Siemens und MAN fordern mehr Tempo bei E-Lkw-Ladeinfrastruktur

MAN und Siemens Smart Infrastructure haben ein gemeinsames Whitepaper zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge veröffentlicht. Darin fordern die beiden Unternehmen die politischen Entscheidungsträger auf, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge zu priorisieren.

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Bild: MAN

Das Whitepaper konzentriere sich „auf klimaneutrale Szenarien für den Straßengüterverkehr und legt den Schwerpunkt auf die Gestaltung der erforderlichen Ladeinfrastruktur“, so MAN. Das Paper wendet sich an politische Entscheidungsträger, um eine enge Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der Branche anzuregen.

Die konkreten Maßnahmen, die die beiden Unternehmen in dem Dokument auflisten, erinnern im Kern stark an die Hürden, die vor einigen Jahren beim Aufbau der Pkw-Schnelllader bestanden und zum Teil heute immer noch bestehen – nur für E-Lkw und -Busse im entsprechend größeren Maßstab der schweren Nutzfahrzeuge. Stichpunkte wie die Integration in das Stromnetz, die Bereitstellung geeigneter Flächen an Autobahnen oder die angespannte Haushaltslage sind nur zu gut bekannt – aber genauso dringlich.

„Die Ladeinfrastruktur ist für uns und unsere Kunden derzeit der größte Schmerzpunkt beim Übergang zur klimaneutralen Mobilität“, sagt Alexander Vlaskamp, CEO von MAN Truck & Bus. „In Deutschland existieren noch keine öffentlich zugänglichen Ladestandorte für Nutzfahrzeuge. Bis 2030 werden hierzulande jedoch 10.000 öffentliche Lkw-Ladepunkte benötigt, davon 4.000 mit Megawatt-Ladesystem. Zudem kommt in der Aufbauphase auch dem Depotladen eine wichtige Rolle zu. Wir müssen jetzt beide Themen dringend anpacken.“

Spediteure steigen erst bei zuverlässigem und verfügbarem Gesamtsystem um

Über das Joint Venture Milence – gemeinsam mit Daimler Truck und der Volvo Group – treibt MAN in Form der Muttergesellschaft Traton zwar selbst den Ausbau eines Schnellladenetzes für schwere E-Nutzfahrzeuge voran. Aber selbst die gebündelten Bemühungen von drei europäischen Branchen-Schwergewichten ergeben nur einen kleinen Teil von dem, was in Summe tatsächlich benötigt wird. Natürlich hat MAN genauso wie die beiden Milence-Partner ein großes Interesse am Aufbau einer öffentlichen Infrastruktur, ohne die eigene Produkte wie der kommende MAN eTruck für die Langstrecke wohl nur schwer zu vertreiben sind. Und auch Siemens Smart Infrastructure dürfte als Lieferant von AC- und DC-Hardware sowie der zugehörigen Software und Dienstleistungen von einem schnelleren Ausbau profitieren.

In dem 13-seitigen Dokument wird aber auch direkt angemahnt: „Ein Wechsel vom Diesel-Lkw zum eLkw im großen Stil erfolgt erst dann, wenn er sich für die Spediteure rechnet und Kundenaufträge zuverlässig erfüllt werden können. Kaufentscheidungen im Transportsektor sind fast ausschließlich markt- und kostengetrieben. Sie werden anhand von drei Kriterien getroffen: Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Betriebes. Für den Schwerlastverkehr stellt sich hierbei zentral die Frage, wo und wann die Fahrzeuge geladen werden können.“

Wie genau ein Megawatt-Ladenetz für E-Lkw aussehen kann, wird derzeit – übrigens mit Traton-Beteiligung – im „HoLa“-Forschungsprojekt ermittelt. In der vergangenen Woche wurde zur Halbzeit des Projekts eine Liste mit Handlungsempfehlungen aus den ersten Learnings veröffentlicht. Eine Erkenntnis: Im Fernverkehr sind Megawatt-Schnelllader unerlässlich. Allerdings können auch mit herkömmlichen CCS-Ladestationen mehr als 90 Prozent der fiktiven Lkw-Flotte elektrifiziert werden, etwa im Verteil- und Regionalverkehr. Aber auch dann muss geladen werden, zum Beispiel im Depot. Und auch dort gibt es Herausforderungen wie die Anschlussleistung – und überhaupt erst einmal die Beschaffung der elektrischen Nutzfahrzeuge. 

Zwar wird in dem White Paper auch „eine Anschubfinanzierung für elektrische Nutzfahrzeuge und Ladeinfrastruktur, um finanzielle Planungssicherheit für die Betreiber zu gewährleisten, sowie die weitere Förderung von Standardisierungsbemühungen“ angemahnt. Aber auch ganz praktische Faktoren, wie die Netzbetreiber in die Netzplanung und Standortfindung frühzeitig einzubinden, um die hohen Anschlussleistungen an die Flächen zu bringen. Oder es wird etwa die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für das Genehmigungsverfahren zum Netzanschluss empfohlen.

„Die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen birgt ein enorm hohes Potenzial mit Blick auf unsere Klimaziele. Mittlere und schwere Nutzfahrzeuge machen nur fünf Prozent der vierrädrigen Fahrzeuge aus, verursachen aber fast 30 Prozent der CO2-Emissionen“, sagt Markus Mildner, CEO eMobility, Siemens Smart Infrastructure. „Die gute Nachricht ist, dass die Technologien für die meisten Anwendungen im elektrischen Güterverkehr bereits verfügbar sind – sowohl für die Fahrzeuge als auch für die Ladeinfrastruktur. Wir müssen den Einsatz nur dringend beschleunigen.“

Logistik-Verbände schreiben offenen Brief an Scholz

Die politischen Ziele und Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs in Deutschland sind klar: Die Bundesregierung will die deutschen Treibhausgasemissionen des schweren Straßengüterverkehrs bis 2030 um 55 Prozent reduzieren, Vorreiter in Europa werden und bereits 2045 klimaneutral sein. „Die Industrie hält das Ziel der Klimaneutralität im Verkehrssektor für erreichbar und hat bereits massiv investiert“, schreibt MAN in der Mitteilung.

Diese Sicht teilen aber in der gesamten Transportbranche nicht alle Player. Am Dienstag hatten die deutschen Logistikverbände DSLV, BGL und BWVL einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz geschickt und darin vor einem Scheitern der Antriebswende im Straßengüterverkehr gewarnt. Aus ihrer Sicht machen Hürden den Umstieg auf emissionsfreie Antriebe aktuell nahezu unmöglich. Als Interessengruppe fühlen sie sich nicht berücksichtigt. Es komme zu einem immer größeren Schereneffekt zwischen wachsenden Belastungen und fehlenden Anreizen.

DSLV, BGL und BWVL fordern unter anderem die Reaktivierung des Programms zur Förderung für klimaschonende Nutzfahrzeuge (KsNI) sowie einen „Runden Tisch Klimafreundlicher Straßengüterverkehr“. Vorab platzierten die Verbände in dem Schreiben auch weitere Forderungen, etwa eine Reform der Kraftstoffbesteuerung, eine Förderung beim Depotladen sowie mehr Planungssicherheit beim Strompreis – und die Reinvestition der CO2-Maut in Förderprogramme inklusive Kaufprämie.

mantruckandbus.com (Mitteilung), mantruckandbus.com (White Paper als PDF)

2 Kommentare

zu „Siemens und MAN fordern mehr Tempo bei E-Lkw-Ladeinfrastruktur“
Gregor
14.03.2024 um 14:11
"Es komme zu einem immer größeren Schereneffekt zwischen wachsenden Belastungen und fehlenden Anreizen." Hm...also das CO2 in der Maut (und beim Treibstoff) mehr kostet und Diesel damit beständig unattraktiver wird, sehe ich schon als Anreiz...Oder wollen die per Sänfte zum Geldtopf getragen werden?
Andreas V.
14.03.2024 um 16:31
Ja, so sieht‘s aus. Jammern ist kurzfristig übergewinnträchriger.

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