Wie stehen Energieversorger zum neuen VW-Ableger Elli?

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Die Ankündigung von VW, über die neue Tochter Elli künftig Ökostrom an Endkunden zu vertreiben, lässt aufkommende Unruhe in der Energiebranche als Reaktion vermuten. Doch weit gefehlt: Die Energiewirtschaft, zumindest die großen Konzerne, freuen sich auf neue Partnerschaften und Unterstützer beim Ausbau erneuerbarer Energien. Das zeigt eine Kurzumfrage von electrive.net. 

Die Sektorenkopplung zählt zu den bestimmenden Themen des zweiten Teils der Energiewende. Letztere war bislang vor allem eine Stromwende. Die ebenfalls CO2-intensiven Sektoren Wärme und Verkehr fanden bis vor kurzem in der klimapolitischen Agenda, sowohl national als auch international, wenig Widerhall. Die Verbindung der Sektoren – und damit ganzheitliche Energiekonzepte – hat aber nicht nur eine energiewirtschaftliche Komponente, sondern zunehmend auch eine unternehmensstrategische. Die Automobilkonzerne erweitern im Zuge der Umbrüche in Richtung Stromantrieb und des Neudenkens der gesamten Mobilitätsstruktur zunehmend ihre Kernkompetenzen. Als Ziel der Aktivitäten fiel ihr Blick, fast schon erwartbar, auf den Energiemarkt.

Schon Anfang 2016 hat BMW mit dem Heizungshersteller Viessmann das Joint Venture Digital Energy Solutions gegründet. Das Angebotsspektrum umfasst nicht nur Ladelösungen für Gewerbekunden oder Energieversorger. Die BMW-Tochter unterstützt auch die Telekom beim Einstieg in den Strommarkt oder baut einen 2-MW-Batteriespeicher für den Energiedienstleister Green City. Das Stationärspeicher-Segment ist auch das Tätigkeitsfeld der Daimler-Tochter Mercedes-Benz Energy. Dabei werden Großspeicher etwa über Second-Life-Batterien angeboten, aber auch Lösungen für den Lastspitzenausgleich oder Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV).

Am weitgehendsten ist wohl der Ansatz des VW-Konzerns mit der kürzlich erfolgten Gründung der Energietochter Elli Group. Über den Vertrieb von Ökostrom, Ladesäulen und Wallboxen oder Energiemanagementlösungen nehmen die Wolfsburger neben dem B2B- auch das B2C-Segment ins Visier. „Damit besetzen wir ein strategisch relevantes, hochspannendes Geschäftsfeld, das viele Chancen zur Bindung bestehender und der Erschließung völlig neuer Kundengruppen bietet“, erläuterte E-Mobilitäts-Vorstand Thomas Ulbrich dazu.

„Platz für viele Akteure“

Doch wie kommt das in der traditionellen Energiewirtschaft an? Diese nimmt den Vorstoß in ihr angestammtes Geschäftsfeld erstaunlich gelassen. So verweist Innogy-Managerin Elke Temme angesichts der Tatsache, dass „Elektromobilität im vergangenen Jahr deutlich an Fahrt gewonnen hat“, darauf, dass der Markt „Platz für viele Akteure bietet“. Man befinde sich in einer Zeit, in der viel ausprobiert werde und zahlreiche neue Ideen existierten, beobachtet Temme in ihrer Funktion als COO von Innogy eMobility Solutions. Doch am Ende „muss und wird der Kunde entscheiden, bei wem er seinen Strom beziehen möchte“.

Vom Ansatz her betrachtet Temme die neue VW-Tochter sogar weniger als Wettwerber, denn als potenziellen Kunden. Schließlich habe man „für alle relevanten Use Cases rund um das Thema Laden die passende Lösung als White-Label-Produkt“ parat. Dabei will Innogy auch gerne die Automobilkonzerne unterstützen. Denn natürlich sei es „immer eine Herausforderung, einen ganz neuen Geschäftsbereich zu gründen und sich dann gegenüber etablierten Anbietern mit jahrelanger Erfahrung durchzusetzen“, so Temme.

Positive Effekte beim Ökostromausbau

Auch bei E.ON zeigt man sich offen für neue Marktpartner. Auf Nachfrage von electrive.net teilt der Energiekonzern mit: „Wir begrüßen im Grundsatz alle Initiativen, die den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität in Deutschland und Europa voranbringen.“ Energiewirtschaftlich erwartet man „auf absehbare Zeit keine nennenswerten Auswirkungen“. Ein positiver Effekt könne sein, dass die Nachfrage nach erneuerbarer Energie steigt.

Auch weiter südlich beim baden-württembergischen Energiekonzern EnBW beobachtet man „die Marktentwicklungen aufmerksam“ und nimmt die neue Herausforderung eher sportlich. „Der Elektromobilitätsmarkt befindet sich in einer Phase, in der unterschiedliche Akteure auf verschiedenen Ebenen Investitionen tätigen und Innovationen einführen. Das freut uns, denn so erhält auch die Akzeptanz der Elektromobilität – neben ihrer beschleunigten Weiterentwicklung – insgesamt zusätzlichen Schub“, teilt ein Sprecher mit.

Gemeinsamer Kraftakt

Für Hauke Hinrichs von Smatics ist derweil klar: „Die Herausforderungen lassen sich nur in einem gemeinsamen Kraftakt zwischen Energie- und Automobilwirtschaft bewältigen.“ In einem aufstrebenden Markt wie der E-Mobilität seien alle Marktpartner „Frenemies“, also Freunde und Wettbewerber zugleich, sagt der COO von Smatrics. Das Joint Venture von OMV, Verbund und Siemens ist E-Mobility Provider für namhafte Kunden wie REWE, ÖBB, VW Kraftwerk oder diverse EVU wie die Stadtwerke Uelzen und betreibt ein High-Speed-Ladenetz mit rund 450 Ladepunkten in Österreich.

Wenn es darum geht, woher die Endkunden künftig ihre Ladelösung beziehen, hat nach Hinrichs‘ Einschätzung die Energiewirtschaft klar die Nase vorn: „Erster Ansprechpartner ist der lokale Energieversorger, das Stadtwerk. Mit ihrer Kundennähe sind die Energieversorger sehr gut aufgestellt“, so sein Credo. Diese sieht er insbesondere dann im Vorteil, wenn es um komplexere Themen geht wie ganzheitliche Ladelösungen, Speicherung oder Netzrückspeisung. Mit dem Zugriff auf das Stromnetz werde den Energieversorgern hier auf jeden Fall mehr Kompetenz zugesprochen.

Konzentration auf Kerngeschäft und Kooperationen

Ein Energieversorger mit reichlich lokaler Präsenz ist die ENCW aus Calw. Mit rund 120 Ladepunkten zählen die Nordschwarzwälder nicht nur zu den größten Betreibern von Ladeinfrastruktur in Baden-Württemberg, sondern haben mit „Deer“ auch ein sehr ambitioniertes E-Carsharing-Angebot im Portfolio. Die Leiterin des Geschäftsfelds E-Mobilität, Ricarda Becker, begrüßt zwar prinzipiell den „ganzheitlichen Ansatz“ von VW. Allerdings findet sie, dass sich „ein Automobilhersteller, der sich zudem in der aktuellen Lage wie VW befindet, auf sein Kerngeschäft konzentrieren und die Kooperation mit Energieversorgern suchen sollte“.

So sei auch die Automobilwirtschaft in der Lage, eine „vollumfängliche, kompetente Lösung anzubieten“, so Becker. Als ENCW sei man stark daran interessiert, dem Kunden eine „zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um seine individuelle Mobilität“ zu bieten. Hierfür habe man bei den Kunden das Vertrauen gewinnen können, glaubt Becker. Die Automobilwirtschaft kenne diesen Kundenmarkt noch nicht und habe zudem künftig diverse Herausforderungen zu stemmen, wie neue Antriebstechnologien, Änderung der Produktion oder den globalen Wettbewerb.

Großer Beratungsbedarf

Der Aachener Energieversorger Stawag möchte die Aktivitäten von Wettbewerbern nicht kommentieren. Das Unternehmen verweist darauf, sich bereits seit über zehn Jahren für den Ausbau der Elektromobilität im Schulterschluss mit der Stadt Aachen zu engagieren. Heute betreibt man dort bereits über 50 Ladesäulen, davon acht Schnelllader. Mit dieser Erfahrung schätzen die Aachener die Kundenbedürfnisse entsprechend ein: „Wir sind davon überzeugt, dass es nicht nur darum geht, den eigenen Ökostrom als Fahrstrom anzubieten. Vielmehr sehen wir einen großen Bedarf unserer Kunden nach Beratung“, teilt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage mit.

Aus diesem Grund hat die Stawag im November den „E-Store“ eröffnet. Die Mitarbeiter im Ladenlokal in der Aachener Innenstadt stehen den Kunden für Fragen rund um Elektromobilität zur Verfügung und bieten auch Testfahrten an. Als lokaler Anbieter punktet man bei der E-Mobilität in der Domstadt nicht nur mit Kundennähe, sondern nutzt auch die gute Vernetzung mit dem regionalen Handwerk, so die Sprecherin. Zudem spielt man den Vorteil aus, als Verteilnetzbetreiber „intelligent Elektromobilität, dezentrale Erzeugung und Speichermöglichkeiten verbinden zu können“.

Elli nur ein Wettbewerber unter vielen?

Die Stadtwerke Osnabrück, die ebenso wie die Stawag zu den Gründungsunternehmen des kommunalen Stadtwerke-Verbunds ladenetz.de gehören, nehmen die angekündigten Aktivitäten von VW sportlich: „Dies zeigt doch umso mehr, dass insbesondere der Markt der Ladelösungen ein attraktives Geschäftsfeld ist. Letztlich handelt es sich bei Elli um einen weiteren neuen Wettbewerber unter vielen“, teilt Unternehmenssprecher Marco Hörmeyer mit. Wie die Aachener verweisen auch die Osnabrücker auf die identischen Pluspunkte eines lokalen Energieversorgers. Deshalb wird es auch keine gezielte Reaktion auf die Ankündigung von VW geben. „Wir setzen auf unsere bereits vorhandenen guten Lösungen und Produkte“, so die Antwort.

4 Kommentare

zu „Wie stehen Energieversorger zum neuen VW-Ableger Elli?“
Gerd
20.02.2019 um 13:54
Innovation? wie wärs einfach mal mit freier Marktwirtschaft? günstiger Überstrom direkt an die Enkunden verkaufen..zahlen mit gesetzlichen Zahlngsmitteln..
H. Ebel
20.02.2019 um 14:04
Und was ist mit der Ladeinfrastruktur in Ostdeutschland? Hier ist das Netz noch sehr unzureichend ausgebaut. Außerdem habe ich nicht den Eindruck, dass auch an die "Laternenparker" und an die Menschen in Mietshäusern gedacht wird, die vielleicht auch gern ein Elektroauto kaufen würden, aber nicht wissen, wo sie ihr Auto laden sollen.
Hans Kurt v.Wilmowsky
23.02.2019 um 14:59
Das Münchner Start-up Jolt Energy entwickelt frei aufstellbare Schnellladesäulen (Prinzip Powerbank), die in Großstädten vor Einkausmärkten oder Restaurants stehen sollen, www.jolt.energy. Es werden noch Investoren gesucht (50.000 Euro)!
NP
03.02.2020 um 13:56
Scheinbar scheint das größte Problem bei vw-elli selbst zu liegen: elli hat es bis heute (Februar 2020!) nicht geschafft ein akzeptables Handelsnetz aufzubauen.Bspw. kann im Westnetz-Verteilnetz -dem größten deutschen VNB- keine Belieferung mit elli durchgeführt werden.Laut Westnetz besteht kein Vertragsverhältnis mit VW-elli. Lieferanmeldungen werden zwar geschickt, Westnetz kann jedoch keine Belieferung einleiten.

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