Fraunhofer: Arbeitsplatz-Laden zum Forschen und Fahren

Die Fraunhofer-Gesellschaft erschafft aktuell das größte Forschungsnetzwerk für Ladeinfrastruktur in Deutschland. Rund 40 Fraunhofer-Institute erhalten in diesem Zuge insgesamt 500 Ladepunkte. Etliche sind bereits installiert. Diesen Monat ist das Projekt mit circa 240 Ladepunkten in den Regelbetrieb gegangen.

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Für die Fraunhofer-Gesellschaft – mit rund 29.000 Mitarbeitern die größte Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in Europa –, ist die Lade-Offensive an den eigenen Standorten in mehrfacher Sicht ein Gewinn. Zum einen stellt sie einen wichtigen Baustein in der Nachhaltigkeitsstrategie der Gesellschaft dar, die das Ziel verfolgt, bis 2030 klimaneutral zu sein. Zum anderen liefert das heterogen aus AC-Ladesäulen, Wallboxen und DC-Ladern aufgebaute Netz Forschungsstoff zum „Laden am Arbeitsplatz“ – so nennt sich auch das Gesamtprojekt, in das die Elektrifizierung der etwa 40 Fraunhofer-Institute eingebettet ist.

„Laden am Arbeitsplatz“ oder kurz LamA läuft bereits seit 2018 und wird vom Fraunhofer IAO koordiniert, dem Institut mit Schwerpunkt Arbeitswirtschaft und Organisation. Bei dem Institut laufen auch die Fäden für den groß angelegten Ladeinfrastrukturaufbau zusammen. Die Ladeparks an den teilnehmenden Instituten fallen ganz unterschiedlich groß aus. Während in Freiburg und Stuttgart – beides Standorte mit mehreren Instituten – je über 70 Ladepunkte geplant sind, wird beispielsweise in Hannover oder Mainz eine einstellige Anzahl von Ladern installiert. Die Hauptprämisse ist es, die Ladeinfrastruktur sowohl für Mitarbeiter als auch für Dienstwagenflotten und Dritte zur Verfügung zu stellen. Fraunhofer spricht in diesem Zusammenhang von der „Maximierung des Nutzerkreises“ und der „Maximierung der Auslastung“.

Die Errichtung der rund 500 Ladepunkte erfolgt in zwei Tranchen bis September 2022. Als Partner für die Installation der ersten Tranche agiert der Oldenburger Energiekonzern EWE über seine Tochtergesellschaft EWE Go. Das Unternehmen übernimmt neben der Montage und Inbetriebnahme der Ladepunkte auch Serviceleistungen wie Reparaturen und die jährliche Wartung der Stationen. Für die Installation der zweiten Tranche läuft aktuell noch die Ausschreibung.

Die Lade-Hardware stammt unterdessen von Ebee und Alpitronic. Während Ebee die AC-Ladesäulen und -Wallboxen besteuert, ist Alpitronic Lieferant der DC-Lader. An allen Standorten ist ein Lastmanagement möglich, das über das Backend der Ladeinfrastruktur gesteuert wird. „Dieses Backend hosten wir am Fraunhofer IAO, es handelt sich um eine Eigenentwicklung“, erläutert Dr. Daniel Stetter, Gesamtprojektleiter des Projekts LamA. Und: „An einigen Standorten nutzen wir die nächste Stufe, das Lademanagement, so dass Ladepunkte selektiv gesteuert werden können. Beides, Lade- und Lastmanagement sind sinnvoll, um die Elektroinstallationen vor der Ladeinfrastruktur – Trafo, Verteilung, Netzanschluss – nicht überzudimensionieren.“

Fraunhofer-Institute als Sub-Betreiber in E-Roaming-Netzwerken

Wichtig ist bei der heterogenen Nutzerschaft natürlich auch die Abrechnung der Ladevorgänge. Diese Aufgabe hat die Fraunhofer-Gesellschaft der chargeIT mobility GmbH übertragen. Die Firma mit Sitz in Kitzingen agiert als eMSP (eMobility Service Provider). Ebenso integriert chargeIT mobility die einzelnen Fraunhofer-Institute als Sub-Betreiber in die E-Roaming-Netzwerke. Das bedeutet, dass alle eMSPs, die bei chargeIT laden können, auch bei den einzelnen Fraunhofer-Instituten laden können. Der Vorteil: Die Fraunhofer-Gesellschaft muss sich nicht um Roaming-Beziehungen kümmern. Kommt bei chargeIT etwa ein neuer eMSP dazu, kommt dieser auch automatisch bei der Fraunhofer-Gesellschaft hinzu.

Über Partner chargeIT erhält die Fraunhofer-Gesellschaft sämtliche Daten für eine differenzierte Buchhaltung. Konkret wird es möglich, sowohl die Ladepunkte an den Fraunhofer-Standorten als auch die elektrischen Firmen-Flottenfahrzeuge und die geladenen Kilowattstunden an öffentlichen Ladestationen abzurechnen. Mitarbeiter können dabei unterwegs per App und europaweit via RFID-Karte über die gängigen Roaming-Plattformen laden. Außerdem kann jedes Fraunhofer-Institut individuelle Tarife für Mitarbeiter und Flottenfahrzeuge hinterlegen – selbst bei mehreren Instituten an einem Standort. Die Beschäftigten haben wiederum die Möglichkeit, die Daten ihrer Ladevorgänge mit einem Nutzer-Login über eine webbasierte Version des Lademanagement-Portals oder per App einzusehen.

Möglich ist all das via OCPI 2.2-Schnittstelle, die die Anbindung und Kommunikation der unterschiedlichen Backendsysteme gewährleistet. Die Eigenentwicklung des Fraunhofer IAO bleibt dabei das primäre Backend, Systeme zum Betrieb – eben jenes von ChargeIT – und zur Wartung sind angebunden.

An den teilnehmenden Fraunhofer-Instituten lief bisher der Testbetrieb: Probanden nutzten die bis dato installierten Ladesäulen in diesem Zuge kostenlos zur wissenschaftlichen Erprobung. Zum 1. April 2021 sind nun 240 Ladepunkte in den Regelbetrieb gegangen. „Damit konnten wir einen der zentralen Meilensteine des Projekts umsetzen“, äußert Dr. Daniel Stetter.

Mitarbeiter der Fraunhofer-Gesellschaft können die Ladeinfrastruktur nun seit Anfang April nutzen. Praktisch läuft das folgendermaßen: Sie registrieren sich bei chargeIT mobility über ein Selbstregistrierungs-Tool und erhalten nach Abschluss des Ladestromvertrags eine Ladekarte auf postalischem Weg. Neben dem Laden mit dieser Ladekarte haben wie oben erwähnt auch Dritte die Möglichkeit, über Roaming zu laden. „Darüber hinaus wird ab Anfang Mai auch das Ad-hoc-Laden – also das Spontanladen per App – an der LamA-Ladeinfrastruktur möglich sein“, blickt Stetter voraus.

Und das ist nicht die einzige Ankündigung: Bis zum Ende September 2022 – also innerhalb der kommenden eineinhalb Jahre – sollen weitere 138 Ladepunkte an Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft errichtet werden. Konkret 130 AC-Ladepunkte und acht DC-Ladepunkte.

Unternehmen sollen von Wissenstransfer profitieren

Eingebettet ist das Mammutprojekt in das Projekt „LamA – Laden am Arbeitsplatz“, das sich der umweltverträglichen Weiterentwicklung von Mobilitätsoptionen am Arbeitsplatz widmet. Stuttgart, Freiburg und Dresden bilden die Leuchtturmstandorte im Projekt. An diesen drei Standorten sind Reallabore eingerichtet, um vertiefende Untersuchungen durchzuführen. Insgesamt sieben Fraunhofer-Institute bündeln hierfür ihre Forschungsaktivitäten.

Das Fraunhofer IAO interessiert sich insbesondere für neue Geschäftsmodelle durch die Integration von Flotten- und Lademanagement für Dienstwagenfuhrparks. „Unser Ziel ist es, die Ergebnisse für andere Unternehmen zugänglich zu machen“, betont Dr. Stetter. Im Fokus steht der Wissenstransfer, „um weiterzugeben, was wir gelernt haben und darzustellen, wie man vorgehen kann“. Dazu legt das Fraunhofer IAO spezielle Transferveranstaltungen für Interessierte aus kleinen und mittleren Unternehmen sowie aus Großkonzernen, Kommunen, lokalen Energieversorgern und Verkehrsbetrieben auf.

Gefördert wird das LamA-Projekt mit einem Gesamtvolumen von über 15 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wie auch mit einem Zuschuss des Fraunhofer-Vorstands. Neben der Fraunhofer-Gesellschaft engagiert sich in dem Projekt auch der Energieanbieter Badenova. Als assoziierter Partner wirkt zudem die Stuttgart Netze Betrieb GmbH mit. Mit „LamA-connect“ gibt es seit 2020 bereits ein verwandtes Projekt, das an die bereits entwickelte Algorithmik zum intelligenten Laden anknüpft.
iao.fraunhofer.de, lama.zone

2 Kommentare

zu „Fraunhofer: Arbeitsplatz-Laden zum Forschen und Fahren“
notting
29.04.2021 um 21:29
Warum nicht nur HPC? Dann bräuchte man nicht soviele Fundamente, Kabel usw. EnBW macht das sicher nicht nur wg. dem höheren Umsatz beim Stromverkauf. Was ist wenn es irgendwann mehr E-Autos als Lahm-Ladesäulen gibt? Müssen die dann während der Arbeit rausrennen und umparken? Und schaut mal in deren Stellenausschreibungen. Selbst Jobs für die man einen richtigen Abschluss braucht sind meist Kettenzeitverträge über viele Jahre. Da weiß man nie ob sich ein Umzug in die überteuerte Großstadt wohnt. Auch wird man in dieser Situation (wenn man überhaupt eine BEV kauft, auch wg. hohen Anschaffungspreis) das BEV so kaufen können, dass man ohnehin ohne Laden beim Arbeitgeber auskommt. Der nächste Arbeitgeber könnte nicht mal genügend Stellplätze für seine Mitarbeiter haben. Fazit: Davon haben nur diejenigen wirklich was, denen es ohnehin schon besser geht.notting
Ishtar
01.05.2021 um 10:43
Wenn dein täglicher Arbeitsweg >200 oder gar 300km beträgt und du deshalb jeden Tag an der Station stehen MUSST, solltest du einen Umzug in Erwägung ziehen. Ansonsten ist das tägliche Laden nicht zwingend notwendig. Der durchschnittliche Weg, den wir in Deutschland täglich zurücklegen ist <50km. Somit muss nicht jeder jeden Tag laden und somit reicht es wenn nicht jeder seinen "persönlichen" Lader auf Arbeit hat. Und selbst wenn mal mehr laden wollen als vorhanden ist, gibt es noch die ultimative Geheimwaffe der Moderne: mit einander reden und sich absprechen, wann wer abstecken und umparken kann. Ja, ist weder kompliziert noch zeitaufwändig.Und zur Struktur des Fraunhofer: die Mitarbeiter werden aus Forschungsgeldern bezahlt, das diese keine unbegrenzte Laufzeit und Geldmittel haben, wird man befristet angestellt. Ist auch bei anderen öffentlichen Forschungsinstituten nicht anders. Es gibt Möglichkeiten einer Festanstellung, aber die sind begrenzt.

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