsbehörde zu groß ist. „Der Behördenaufwand soll reduziert werden, was aufgrund der bisherigen Personaldecke und Arbeitsweise der Behörde mit Excel-Listen, E-Mail-Abwicklung und Fax Geräten durchaus nachvollziehbar ist. Allerdings muss dafür nicht der Marktmechanismus geändert werden, sondern die Ausstattung des Umweltbundesamt mit moderner Software.“

Sowohl Stein als auch Hotop betonen, dass die Gründung des Bundesverbands kein Selbstzweck sei. „Es geht um das Handeln im Einklang mit dem Verbraucherschutz sowie den Nachhaltigkeitszielen und ökologischen Anforderungen unserer Zeit. Darüber haben wir viel diskutiert – und das eint uns“, sagt Manuela Hotop. Auf die Frage, wie sie Menschen widerspräche, die von ihrem Geschäft als „Ablasshandel“ sprechen, äußert sich die Fachfrau wie folgt: „Meine persönliche Meinung ist, dass der THG-Quotenhandel eine Umverteilung von Geldern und nicht das Freikaufen vonseiten der Mineralölkonzerne bedeutet. Je mehr Elektromobilität am Ende im Markt ist, desto weniger wird fossiler Kraftstoff getankt und desto weniger haben am Ende die Mineralölkonzerne eine Daseinsberechtigung.“

Maximilian Stein ergänzt, dass sich die Einsparpflicht bei Treibhausgasen zudem auf die Produktpreise der Ölmultis auswirkt: „Die Mehrkosten und gegebenenfalls Strafen schlagen sich in den Absatzzahlen und den Verbrauchspreisen nieder. Fossile Kraftstoffe werden teurer, alternative Antriebe gefördert.“ Und entgegen der BAFA-Förderung, die zum Teil mit Steuergeldern arbeite, „erfolgt hier eine Umverteilung zwischen Wirtschaftsakteuren – und zwar genau in die richtige Richtung.“

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Der Bundesverband THG-Quote ist seit diesem Jahr ein eingetragener Verband. Zu den fünf Gründungsmitgliedern zählen Carbonify GmbH, Ecoturn GmbH, EMOVY GmbH, GT Emission Solutions GmbH, Greenair GmbH und die mint future GmbH. Vorsitzender ist Marc Schubert, Geschäftsführer der Ecoturn GmbH.

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