Jahresbilanz 2023: Tesla nimmt für mehr Wachstum einiges an Blessuren in Kauf

Tesla feiert sein Model Y als meistverkauftes Auto im Jahr 2023. Noch nie ist dies mit einem Elektroauto gelungen. Die Finanzzahlen zum Q4/2023 und zum Gesamtjahr zeigen, wie aus dem Senkrechtstarter ein konstanter Marktakteur geworden ist. Umsatz- und Gewinnsteigerungen um knapp 20 Prozent können sich sehen lassen. Wer genauer in die Bilanzen schaut, findet aber auch Schmerzpunkte.

Foto: Tesla

Die wichtigsten Finanzwerte vorneweg: Mit 96,8 Milliarden Dollar Umsatz und 15,0 Milliarden Dollar Gewinn geht 2023 bei Tesla wie erwartet als weiteres Wachstumsjahr in die Annalen ein. Die Texaner setzten in den vergangenen zwölf Monaten 19 Prozent mehr Geld um als 2022. Der Automotive-Bereich warf mit 82,4 Milliarden Dollar wie üblich den Löwenteil ab, wuchs aber mit 15 Prozent im Vergleich zu Teslas anderen Geschäftsbereichen (etwa gegenüber dem Ladeinfrastruktur- und Energie-Business) leicht unterdurchschnittlich. Fakt ist: Es geht etwas gemächlicher zu: von 2021 auf 2022 steigerte Tesla seinen Jahresumsatz noch um 51 Prozent.

Auch beim Jahresgewinn geht es höher hinaus als zuvor, aber auf die 12,6 Milliarden Dollar aus 2022 folgt mit nun 15 Milliarden Dollar kein enormer Sprung (+19 Prozent). Erst recht, wenn man in den Bilanzen nachliest, dass der Wert allen voran einem einmaligen Steuervorteil in Höhe von 5,9 Milliarden Dollar aus dem vierten Quartal zu verdanken ist. Ohne diesen wäre der Jahresgewinn hinter dem 2022er Ergebnis geblieben. Diese Stelle im Geschäftsbericht offenbart, wie sehr Tesla zugunsten eines höheren Marktanteils an der Profitabilität gespart hat. Diesen Kurs verfolgt der US-Elektroautobauer bekanntlich seit Beginn 2023 mit einer brachialen Kampfpreis-Taktik.

Operative Marge fällt auf 9,2 Prozent

Besonders deutlich spiegelt sich diese Strategie in der operativen Marge wider, die nach 12,1 und 16,8 Prozent in den Jahren 2021 und 2022 binnen der vergangenen zwölf Monate auf 9,2 Prozent sackte. Betonte Tesla vor einem Jahr in seinem Geschäftsbericht noch, dass man die höchste operative Marge unter den Volumenherstellern vorweisen könne, lässt das Unternehmen jetzt die neue Prozentzahl unkommentiert. Dafür betont Tesla, dass der freie Cashflow im Jahr 2023 mit 4,4 Milliarden US-Dollar stark geblieben sei, „auch wenn wir uns auf zukünftige Wachstumsprojekte mit den höchsten Investitions- und F&E-Ausgaben in der Unternehmensgeschichte fokussieren“. Zum Vergleich: Ende 2022 betrug der freie Cashflow noch 7,6 Milliarden Dollar.

Das vierte Quartal hat zu Teslas 97-Milliarden-Dollar-Jahresumsatz am meisten beigetragen: 25,2 Milliarden Dollar Umsatz (+3 Prozent zu Q4/2022), davon 21,6 Milliarden Dollar aus dem Automobilgeschäft, bedeuteten – wenn auch knapp – eine neue Quartals-Bestmarke. Der GAAP-Überschuss fiel zwischen Oktober und Dezember angesichts des oben erwähnten steuerbedingten Einmaleffekts exorbitant aus: Die 7,9 Milliarden Dollar Gewinn sind im Jahresverlauf (Q1: 2,5 Milliarden Dollar; Q2: 2,7 Milliarden Dollar; Q3: 1,9 Milliarden Dollar) ein absoluter Ausreißer nach oben (+115% YoY). Sie allein machen mehr als die Hälfte des Jahresgewinns aus. Valider für die im vierten Quartal hingelegte Performance ist der Blick auf die Einnahmen aus dem operativen Geschäft (2,1 Milliarden Dollar, -47% YoY) und auf die operative Marge (8,2 Prozent). Beide Werte verweisen darauf, dass es nach einer Talsohle im dritte Quartal mit vergleichsweise schmalem Gewinn und abgesackter Marge wieder aufwärts geht, aber nur langsam.

Zwei von drei abgesetzten Teslas sind ein Model Y

Tesla zufolge haben die steigenden Fahrzeug-Auslieferungen einen wesentlichen Anteil am Wachstum. Die Produktions- und Auslieferzahlen für das vierte Quartal 2023 und somit auch für das Gesamtjahr sind seit Anfang des Monats publik: Demnach lieferte der Hersteller in Q4/2023 einen Rekordwert von 484.507 Fahrzeugen aus und steigerte so die Auslieferungen im Gesamtjahr auf 1.808.581 Fahrzeuge – ein Plus von 38 Prozent gegenüber 2022. Fast exakt ein Drittel der Auslieferungen entfiel dabei auf China (603.664 Fahrzeuge).

Teslas weltweite Produktion legte derweil um 35 Prozent zu (Q4/2023: 494.989 Fahrzeuge, Gesamtjahr 2023: 1.845.985 Fahrzeuge). Größter Wachstumstreiber: das Model Y. „Im Jahr 2023 haben wir über 1,2 Millionen Model Y ausgeliefert, was es zum meistverkauften Fahrzeug macht, jeglicher Art, weltweit. Lange Zeit zweifelten viele an der Rentabilität von Elektroautos. Heute ist das meistverkaufte Fahrzeug der Welt ein Elektroauto“, frohlockt Tesla in seinem Geschäftsbericht. Da die Volumenmodelle Model Y und Model 3 sonst nur zusammen ausgewiesen werden, erlaubt dieser Kommentar einen raren Einblick in die interne Absatzstatistik des US-Herstellers. Das Model Y machte bei Tesla im vergangenen Jahr demnach zwei Drittel des Gesamtabsatzes aus.

Da die Oberklasse-Modelle Model S und Model X offiziell weniger als 70.000 Einheiten am Gesamtabsatz des Jahres 2023 ausgemacht haben, lässt sich zudem ableiten, dass auf das Model 3 wohl etwas mehr als 500.000 Auslieferungen entfallen sind. Die kleine Tesla-Limousine wird in den USA im Werk Fremont und in Shanghai für die Weltmärkte gebaut – in China gab es aber eine mehrwöchige Produktionspause, als auf das überarbeitete Model 3 Highland umgestellt wurde.

Nicht nur bei den Fahrzeugen, auch im Energiegeschäft sind die Umsätze recht ungleich verteilt. Bei den Solardächern muss Tesla weiter Rückgänge hinnehmen, im Q4/2023 wurden nur 41 MW installiert. Das ist nicht nur der niedrigste Quartalswert des Jahres, sondern auch satte 59 Prozent weniger als im viertel Quartal des Vorjahres (100 MW). Das Geschäft mit den Energiespeichern entwickelt sich hingegen besser: 3.202 installierte MWh sind zwar ebenfalls der geringste Wert dieses Jahres, sie übertreffen die 2.462 MWh des Q4/2022 aber um 30 Prozent.

Auch die Supercharger sorgen mit ihrem verkauften Ladestrom für Umsätze, auch wenn Tesla diese nicht gesondert ausweist. Klar ist: Mit nun 54.892 Supercharger-Ladepunkten (+29 Prozent) an 5.952 Supercharger-Standorten (+27 Prozent) ist das Tesla-Ladenetz weiter stabil gewachsen. Interessant wird hier aber die Entwicklung im laufenden Jahr: Die zahlreichen Autobauer, die in Nordamerika auf Teslas NACS umsteigen, wollen in 2024 ihren Bestandskunden NACS-Adapter anbieten und die Supercharger in ihre Ladedienste einbinden. Es dürfte also vermehrt zu Fremd-Ladern an den Superchargern kommen, was potenziell höhere Umsätze aus dem Tesla-Ladenetz bedeutet.

An anderer Stelle im Geschäftsbericht offenbart sich, was Tesla weiter oben mit den höchsten Investitions-Ausgaben in der Unternehmensgeschichte gemeint haben könnte: Der Ramp-up des Cybertruck werde länger dauern als bei anderen Modellen, da seine Herstellung komplex ist, teilt Tesla mit. Die jährliche Produktionskapazität für den E-Pickup im Werk in Texas gibt Tesla im aktuellen Geschäftsbericht mit „über 125.000“ an, zusätzlich zu 250.000 Einheiten des Model Y. Da sich laut Tesla auch die Kapazitäten in Shanghai (von zuletzt über 750.000 auf über 950.000 Einheiten) und Berlin (von 250.000 auf 375.000) vergrößert haben und in Fremont weiterhin 650.000 Fahrzeuge produziert werden können, hat sich die theoretische Gesamtkapazität des Herstellers im vergangenen halben Jahr von 1,9 auf 2,35 Millionen Autos pro Jahr erhöht.

Im Rückblick hebt Tesla für 2023 vor allem die Performance seines Werks in Fremont hervor: „Bei dem Vorbesitzer des Werks lag der Produktionsrekord bei fast 430.000 produzierten Fahrzeugen in einem einzigen Jahr. 2023 produzierte die Tesla-Fabrik in Fremont dank unserer rund 20.000 Mitarbeiter fast 560.000 Fahrzeuge.“ Die Produktionsstätte in Shanghai habe sich von der geplanten Ausfallzeit in Q3 erholt. „Die Produktion des aktualisierten Model 3 auf ‚full speed‘ erfolgte dort in weniger als zwei Monaten.“ Berlin steigere sich weiter bei der wöchentlichen Produktionsrate und beim Produktionsvolumen.

36.000 Dollar Herstellungskosten pro Fahrzeug

Als weitere Erfolge des abgelaufenen Jahres nennt der US-Hersteller unter anderem Fortschritte bei der Software für autonomes Fahren und eine weitere Reduktion der Herstellungskosten pro Fahrzeug auf „etwas über 36.000 US-Dollar“. Allerdings handele sich allmählich um eine natürliche Grenze der Kostenreduzierung, der man sich bei der bestehenden Fahrzeugpalette nähere. Deshalb betont Tesla auch, seine in der Entwicklung befindliche Plattform der nächsten Generation „so schnell wie möglich auf den Markt zu bringen“. Nach unbestätigten Angaben soll sie ab Mitte 2025 als Basis eines neuen Kompaktstromers dienen, der in Texas vom Band laufe soll.

Interessanterweise nennt Tesla im aktuellen Geschäftsbericht keine Auslieferungsziele für 2024 – weder in absoluten Zahlen noch in Prozentwerten. Vor einem Jahr hieß es bekanntlich, dass man 1,8 Millionen BEV für 2023 anpeile. Seit rund drei Jahren wiederholt das Unternehmen gebetsmühlenartig, dass über einen mehrjährigen Horizont eine mittlere jährliche Steigerung der Auslieferungen um 50 % angestrebt werde.

„Zwischen zwei großen Wachstumswellen“

Diesmal nichts dergleichen, stattdessen eine Einordnung seitens Tesla: „Unser Unternehmen befindet sich derzeit zwischen zwei großen Wachstumswellen: Die erste begann mit der globalen Expansion der Plattform des Model 3/Y, und die nächste wird unserer Meinung nach durch die globale Expansion der Fahrzeugplattform der nächsten Generation eingeleitet.“ Die Folge: „Im Jahr 2024 könnte die Wachstumsrate unseres Fahrzeugvolumens deutlich geringer ausfallen als 2023, da unsere Teams an der Einführung des Fahrzeugs der nächsten Generation in der Gigafactory Texas arbeiten. Im Jahr 2024 dürfte unser Energiespeichergeschäft schneller wachsen als das Automobilgeschäft.“

Tesla derart bescheiden? Nicht ganz. „Die neue Plattform“, so der O-Ton im Geschäftsbericht, „wird die Art revolutionieren, wie Fahrzeuge hergestellt werden“.

tesla.com (PDF)

5 Kommentare

zu „Jahresbilanz 2023: Tesla nimmt für mehr Wachstum einiges an Blessuren in Kauf“
koin
25.01.2024 um 08:19
wow, Respekt...
Thoralf
25.01.2024 um 09:34
Das meistverkaufte Auto der Welt ist ein rein elektrisches! Wer jetzt hier in Germany immer noch nicht die Glocken läuten hört (Hallo Herr Prof. Sinn....) dem ist echt nicht mehr zu helfen! Ich befürchte, der Jahrzehntelange Tiefschlaf der Deutschen Politik und Automobilmanager wird für uns alle herbe Einschnitte in der Wirtschaftskraft unseres Landes haben. Tesla ist ja nur der Anfang, die Chinesen sind bereits am Start mit durchaus respektablen Fahrzeugen ........ Und es geht ja eben nicht nur um Autos, es geht um Hausspeicher, Netzspeicher, das Energiegeschäft insgesamt von der Erzeugung bis zur Bereitstellung im Haus oder am Supercharger.
Heinz Walter
27.01.2024 um 22:22
Vergessen sie es, den Vorsprung holen wir nicht mehr nicht mehr auf. China hat zudem die Marktmacht bei Lithium.
art
25.01.2024 um 10:39
Die Bewertung der Tesla, Inc. - Geschäftsentwicklung in 2023 entspricht den gedämpften Erwartungen, wenngleich einige der erwähnten Fakten aufhorchen lassen. Teslas operative Marge von 9,2% "sank in Richtung" Wettbewerber BYD (8,9%) und ist im Vergleich zu Volkswagen (6,2%) beeindruckend, wobei der BEV - Absatz schon sehr unterschiedlich war: Tesla: 1,8 Mio., BYD: knapp 1,3 Mio. und Volkswagen: 0,9 Mio.!!! 1)Tesla blieb in 2023 der weltweit führende Elektroautohersteller mit einer starken Marktposition, einem breiten Produktportfolio und einer starken Kapitalausstattung. Allerdings ist das Umsatzwachstum von Tesla allmählich abflauend, und die operative Marge ist, wie gesagt: deutlich zurückgegangen. 2) BYD ist jetzt ebenfalls ein führender Elektroautohersteller, der in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichnete. Das Unternehmen hat eine breite Palette von Elektroautos und ist ein auch Hersteller von Batterien und Energiespeichersystemen. Allerdings ist BYD noch nicht so global aufgestellt wie Tesla. 3) Volkswagen ist der 3. größte Elektroautohersteller der Welt, gemessen am Absatz. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichnet, aber die operative Marge ist zurückgegangen. Volkswagen verfügt über eine starke Marktposition und Kapitalausstattung, noch.Spannend wird es, wenn die Herstellungskosten pro BEV derart unterschiedlich sich entwickeln, dass einigen Herstellern ab 2025 "die Luft ausgehen sollte" und Volumenhersteller dann ab 2026 ausscheiden werden aus den Märkten für Elektrofahrzeuge.
Frank
25.01.2024 um 12:28
Die Prognose des durchschnittlichen(!) jährlichen Wachstums von 50% ist übrigens nicht erst drei Jahre alt, sondern knapp 10 Jahre. Siehe Bloomberg-Artikel "Tesla Projecting Years of 50% Growth Sparks Share Rise" vom November 2014 (https://www.bloomberg.com/news/articles/2014-11-06/tesla-projecting-several-years-of-50-growth-sparks-share-surge). Das wären von den damals ca. 33.000 Autos ausgehend hochgerechnet in 2023 1,27 Mio Autos und erst in 2024 1,9 Mio Autos. Aber man sollte natürlich nicht auf solchen alten Schätzungen herum reiten. Trotzdem ist es bemerkenswert, dass diese alte Prognose sich über 10 Jahre bewahrheitet hat.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert