
Lkw-Ladesäulen-Sharing: Zwei Logistiker machen ein Win-Win daraus
Im Frühjahr gab KRAVAG bekannt, sich als Vermittler im halböffentlichen Lkw-Lademarkt engagieren zu wollen. Herzstück des Ansatzes namens Truckcharging ist eine App, über die interessierte Logistiker Ladesäulen finden oder anbieten sowie die Buchung und die Abrechnung von Ladevorgängen vornehmen können. Das Angebot steht KRAVAG zufolge allen Speditionen offen, sobald sie Mitglied im Netzwerk geworden sind. Wer seine Ladepunkte in der App bereitstellt, kann als Anreiz zusätzliche Einnahmen generieren. Erste Mitglieder dieses Netzwerks sind die Speditionen Hanitzsch aus Dresden und Schade Logistic aus der Nähe von Wittenberg. Während Hanitzsch seine Ladesäulen stärker auslasten will, kann Schade Logistic die Extra-Ladegelegenheit auf dessen Betriebshof bestens gebrauchen. Wir haben nachgefragt, was das sich vorher unbekannte Duo zu dem Experiment bewogen hat.
„KRAVAG ist seit vielen Jahren ein verlässlicher Partner an unserer Seite – vor allem als Versicherer im Logistikbereich“, schickt Matthias Edel vorneweg, bei der Spedition Hanitzsch für Projekte und Teile des Controllings verantwortlich. Schon vorhandene Angebote wie „KRAVAG Truck Parking“ haben laut Edel gezeigt, welches Potenzial in praxisnahen Lösungen für die Transportbranche liegt. Bei „Truck Parking“ handelt es sich sozusagen um eine ähnlich konzipierte Lösung, über die Fahrer für die Nacht Zugang zu gesicherten Parkplätzen auf Betriebshöfen anderer Unternehmen erhalten können. Vom Parken ist es nicht mehr weit zum Laden – so der Gedanke.
Hanitzsch hat vier Ladepunkte, aber erst einen E-Lkw
Der Einstieg in das neue Ladesäulen-Projekt ist für Hanitzsch jedenfalls aus einem konkreten Bedarf heraus erfolgt: „Wir wollten unsere bestehende Ladeinfrastruktur besser auslasten“, erklärt Edel. Die Anfrage kam von KRAVAG – und Hanitzsch sagte für den Piloteinsatz zu.
Erste Ladevorgänge haben die Partner im Rahmen eines Testbetriebs bereits absolviert. Der offizielle Start über die KRAVAG-App lässt jedoch noch auf sich warten. Der Grund: Die rechtlichen Rahmenbedingungen erweisen sich als komplex – insbesondere mit Blick auf Fördervorgaben für nicht-öffentliche Ladeinfrastruktur und subventionierte E-Lkw. Man stehe hierzu in engem Austausch mit KRAVAG sowie den zuständigen Behörden, darunter das
Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) und die bundeseigene NOW GmbH. „Ziel ist es, ein rechtssicheres und zugleich zukunftsfähiges Modell zu entwickeln“, betont er.





Derzeit ist bei Hanitzsch ein vollelektrischer Scania-Lkw mit Wechselbrückenaufbau samt Anhänger im Einsatz. Das Fahrzeug pendelt im Shuttleverkehr durch Dresden und wird dort unter realen Bedingungen im Alltag erprobt. Im Laufe des Jahres soll die E-Flotte um drei weitere Scania wachsen – konkret um eine zusätzliche Wechselbrückeneinheit sowie zwei Sattelzugmaschinen. Diese sollen auch überregional zum Einsatz kommen, etwa auf Tagesrelationen nach Zittau, Görlitz und Cottbus. Ausgangs- und Endpunkt bleibt dabei stets der Standort in Dresden. „Ein Einsatz im klassischen Fernverkehr ist aktuell nicht geplant – unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen“, sagt Projektleiter Edel.
Firma ringt um die Wirtschaftlichkeit von E-Lkw
Am Standort in Dresden stehen derzeit vier eigene Ladepunkte zur Verfügung. Doch mit der Infrastruktur allein ist es laut Edel nicht getan – eine der zentralen Herausforderungen liegt im intelligenten Lastmanagement. „Es gilt, die Ladevorgänge so zu steuern, dass teure Lastspitzen durch zeitgleiche Ladevorgänge vermieden werden.“ Mit Blick auf die geplante Erweiterung der E-Flotte und die notwendige Ausweitung der Ladeinfrastruktur gewinnt dieses Thema weiter an Bedeutung. Ein vorausschauender, netzschonender Betrieb wird damit in den Augen der Verantwortlichen zur Schlüsselaufgabe der Elektrifizierung.
Aus Sicht der Spedition Hanitzsch ist das Potenzial der Elektromobilität unbestritten. Doch: „Die Anschaffungskosten für die Fahrzeuge sowie die Ausgaben für den Strombezug sind aktuell noch hoch“, vergegenwärtigt Edel. Ohne staatliche Fördermittel lasse sich der Betrieb daher kaum wirtschaftlich darstellen. Hanitzsch strebt daher an, durch fundierte Einsatz-und Verbrauchsanalysen genau zu ermitteln, wo sich der Einsatz von E-Lkw unter realen Bedingungen tatsächlich rechnet. Elektrifiziert werden soll dann dort, wo der Einsatz sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll ist.
Die Situation bei Schade Logstics
Bei Schade Logistic mit Hauptsitz in Jessen im Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt fiel die Entscheidung von Inhaber Björn Schade, Elektro-Lkw anzuschaffen, in dem Bewusstsein, sich frühzeitig mit alternativen und zukunftsträchtigen Antriebsarten für den Schwerlastverkehr auseinanderzusetzen. Dies geschah zu einer Zeit, als dieses Thema
noch in den Kinderschuhen steckte und viele Voraussetzungen nur auf dem Papier existierten. „Leider hat die Politik dann auch gezeigt, dass aus dem Hype um die E-Mobilität schnell eine Enttäuschung werden kann“, bemerkt Stefan Kranepuhl, Bereichsleiter für Lager und Distribution bei Schade Logistic. Trotz der derzeit noch fehlenden Unterstützung und geringen Akzeptanz seitens der verladenden Wirtschaft sowie der nach wie vor unzureichenden Ladeinfrastruktur bereut Schade Logistic die Entscheidung aber nicht. Der Einsatz der Fahrzeuge gestaltet sich laut Kranepuhl bislang erfreulich – nicht zuletzt dank des persönlichen Engagements der polnischen Fahrer, die mit
bislang vier Mercedes-Benz eActros 600 unterwegs sind.
Das Ladethema verbindet nun die beiden Firmen in Jessen und Dresden: Über das Netzwerk „KRAVAG Truck Charging“ fand Schade Logistic den Weg zu Hanitzsch, wo die Fahrer auf dem Gelände des Spediteurs feste Ladeslots reservieren und die E-Lkw zuverlässig mit Strom versorgen können. Eigene Ladepunkte betreibt Schade Logistic bislang nicht. Über Standorte des Lkw-Lade-Joint-Venture Milence lädt das Unternehmen vorwiegend öffentlich. Konkret halten die E-Lkw regelmäßig zum Laden in Vockerode nahe Dessau, rund 50 Kilometer vom Firmensitz entfernt, sowie am Hermsdorfer Kreuz, dem Verkehrsknotenpunkt von A4 und A9 – rund 150 Kilometer entfernt.
Ladeanlage am Depot ist noch in Arbeit
„Damit liegen wir bei der täglichen Kilometer- und Umschlagsleistung mittlerweile nah an dem, was wir mit einem herkömmlichen Diesel-Lkw erreichen“, erläutert Kranepuhl. Dass Schade Logistic bislang keine eigene Ladeinfrastruktur aufgebaut hat, liegt nach Angaben des Unternehmens vor allem an der unzureichenden Stromversorgung vor Ort. Das eigene Stromnetz sei derzeit nicht in der Lage, die benötigte Leistung von mindestens 400
Kilowatt bereitzustellen. „Wir arbeiten deshalb an einer Lösung, bei der wir durch eine Kombination aus eigener Solarstromerzeugung, dem Bezug von Energie zu netzschwachen Zeiten und großen Batteriespeichern die nötige Ladeleistung am Standort vorhalten – und damit jederzeit verfügbar machen können“, äußert Kranepuhl. Doch auch dann werden Lösungen über den eigenen Hof hinaus weiter gefragt sein: Denn Schade Logistic verfolgt das Ziel, binnen fünf Jahren die Hälfte seiner 60 Fahrzeuge umfassenden Lkw-Flotte auf E-Antrieb umzustellen.
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