Sind deutsche Autozulieferer Verlierer der Transformation?
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Während deutsche Zulieferer seit 2020 im Schnitt um 5,7 Prozent jährlich wachsen, kommen chinesische Wettbewerber auf stolze 14,7 Prozent, so die neue Zulieferer-Studie, die Sie hier kostenlos herunterladen können. Die Entwicklung mag stabil erscheinen, doch 27 der 34 europäischen Unternehmen im Ranking mussten 2024 Umsatzrückgänge verkraften. Über die Gründe dafür hat electrive-Chefredakteur Peter Schwierz mit Alexander Timmer von Berylls by AlixPartners in unserem Podcast gesprochen.
Von Zylinderkopfdichtung zu Batterie – ohne eigene Zelle
Auffällig ist dabei, dass Bosch, Continental und ZF nie ernsthaft in die groß angelegte Batteriezellproduktion eingestiegen sind – einem der wichtigsten Geschäftsfelder der Branche für den Wechsel zur Elektromobilität. Rückblickend hält Timmer das für ein zweischneidiges Schwert: „Für den Standort Deutschland oder Europa ist es keine gute Entscheidung gewesen. Für die Unternehmen selbst aber sehr wohl.“ Denn die Zellfertigung sei eine chemische Prozessindustrie, die sich nur schwer mit dem klassischen Automotive-Geschäft vereinbaren lasse. Jetzt noch mit der Batteriezellproduktion zu starten, sei kaum machbar, denn die technologische Führerschaft asiatischer Hersteller sei so weit voraus, dass ein Einstieg einem „Uphill-Battle über viele Jahre“ gleichkäme.
Die Kehrseite: Der Abstand zu Korea, Japan und vor allem China ist heute „unaufholbar“. Während europäische Player wie das mittlerweile insolvente und nun im Übernahmeverfahren durch Lyten steckende Northvolt mit Verzögerungen bei der Produktion kämpfen, dominieren die chinesischen Player CATL und BYD den Weltmarkt – trotz jüngster Rückgänge. „Der Wachstumspfad für CATL ist weiter gezeichnet“, betont Timmer. Damit einher geht eine Wachablösung in der Zuliefererbranche: Wo keine Zylinderkopfdichtungen mehr gefragt ist, sondern eben Batteriezellen, verändern sich Marktanteile.
Doch der Druck steigt auch in der Batterieindustrie: Der Experte von der Unternehmensberatung Berylls by AlixPartners erwartet, dass die Vielzahl an mittelgroßen Zellherstellern in den kommenden Jahren stark ausgedünnt wird. Viele hätten sich „überhoben“, stünden finanziell unter Druck und könnten Investitionen nicht mehr bedienen. Gestoppte Projekte in Nordamerika und Europa seien erste Anzeichen. Für große Player wie CATL oder LG sieht er dagegen keine existenziellen Risiken – die aktuellen Rückgänge seien eher „leichte Rückschläge“ und könnten sich bald wieder in Wachstum umkehren.
Chinas Dominanz wächst – und zwar rasant
Timmers jährliche Studie listet übrigens auch sechs neue Zulieferer unter den Top 100 – allein vier davon aus China. Darunter den Elektronikkonzern Huawei, dessen Automotive-Sparte um „sagenhafte 465 Prozent“ zulegte. Diese Dynamik sei kein Zufall, so Timmer: „Da kommen Player in den Markt mit einer sehr großen Marktmacht und auch mit dem Willen, Marktanteile zu gewinnen.“
China baue nicht nur seine Fahrzeugproduktion aus, sondern etabliere parallel eine mächtige Zulieferindustrie. Prognosen von Berylls zufolge könnten chinesische Unternehmen schon rund um das Jahr 2031 Deutschland und Japan als führende Zulieferernationen ablösen. Das dürfte man in den deutschen Automobil-Clustern mit großen Sorgenfalten beobachten.
ZF, Bosch, Conti – Transformation mit Bremsspuren
Wie ist die Lage? ZF kämpft mit Margendruck und hohen Verlusten in der Antriebssparte, Bosch baut Stellen ab, Continental strukturiert sich radikal um. Positiv sei immerhin, dass Bosch früh Trends wie das „Software-Defined Vehicle“ besetzt habe, während Continental sich mit Spin-offs fokussiere. Trotzdem wird der Kuchen kleiner: Hersteller holen mehr Wertschöpfung ins eigene Haus – vom Antrieb bis zu Softwarelösungen. „De facto wird das, was übrig ist, für den Zulieferer weniger“, fasst Timmer zusammen.
Neben der technischen Umstellung erschweren politische Schwankungen die Planung. Die jüngste Flexibilisierung der EU-Flottengrenzwerte verschafft Verbrennungskomponenten zwar Luft, verzögert aber Elektromobilitätsprojekte. „Planungssicherheit ist Gold wert – die gibt es derzeit nicht“, kritisiert Timmer.
Für deutsche Zulieferer sieht er Chancen vor allem bei Software, Elektronik und auf neuen Märkten wie Indien – nicht jedoch in einer späten Aufholjagd bei Batteriezellen. Die Überkapazitäten und die Marktdominanz asiatischer Anbieter seien zu groß. Das nachdenkliche Gespräch über die Umbrüche im Markt der Zulieferer im Vorfeld der IAA Mobility in München sollten Sie nicht verpassen!
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